„Prominente Zeitzeugen erinnern sich an das Ende des Zweiten Weltkriegs: Wie Deutsche den Friedenssommer 1945 erlebten“, klingt sehr nach Boulevard und lässt erstmal skeptisch blättern, doch das erste Interview mit Georg Stefan Troller ist ausgesprochen interessant. Der Jude, der noch rechtzeitig flüchten konnte und als GI Anfang Mai nach Dachau zurückkam, berichtet von dauerndem Beleidigt- und Muffigsein der Deutschen, aber auch vom Antisemitismus in den USA.
„Das ganze ‚Dritte Reich‘ beruhte ja im Seelischen auf Illusion, auf Traum, Auf irgendwelchen romantischen Vorstellungen von Volkssturm, Brauchtum, Ariertum, Blutfahne, Blut und Boden. Sonnenwendfeier, Nibelungentreue. Meine Ehre heißt Treue.“, sagt Troller, der später ARD Korrespondent wurde. Ausgangspunkt für das Buch, waren Zeitzeugeninterviews des Spiegels anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung. Das Buch „Ein Sommer wie seither kein anderer“, zusammengestellt von zwei Spiegeljournalisten ist durchaus spannend zu lesen. Neben Prominenten wie Gerhart Baum, Armin Müller-Stahl oder Marianne von Weizäcker, kommen auch einige weniger prominente Zeitzeugen zu Wort, wie zum Beispiel ein Rotarmist und eine Auschwitz-Überlebende. Marta Hillers durchaus umstrittenes Buch „Eine Frau in Berlin“ wird immer wieder zitiert und Theo Sommer darf leider sogar unkommentiert von „hundertausende deutscher Soldaten“ schwadronieren, die in den Rheinwiesenlagern „im Schlamm oder an Hunger krepierten“ schwadronieren. Weitere prominente Zeitzeugen sind Klaus von Dohnanyi, Martin Walser, Friedrich Nowottny, Wolfgang Kohlhaase, Alexander Kluge und Hans-Jochen Vogel. Bei allen 24 Interviews wird jedoch sehr deutlich, wie prägend die Zeit war für alles was dann später in ihrem Leben kam. Ernst Reuß Hauke Goos (Hrsg.), Alexander Smoltczyk (Hrsg.), »Ein Sommer wie seither kein anderer«, Wie in Deutschland 1945 der Frieden begann – Zeitzeugen berichten, Deutsche Verlags Anstalt, München 2021, 24 €
Es war im Oktober 1999, als ich eine Ausstellung zum Holocaust sah und ein inzwischen recht bekanntes Foto mich sehr berührte: das Foto einer Erschießung im Zweiten Weltkrieg. Zu sehen ist ein am Rande einer Grube mit Leichen kniender einzelner Zivilist, der direkt in die Kamera des Fotografen blickt, während ein deutscher Soldat von hinten die Pistole auf seinen Kopf richtet. Der Fotograf hatte offensichtlich kurz vor der Liquidierung auf den Auslöser gedrückt. Als Bildunterschrift war auch der Ort angegeben, an dem die Erschießung stattfand. Es war Winnyzja in der Ukraine.
Winnyzja? Das hatte ich schon gehört. Dort war während des Krieges mein Großvater, erzählte man sich. Mein Großvater Ernst, der zu früh verstorbene, nach dem ich benannt wurde. Er war zwar Parteimitglied, aber weit hinter der Front in einer Schreibstube tätig, hieß es. Vom Krieg soll er kaum etwas mitbekommen haben. Von da an interessierte mich brennend, was in Winnyzja geschehen war. Ich begann nachzuforschen und fand heraus, dass mein Großvater in der Kommandantur eines Lagers für sowjetische Kriegsgefangene in Winnyzja gearbeitet hatte. Ich las alles, was ich dazu auftreiben konnte, und erfuhr, dass in derartigen Lagern entsetzliche Verbrechen geschehen sind. Erstaunt stellte ich fest, dass in Deutschland zwar viel über deutsche Kriegsgefangene in Sibirien geschrieben wurde, es aber kaum etwas über das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen gab, obwohl sowjetische Kriegsgefangene neben den Juden diejenige Opfergruppe, die das schlimmste Schicksal im Zweiten Weltkrieg erleiden musste. Von 5,7 Millionen Gefangenen in den deutschen Lagern kamen bis zu 3,3 Millionen um. Noch größer war mein Erstaunen, als ich bei meinen Recherchen darauf stieß, dass mein anderer Großvater Lorenz, der kein Nazifreund war, mehrere Jahre – als Gefangener in russischer Hand – in eben diesem Lager in Winnyzja verbringen musste, nachdem die Deutschen abgezogen waren. Beide Großväter aus dem beschaulichen Unterfranken waren also in Winnyzja gelandet. Nun ließ mich das Thema erst recht nicht mehr los. Ich wollte jetzt noch genauer wissen, was dort geschehen war. Stipendiumsanträge oder Anfragen an renommierte Wissenschaftler blieben ergebnislos. Meist war es den Angesprochenen nicht einmal eine Antwort wert. Private Fotomaterialien und Rechercheergebnisse, die dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst zur Verfügung gestellt wurden, blieben für immer verschwunden. Ich durchstöberte daraufhin privat und auf eigene Faust alle deutschen Archive, die dazu etwas in ihren Beständen hatten, und wurde auch fündig. Die Ergebnisse waren begrenzt, doch viele Originalakten führten dazu, dass das Bild immer klarer wurde. Das Bild von zwei einfachen Soldaten an der Ostfront und schreckliche, zumeist ungesühnten Verbrechen. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion rückte der Frontverlauf schnell an Winnyzja heran und spätestens am 21. Juli 1941 hatten die deutschen Truppen die 500 Kilometer von der Grenze entfernte Stadt besetzt. Die Front bewegte sich weiter und die Stadt wurde ins deutsche Reichskommissariat Ukraine eingegliedert. Erst später, nachdem der „Blitzkrieg“ gescheitert war, gewann Winnyzja aufgrund seiner geographischen Lage an Bedeutung. Ab Mitte November 1941 wurde nördlich der Stadt in einem Wald das Führerfeldhauptquartier „Werwolf“ gebaut. Schon wenige Tage nach der Besetzung der Stadt begann in Winnyzja die Ermordung von Juden. Das Morden wurde offiziell mit der „Beseitigung potentieller Unruhestifter“ erklärt. Anfang September begann auch der Mord an Patienten der städtischen psychiatrischen Klinik, deren Insassen auf Anordnung der Gestapo durch Giftspritzen meist vom Klinikpersonal selbst ermordet wurden. In Winnyzja wurden - nebst einigen kleineren - drei größere Lager errichtet: Von Juli bis September 1941 existierte ein Ghetto für die jüdische Zivilbevölkerung. Es hatte ungefähr 7 000 Bewohner und mindestens 2 000 Tote durch Erschießungen zu beklagen. Als zweites großes Lager wurde in Winnyzja ein Zwangsarbeitslager für männliche Juden unter SS-Verwaltung errichtet, das von 1941 bis 1944 bestand. Als die Arbeiter nicht mehr gebraucht wurden, sollen auch sie erschossen worden sein. Für das dritte Lager, das eigentliche Kriegsgefangenenlager Stalag 329, war die Wehrmacht zuständig. Dort wurden zwischen Oktober 1941 und September 1943 bis zu 20 000 sowjetische Soldaten gleichzeitig gefangen gehalten. Stalag 329 war nicht das schlimmste der Lager im Osten. Es fanden aber auch dort Aussonderungen, Sonderbehandlungen und Morde statt. Da sich die Ukraine auch heute im Kriegszustand befindet, liegt das ehemalige Stalag 329 heutzutage zum Teil auf militärischem Sperrgebiet, das man nur mit Sondergenehmigung und beschränkter Fotografiererlaubnis besuchen darf. Eine Baracke blieb erhalten. Dort befindet sich am Fundort eines Massengrabes das Mahnmal für die 2008 an diesem Ort exhumierten Überreste der verscharrten Kriegsgefangenen. Im nahe gelegenen frei zugänglichen Teil des ehemaligen Stalags 329 befindet sich ebenfalls ein Mahnmal. Auch außerhalb der Lager wurde gemordet. 33 150 Juden hatten 1939 in Winnyzja gelebt, was immerhin 35,6 % der Gesamtbevölkerung war. Als die Deutschen im Juli 1941 die Stadt einnahmen waren noch 18 000 jüdische Bürger in der Stadt, der Rest war geflohen. Schätzungen gehen davon aus, dass am 19. September 1941 mehr als 10 000 Juden durch das 45. Reserve-Polizeibataillon erschossen wurden. Am 15. April 1942 wurden nochmal knapp 5 000 Juden kurz vor den Toren der Stadt Winnyzja umgebracht. Ungefähr 1 000 unabkömmliche Handwerker ließ man vorerst noch am Leben. Heute ist die Stadt gewachsen und die Stätten der Massenmorde befinden sich jetzt auf dem Gelände einer privaten Gärtnerei. Drei erst in jüngster Zeit von jüdischen Organisationen errichtete kleine Denkmäler weisen auf die Erschießungsorte hin; sonst gibt es nichts. Eines der Denkmäler erinnert an die ermordeten Kinder, die ihren Müttern entrissen und vor ihren Eltern am Rand der Grube grausam ermordet worden waren. Da die Denkmäler sich auf einem Privatgelände befinden, ist der Zugang nicht immer gewährleistet. Die Massaker als auch Stalag 329 sind ansonsten in der Ukraine weitestgehend vergessen. Am 20. März 1944 wurde Winnyzja von der Roten Armee befreit. Es sollen gerade noch 74 Bürger jüdische Überlebende gezählt worden sein. Heute ist nur noch 1 % der Bevölkerung jüdischen Glaubens. Mein Großvater muss von den Verbrechen zumindest gewusst haben, auch wenn er wahrscheinlich nicht direkt involviert gewesen ist. Wir haben uns nicht kennengelernt. Er ist mit nur 42 Jahren 1950 an einem Herzleiden gestorben, das er sich während des Krieges zugezogen hatte. Mein anderer Großvater Lorenz - ein Friseur - wurde erst Ende Januar 1942 eingezogen und bereits einige Wochen später an die Ostfront ins Kubangebiet geschickt. Er war einfacher Gefreiter. Kanonenfutter nannte man diese kurz ausgebildeten Soldaten. Da sie keinerlei Kampferfahrung besaßen, war ihre Lebenserwartung an der Front nicht sonderlich hoch. Nur wenige aus seinem Regiment überlebten den Zweiten Weltkrieg. Lorenz hatte Glück im Unglück und wurde bei Noworossijsk im Juli 1943 bei einem Granatenangriff schwer verletzt. Nach seiner Genesung musste er allerdings wieder ran, um die Reichshauptstadt zu verteidigen. Am 2. Februar 1945 schrieb er aus der Kasern, kurz vor dem Abmarsch an die Front zum letzten Mal an seine Frau : „Gelingt es mir, daß ich eine leichte Verwundung erwische, so bin ich bei Euch bald zu Haus, das ist mein innigster Wunsch und mein Alles. Die Lage ist jetzt ganz aussichtslos für uns, was ich ja schon immer angedeutet habe. Der Volkssturm hält den Russen auch nicht mehr vor Berlins Toren (...) Man könnte aus der Haut fahren, wenn man dieser ekligen Zeit gedenkt. Zwölf Jahre Haß u. Elend u. wie lange wird es noch dauern?“ Jeder dieser Briefe hätte nicht schon deswegen sein letzter sein können, weil die tödliche Front drohte, sondern auch, weil einige seiner Äußerungen als Defätismus beziehungsweise Wehrkraftzersetzung mit der Todesstrafe bedroht und daher brandgefährlich waren. Lorenz hatte aber abermals Glück und geriet am 16. April 1945 in der Nähe von Cottbus in sowjetische Gefangenschaft. Bereits am 10. Mai 1945 kam er in der Ukraine im Lager Winnyzja – dem früheren Stalag 329 – an. Dort sollte er erst einmal bis Ende Juli 1947 bleiben. Danach wurde er ins Lager Kiew verlegt, wo es ihm nach eigenem Bekunden bis zum Ende seiner Kriegsgefangenschaft im Mai 1949 als Lagerfriseur nicht schlecht ging. Er litt allerdings zeit seines Lebens an den im Krieg erlittenen Verletzungen. Mein Großvater mütterlicherseits war einer von etwa zwei Millionen der 3,1 Millionen deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, die wieder nach Deutschland zurückkehrten. Demnach ist über ein Drittel in den Lagern – oder auf dem Weg dorthin – gestorben. Doch die häufigen Todesfälle auf sowjetischer Seite konzentrierten sich vor allem auf die Zeit unmittelbar nach Stalingrad und sind auch mit der Auszehrung und dem schlechten Gesundheitszustand der deutschen Soldaten nach den langen Kämpfen zu erklären. Ein weiterer Grund war die allgemein schlechte Lebens- und Versorgungssituation in der ausgebluteten Sowjetunion. Im Großen und Ganzen hielt sich Moskau an die Genfer Konvention. Das unterschied sich fundamental vom Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen auf deutscher Seite. Dort war man mitnichten an einer menschenwürdigen Behandlung der „Untermenschen“ interessiert. Die Leiden der überlebenden Rotarmisten hatten aber auch nach dem Krieg kein Ende. Bereits am 16. August 1941 war Gefangenschaft durch Stalins Befehl Nr. 270 mit Verrat gleichgesetzt worden. Von denen, die heimkehrten, wurden vier Fünftel verurteilt oder als Zwangsarbeiter in entlegene Gegenden geschickt. Erst 1957, nach dem 20. Parteitag der KPdSU, kamen sie im Rahmen einer Amnestie frei, blieben aber bei der eigenen Bevölkerung häufig geächtet. Erst in jüngster Zeit beginnt man in der Ukraine mit der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, was so in der Sowjetunion nicht möglich gewesen wäre. In Winnyzja bemüht sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und historisch Interessierten sehr darum all das zu beleuchten. Jetzt erst, Ende Dezember 2020 gab es in dort eine auch von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mitinitiierten Wanderausstellung, die bis Ende Januar 2021 an prominenter Stelle im Stadtzentrum von Winnyzja stehen blieb und danach dem Zentrum für Geschichte von Winnyzja überreicht wurde. Es soll die erste derartige Ausstellung in der Ukraine sein. Danach geht sie auf Reisen. Übersetzt soll die Ausstellung dann später auch in Deutschland gezeigt werden. Die Ausstellung besteht aus 16 großformatigen Tafeln. Es geht dabei um die schrecklichen Ereignisse in Winnyzia während der deutschen Besatzung. Zwei der Tafeln zeigen und beschreiben auch das Schicksal meiner Großväter. Ernst Reuß Der Autor ist gebürtiger Franke und lebt in Berlin. Sein Buch „Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg“ in immer wieder aktualisierter Fassung gibt es nur noch als Print on Demand bei amazon.
„Am frühen Morgen des 7. Mai 1945, angeblich um 2 Uhr 41, unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl im Namen des deutschen Oberkommandos die Gesamtkapitulation aller Streitkräfte im Alliierten Hauptquartier in Reims. Bis 23 Uhr am darauffolgenden Tag waren alle Kämpfe einzustellen. Die amerikanischen und britischen Alliierten erklärten daraufhin den 8. Mai zum „VE-Day“, dem „Victory in Europe Day“, also zum Tag des Sieges in Europa.
Um den Beitrag der Roten Armee an der Befreiung Europas vom NS-Regime zu würdigen und um eine persönliche Unterschrift des Inhabers der Kommandogewalt zu haben, wurde an diesem Tag die Kapitulation nochmals im Sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst unterzeichnet. Hier ratifizierten hochrangige deutsche Militärs, wie der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel, die Kapitulationsurkunde. Dies geschah kurz vor, beziehungsweise kurz nach null Uhr in der Nacht vom 8. zum 9. Mai. Es hing ganz davon ab, welche Zeit man zugrunde legte. Sommerzeit, normale Zeit oder die Zeit der Siegermächte. Nach westeuropäischer Zeit war es 23 Uhr 15, nach der in Deutschland geltenden mitteleuropäischen Sommerzeit war es bereits 0 Uhr 15, und nach Moskauer Zeit war es schon 2 Uhr 15. Die sowjetische Bevölkerung erfuhr erst am 9. Mai von der Kapitulation. Seitdem gilt dort der 9. Mai als „Den Pobedy“, also als der Tag des Sieges. Trotz aller Legenden hatte dies allerdings nichts mit den verschiedenen Zeitzonen, sondern lediglich damit zu tun, dass sich Stalin schlichtweg weigerte die Kapitulation bereits in dieser Nacht zu verkünden. (...) Generaloberst Bersarin, der bis zu seinem frühen Tod am 16. Juni 1945 (er starb bei einem Motorradunfall) die alleinige Befehlsgewalt in Berlin besaß, hatte schon Anfang Mai 1945 den Aufbau eines Gerichtswesens angeordnet. Dies geschah, um die zu erwartende Nachkriegskriminalität einzudämmen, die durch die sowjetische Militärgerichtsbarkeit alleine nicht zu bewältigen gewesen wäre. Er befahl: 'Im Interesse der schnellen Wiederherstellung des normalen Lebens der Bevölkerung der Stadt Berlin, im Interesse des Kampfes gegen Verbrechen und öffentliche Ruhestörung, der Regulierung des Straßenverkehrs und des Schutzes der Selbstverwaltungsgebäude der Stadt Berlin ist der Selbstverwaltung der Stadt Berlin vom Kommando der Roten Armee erlaubt, die Stadtpolizei, das Gericht und die Staatsanwaltschaft zu organisieren.' Dies war überaus notwendig, denn in der ausgebluteten, ausgehungerten und zerbombten Stadt wurde geplündert, geraubt und gemordet." ((zitiert aus: Ernst Reuß, Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern: Justizalltag im Nachkriegsberlin, erma, Berlin 2017, 196 Seiten, S. 10 ff.)
Bereits am 12. Januar 1945 hatte die Rote Armee ihre lang erwartete Großoffensive gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich begonnen. Am 16. April 1945 wurde dann an der Oder der Kampf um Berlin eingeleitet. Gewaltiger Artillerie- und Panzerbeschuss kündigten den Vormarsch mit Höllenlärm an. Die Rote Armee überschritt mit 2,5 Millionen Soldaten, 6 250 Panzern und 42 000 Artilleriegeschützen ab dem 16. April die Oder.
Berlin wurde Ende April erreicht. Viele Berliner waren geflohen, als der „Endkampf“ tobte. Immerhin gab es noch 2,8 Millionen Berlinerinnen und Berliner, sowie 800 000 Zwangsarbeiter in der Stadt. Die Deutschen kämpften besonders gegen die Rote Armee erbittert, auch wenn es keinen Sinn mehr machte. Viele Wehrmachtsoldaten wussten warum, denn ihnen war nicht entgangen welche Verbrechen von deutschen Soldaten im Osten begangen worden waren. Sie hatten Angst vor der Rache derjenigen, deren Angehörige gnadenlos gemeuchelt wurden. Die Propagandamaschinerie der Nazis tat ein Übriges. Etwa 1 600 Panzer kamen im Berliner Häuserkampf zum Einsatz. Keine Statistik erfasst, wie viele sowjetische Soldaten durch fanatisierte Berliner Kinder und Jugendliche umgebracht wurden. Keine Statistik erfasst auch die vielen Unschuldigen, die von den Berserkern der Nazis wegen „Feigheit vor dem Feind“ in den letzten Tagen ermordet worden waren. Adolf Hitler hatte die Parole ausgegeben: „Die Reichshauptstadt wird bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone verteidigt.“ Berlin wurde von drei Verteidigungsringen umgeben. Der äußere zog sich im 40-Kilometer-Radius um das Stadtzentrum, der zweite umfasste die Vororte, der dritte entsprach etwa dem S-Bahnring. Bereits am 28. April 1945 hatte der Militärkommandant der Stadt Berlin, Generaloberst Bersarin, mit dem Befehl Nr. 1 bekannt gegeben, dass die gesamte administrative und politische Macht in Berlin auf ihn übergegangen sei. Doch erst als Hitler sich selbst umbrachte, fühlte sich General Weidling, der letzte verbliebene Kampfkommandant, nicht mehr an seinen Eid gebunden und kapitulierte am 2. Mai 1945. Sein Kapitulationsbefehl lautete: „Am 30. April 45 hat sich der Führer selbst entleibt und damit uns, die wir ihm Treue geschworen hatten, im Stich gelassen [...]. Jede Stunde, die ihr weiterkämpft, verlängert die entsetzlichen Leiden der Zivilbevölkerung Berlins und unserer Verwundeten. Jeder, der jetzt noch im Kampf um Berlin fällt, bringt seine Opfer umsonst [...].“ Ernst Reuß |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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