Eine neue Krimireihe spielt im Hamburg des Jahres 1928, genauer gesagt auf St. Pauli. Dort gibt es eine weibliche Kriminalpolizei, zu der auch bald eine junge, vorlaute Frau gehört. Sie ähnelt sehr der Hauptdarstellerin aus „Babylon Berlin“. Im Gegensatz zu Charlotte Ritter aus Berlin kommt die Hamburgerin Paula Haydorn jedoch aus wohlhabenden Elternhaus, was bei der Aufklärung des ersten Falles eine entscheidende Rolle spielen wird. Ihre Eltern haben kein Verständnis für ihren Berufswunsch und wollen es ihr verbieten. Sie selbst und ihre Kolleginnen müssen sich gegen die männlichen Vorgesetzten behaupten, die anfangs wenig begeistert sind von Frauen in ihrer Männerdomäne.
Erste Spuren führen ins Rotlichtmilieu und in einschlägig bekannte Freudenhäuser, also in ein Umfeld, das Paula völlig fremd ist. Bald tauchen Parallelen zu den Taten von Jack the Ripper auf, der vor 40 Jahren in London ganz ähnliche Taten begangen hat. Auch auf St. Pauli werden Frauen grausam ermordet und verstümmelt. Inzwischen ist eine zweite Folge der Krimireihe entstanden. Es beginnt mit einer Hinrichtung, dann wird ein Kind vermisst - ein neuer Fall für Paula Haydorn. Verzweifelt bittet die wohlhabende Signe von Arnsberg die Polizei um Hilfe bei der Suche nach ihrer Tochter, doch die Männer der Kripo nehmen die affektiert auftretende Frau nicht ernst. Nur Paula Haydorn glaubt ihr. Abgründe tun sich auf. Die Mitglieder der Kriminalpolizei geraten selbst in Gefahr. Ungeachtet der Ähnlichkeiten zu „Babylon Berlin“ beschreibt der Roman historische Begebenheiten, zumindest was den Aufbau der weiblichen Kriminalpolizei in Hamburg betrifft. Es bleibt spannend und menschelt inzwischen auch zwischen Paula und ihrem Chef und Kollegen Martin Broder. Schon deswegen darf man sich auf weitere Teile der Serie freuen. Ernst Reuß Helga Glaesner, Die stumme Tänzerin, Hamburgs erste Kommissarinnen Bd. 1, Hamburg 2021, 364 S., 10 € Helga Glaesner, Das Kind der Lügen, Hamburgs erste Kommissarinnen Bd. 2, Hamburg 2022, 352 S., 12 €
Die 1982 gestorbene Virginia Hall war während des Zweiten Weltkriegs eine Geheimagentin. Virginia Hall war die Tochter von wohlhabenden Eltern aus Baltimore / USA und wurde nach Kriegsende von mehreren Staaten mit Orden ausgezeichnet.
Als erste weibliche Agentin der Special Operations Executive, einer britischen nachrichtendienstliche Spezialeinheit im Zweiten Weltkrieg, ging Hall, die nach einem Jagdunfall nur ein Bein hatte, nach Frankreich und schuf ein Spionagenetzwerk im französischen Lyon. Kaum jemand in London gab der Agentin 3844 eine Überlebenschance, doch es sollte anders kommen. Mehrfach hatte sie sich zuvor vergeblich für den diplomatischen Dienst beworben, bekam als Frau jedoch kaum eine echte Chance. Sie kündigte daher ihre Stelle als Konsulatsmitarbeiterin und wurde im Februar 1940 Krankenwagenfahrerin in der französischen Armee. Im April 1941 begann ihre Ausbildung beim britischen Geheimdienst, Ende August 1941 meldete sie sich offiziell in Lyon an. Sie gab sich als Reporterin der New York Post aus, änderte oft ihr Aussehen und gründete ihr eigenes Agentennetzwerk. Im Juli 1942 gelang es dem Netzwerk von Virginia Hall, zwölf Agenten aus dem Gefängnis zu befreien. Ein ziemlicher Coup. Als Reaktion auf diese Befreiungsaktion schickte die deutsche Abwehr rund 500 Agenten, dabei konzentrierte sie sich auf Lyon, dem Zentrum des Widerstands. Der Gestapo-Chef von Lyon Klaus Barbie ließ ohne Erfolg ein Kopfgeld auf Virginia Hall aussetzen, denn sie war schon aus Lyon geflohen. Viele ihrer Mitstreiter kamen jedoch ums Leben. Nach ihrer Ankunft in England lehnten ihre britischen Vorgesetzten es ab Virginia Hall erneut nach Frankreich zu schicken, da dies zu gefährlich sei. Daraufhin bewarb sie sich beim US-amerikanischen Geheimdienst und durfte nach Frankreich zurück. Dort half sie mit irrwitzigen Aktionen den Krieg gegen Nazideutschland zu gewinnen. 1947 heuerte Hall als eine der ersten Frauen bei der neugegründeten CIA an und arbeitete hauptsächlich in den USA vom Schreibtisch aus. 1966 ging sie im Alter von 60 Jahren in den vorgeschriebenen Ruhestand. Da Virginia Hall sich weigerte, über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu sprechen oder zu schreiben, geriet ihr Name zunächst in Vergessenheit. Erst nach ihrem Tod erwachte das Interesse an ihrer Person. Nun erschienen mehrere Bücher und Filme über sie. Soeben ist wieder ein Buch über ihr aufregendes und gefährliches Leben erschienen, geschrieben von Sonia Purnell, einer preisgekrönten britischen Sachbuchautorin und Journalistin. Für den btb-Verlag übersetzt wurde es von Liselotte Prugger. Im Originaltitel heißt es: „A Woman of No Importance: The Untold Story of the American Spy Who Helped to Win World War II“. Das Buch berichtet ausgesprochen akribisch und ausführlich über all ihre gefährlichen Aktionen im Feindesland hinter der Front. Ernst Reuß Sonia Purnell, Eine gefährliche Frau, Die Geschichte von Virginia Hall, der meistgesuchten Spionin des Zweiten Weltkriegs, btb Verlag, München 2022, 512 Seiten, 13 € |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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