Dorothea Neff war eine Schauspielerin, die nach diversen Stationen in Deutschland 1939 am Deutschen Volkstheater, wie das Wiener Volkstheater damals hieß, ein Engagement fand. Von 1941 bis 1945 versteckte Dorothea Neff ihre jüdische Freundin Lilli Wolff in ihrer nun gemeinsamen Wiener Wohnung, nachdem diese den Deportationsbefehl gen Osten bekommen hatte und gefährdete damit auch ihr eigenes Leben. Unterstützt wurde sie dabei von einem Hausbewohner, dem damals jungen Arzt Erwin Ringel, der es später zu einer gewissen Prominenz bringen sollte. Zum Essen hatten Dorothea und Lilli anfangs nur das, was durch Neffs Lebensmittelmarke zu bekommen war. Um mit dem Immer-magerer-Werden nicht aufzufallen, schmuggelte Neff ihre Kostüme aus dem Theater mit nach Hause, wo Wolff, von Beruf Modedesignerin und Schneiderin, sie enger nähte. Später - mit dem entsprechenden Know-How - wurden Lebensmittelmarken erfolgreich gefälscht.
Der Autor und ORF - Redakteur Jürgen Pettinger, der sich schon zuvor mit „Franz“ dem Thema Homosexualität in Dritten Reich angenommen hat, erzählt die queere Geschichte Dorothea Neffs und ihrer jüdischen Partnerin Lilli Wolff. Lesben wurden im Gegensatz zu Schwulen viel seltener strafrechtlich verfolgt, aber auch lesbische Liebe galt „wider der Natur“ und „Unzucht mit einer Person desselben Geschlechts“ wurde nach österreichischem Recht kriminalisiert. Das galt selbst nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland, obwohl die entsprechende Bestimmung im „Deutschen Reich“ ausschließlich männliche Homosexualität bestrafte. Nach dem Krieg schwieg man über gleichgeschlechtliche Beziehungen, denn bis 1971 wurde Homosexualität in Österreich weiterhin strafrechtlich verfolgt , wovon auch die neue Beziehung von Dorothea Neff betroffen gewesen wäre. Das Österreich der Nachkriegszeit verweigerte Homosexuellen jahrzehntelang die Anerkennung als NS-Opfer. Erst 1995 änderte sich das. Die Liebesbeziehung zwischen Dorothea Neff und Lilli Wolff scheiterte an den Anspannungen der Jahre im Versteck. Lilli Wolff hatte jedoch glücklicherweise überlebt, arbeite nach dem Krieg erst als Kostümbildnerin an Theatern und wanderte dann in die USA aus, wo sie sich − zusammen mit der ehemaligen Partnerin ihres Kölner Modesalons eine neue Existenz und Beziehung aufbaute. 1983 starb sie in Dallas. Wolff hat nach ihrer Auswanderung in die USA österreichischen Boden nie wieder betreten. Neff war inzwischen eine allseits anerkannte Schauspielerin. Von 1973 bis 1976 war sie am Burgtheater und am Akademietheater engagiert und mit der ebenfalls bekannten Schaupielerkollegin Eva Zilcher liiert. Erst 1978 erfuhr eine Wiener Journalistin von der Rettungsaktion und konnte Neff für ein Interview gewinnen. Später wurde sie in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. 1986 wurde Dorothea Neff auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt. Ernst Reuß Jürgen Pettinger, "Dorothea: Queere Heldin unterm Hakenkreuz". Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2023, 192 Seiten, 24 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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