Afrika im Mittelalter ist ein Thema, das bisher auf dem deutschen Buchmarkt vollkommen vernachlässigt wurde. Da schriftliche Aufzeichnungen fast komplett fehlen sind die Quellen sehr spärlich. Trotzdem nimmt sich François-Xavier Fauvelle - Professor für Afrikanische Geschichte an der Universität Toulouse - dieser Thematik in 34 Kapiteln an und führt die Leser durch weitgehend übersehene 800 Jahre Geschichte Afrikas. Er zeigt uns vergessene Schätze aus den verschollenen acht Jahrhunderten von den nubischen Königreichen bis ins Jahr 1498, an dem mit Vasco da Gama die Kolonisation durch die Europäer beginnt.
Der Autor berichtet von Ostafrika und Nubien, der Zentralsahara und Marokko. Er führt uns von Äthiopien, Mali und dem Senegal bis nach Madagaskar und ans Horn von Afrika. Eine unbekannte bis heute unterschätzte Welt der versunkenen Wüstenreiche und Stammesherrschaften, auf der es viel zu entdecken gibt. Der Titel bezieht sich auf ein Kunstwerk aus jener Zeit, das im Nordosten des heutigen Südafrikas gefunden wurde. Ernst Reuß Fauvelle, François-Xavier, Das goldene Rhinozeros, Afrika im Mittelalter. Aus dem Französischen übersetzt von Thomas Schultz, München 2017. 320 S. mit 47 Abbildungen und 3 Karten. Gebunden, 29,95 €
Die 2013 gegründete Initiative „Gedenkort für die Opfer der NS-´Lebensraum´-Politik, die den vergessenen Opfern des Vernichtungskrieges eine Stimme und ein Gesicht“ geben will, organisierte eine Vortragsreihe, in dem verschiedene renommierte Historiker den „deutschen Krieg um Lebensraum“ analysierten. Diese Vorträge sind jetzt im Metropol Verlag in einem kleinen Sammelband erschienen und erinnern an fürchterliche Verbrechen.
Im Osten plante Hitler nach seinen eigenen Worten: „eine Germanisierung durch Hereinnahme der Deutschen vorzunehmen und die Ureinwohner als Indianer zu betrachten.“ Geplant war nicht nur der Überfall auf die Sowjetunion, sondern auch ein Vernichtungskrieg, um Platz zu schaffen für die anschließende Kolonialisierung. Mit Beginn der damaligen „Ostforschung“ meinte man, den „dreckigen“, „faulen“ und „primitiven“ Polen die deutsche Kultur beibringen zu müssen und war der Ansicht, Anspruch auf deren Land zu haben, allerdings ohne „polnische Läuse“ oder andere „rassisch minderwertige Ostvölker“. Über die Russen dachte man ähnlich. In einem Feldpostbrief hieß es: „Es ist ein Volk, das langer und guter Schulung bedarf, um Mensch zu werden. Charakter und Wesen der Russen gehören noch viel mehr ins Mittelalter als in die Neuzeit.“ Das Elend, das die Soldaten im Osten sahen, bestärkte diese Einschätzungen. Doch Hitler plante nicht diese Menschen zu schulen, sondern wollte sich einfach töten. Der „slawische Untermensch“ war in den Herrenmenschenphantasien schlichtweg überflüssig und man plante, die Einheimischen einfach verhungern zu lassen. Insgesamt neun Vorträge umfasst der Sammelband „Der deutsche Krieg um ´Lebensraum im Osten` 1939 -1945“. Darin analysiert zum Beispiel Ulrich Herbert kurz und prägnant, wie es zum Überfall auf die Sowjetunion, dem „Unternehmen Barbarossa“, gekommen ist. Wolfgang Wippermann plädiert für den „Erinnerungsort“, weil die nationalsozialistische Vergangenheit mitnichten bewältigt sei. Er erklärt den völkischen Nationsbegriff und die Herkunft des Begriffs „Lebensraum im Osten“. Er verweist auf Ernst Moritz Arendt, der die Auffassung vertrat, die Deutschen wären ein „reines“, „unvermischtes“ und „nicht verbastardetes Volk“. Auch hier geborene und assimilierte Juden passten einfach nicht „in diese Welt und in diesen Staaten hinein“. Die Parallelen zu heute sind teilweise erschreckend, denn ähnliche Stimmen – diesmal nicht die Juden betreffend - hört man leider auch heute wieder. Andere Historiker widmen sich der Besatzung in Serbien, der Zufälligkeit so mancher Verbrechen oder vergleichen die Behandlung von westlichen Gefangenen und gefangene genommenen „slawischen Untermenschenen“. Der „als letzter Preuße“ gerühmte Generalfeldmarschall von Rundstedt war der Ansicht, dass der Vorteil von russischen Gefangenen sei, dass man sie einfach erschießen könne, wenn sie nicht parieren. Axel Schildt setzt sich mit dem Antikommunismus und dem Umgang mit dem Krieg im Osten in der frühen Bundesrepublik auseinander und stellt fest, dass im Rahmen des „Kalten Krieges“ Goebbels Propagandisten genauso weiter gemacht hätten. Bekannte CDU - oder FDP -Wahlplakate aus jener Zeit stammten von eben diesen Nazipropagandisten und zeichneten das Bild vom „bösen Russen“. In der Adenauerzeit ging es deshalb immer um Stalingrad und den dabei gestorbenen „heroischen“ deutschen Soldaten, nie jedoch um Leningrad, wo über 1,1 Millionen Menschen bei der 29-monatigen Blockade meist verhungerten. Das hat sich bis heute kaum geändert. Deutsche Opfer wurden also gewürdigt, die weitaus zahlreichen sowjetischen Opfer im Osten jedoch nicht. Erst nach der Wende gab es erste zaghafte Versuche, diese Seite des Krieges auch in der Bundesrepublik zu thematisieren. So gebührt der 1995 eröffneten und umstrittenen Wehrmachtsausstellung Anerkennung dafür, dass sie die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rolle der Wehrmacht, die zuvor als „heroisch“ galt, einleitete. Leider ist der Fokus des Sammelbands bezüglich der Aufarbeitung sehr auf die alte Bundesrepublik fokussiert. Interessant wäre es gewesen, auch etwas über die Aufarbeitung in der DDR zu lesen, um vielleicht nachvollziehen zu können, warum der seinerzeitige offizielle Antifaschismus nicht so nachhaltig gewirkt hat, um die im Augenblick dort offenbar werdende Geschichtsvergessenheit zu verhindern. In einer Zeit in der führende AfD- Politiker davon schwadronieren „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“, wäre die Errichtung eines derartigen Gedenkortes mehr denn je wünschenswert. Damit würde die Bundesrepublik nach außen und nach innen dokumentieren, dass sie die historische Verantwortung für diese Opfer ernst nimmt. Dadurch könnte auch angesichts der gerade vorhandenen Spannungen mit Russland die Bereitschaft zur fortdauernden Erinnerung an die Notwendigkeit friedlicher Beziehungen deutlich gemacht werden und natürlich auch wegen den wütenden Massen, die Politiker als Volksverräter diffamieren und den Errungenschaften der Demokratie offenbar nichts abgewinnen können. Vielleicht können das wenigsten dann mal deren Kinder, denn dafür sind solche Erinnerungsorte da. Ernst Reuß Peter Jahn, Florian Wieler, Daniel Ziemer (Hrsg.), Der deutsche Krieg um ´Lebensraum im Osten` 1939 -1945“, Ereignisse und Erinnerung, Metropol Verlag, Berlin 2017, 195 Seiten, 19 €.
Dass die Anwälte in der DDR „im goldenen Käfig“ gelebt hätten, so Christian Booß und so auch der Titel seines Buches, ist keine neue Erkenntnis. Schon Gregor Gysi hatte sich auf dem ersten ostdeutschen Juristentag 1992 so geäußert. DDR-Anwälte seien natürlich auch angepasst gewesen, denn die guten Verdienstmöglichkeiten hätten ihn und seine Kollegen stets diszipliniert, meinte er. So mancher Kollege konnte sich daher einen West-Pkw leisten oder schicke Antiquitäten kaufen. Die Stasi beobachtete es mit Argwohn.
Friedrich Karl Kaul war der erste Staranwalt der DDR. Seine Liebe für westliche, möglichst amerikanische Autos war legendär, aber er blieb unantastbar. Der jüdische Jurist war von den Nazis ins KZ gesteckt worden, konnte aber 1937 emigrieren. „Fragen Sie Professor Kaul“ hieß die populäre Sendung im DDR-Fernsehen, in der er sich mit juristischen Problemen des DDR-Alltags beschäftigte. Damit jedoch nicht genug – wortgewaltig plädierte er schon zu Ulbrichts Zeiten vor westdeutschen Gerichten. Er vertrat Kommunisten, die in der Zeit des Kalten Krieges verfolgt wurden, und trat häufig als Nebenkläger gegen NS-Verbrecher für in der DDR lebende Opfer auf. Ein weiterer sehr prominenter Anwalt war Friedrich Wolff, der in den achtziger Jahren mit seiner Sendereihe „Alles was Recht ist“ Kaul ablöste und zuvor schon in großen Strafprozessen auftrat, wie den Prozessen gegen Beteiligte des Aufstandes vom 17. Juni 1953 sowie gegen westdeutsche Politiker wie Globke oder Oberländer. Später war er in der Bundesrepublik an der Verteidigung von Günter Guillaume beteiligt und verteidigte nach Ende der DDR viele ehemalige SED-Größen, so wie Erich Honecker. Der Mitarbeiter der Stasiunterlagenbehörde (BStU) Christian Booß, der zusammen mit seinen Mitarbeitern die Studie verfasst hat, legt den Fokus seiner Arbeit allerdings auf das „Verhalten von Anwälten in vom MfS-ermittelten Strafverfahren während der Ära Honecker“. Da die Quellenlage bei der Berliner Anwaltschaft besonders gut gewesen sei, wurden „vor allem Fälle, die das MfS in Berlin ermittelte, in den Blick genommen“. Dazu seien „1804 Fälle aus den Jahren 1972, 1984 und 1988 in einer Datenbank erfasst, quantitativ und exemplarisch qualitativ in Hinblick auf das Anwaltsverhalten ausgewertet“ worden. Obwohl laut Booß kaum 2,8 Prozent aller Mandate solche Fälle betrafen, seien sie für die Einschätzung eines Rechts- und politischen Systems von hoher Bedeutung, da hier „Machtanspruch des Staates und das Schutzbedürfnis des Individuums in besonderer Weise aufeinandertreffen“. Auf jeden Fall wird damit ein hoch umstrittener Aspekt der DDR-Geschichte beleuchtet. Rechtsanwälte in politischen Prozessen hatten in der DDR nur geringen Handlungsspielraum. Untersucht werden in der Studie vor allem Prozesse, bei denen es auch um die Ausreise von DDR-Bürgern ging. Sie endeten meist mit ein bis zwei Jahren Haft und dem Freikauf durch bundesdeutsche Behörden. Eine lukrative Einnahmequelle für den Staat – und die Anwälte. Spezialist dafür war der Einzelanwalt Wolfgang Vogel. Erhatte nach dem Krieg studiert und 1961 den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke in Potsdam organisiert. 150 weitere von Vogel organisierte Agentenaustausche sollten folgen. Mit Vogels Hilfe wurde 250 000 Menschen die Ausreise ermöglicht. 32 000 Häftlinge wurden von der Bundesrepublik freigekauft. Vogel und seine Angestellten waren 1984 in fast der Hälfte derartiger Fälle zuständig. Er verdiente gut dabei, wurde er doch sowohl von der DDR als auch der Bundesrepublik bestens alimentiert. 1989 spielte er eine wichtige Rolle bei der Ausreise von DDR-Bürgern aus der Prager Botschaft. Unterstützt wurde er von einem Anwalt der nächsten Generation, dem späteren Politiker Gregor Gysi. In der DDR gab es im untersuchten Zeitraum durchschnittlich knapp 600 Anwälte, während es im Westen mehr als 50 000 waren. Bis auf 20 sogenannte Einzelanwälte waren die Anwälte der DDR in 15 „Kollegien“ zusammengeschlossen. Leitbild war der „sozialistische Rechtsanwalt“. Bei der Auswahl von Jurastudenten und Rechtsanwälten hatten daher Justizministerium und Partei das Sagen. Eher verwunderlich, dass erst nach 1973 die Fünfzig-Prozent-Marke überschritten wurde, was die Mitgliedschaft von Anwälten in der SED betraf. Zu den prominenten Persönlichkeiten, die nach der Wende unter Stasi-Verdacht gerieten, gehörten viele Rechtsanwälte. Das hat das Bild von DDR-Anwälten bis heute geprägt. Diese Anwälte mussten zwischen den Einmischungen der Staatsmacht und dem Mandantenwohl lavieren, was in einem Staat wie der DDR schwierig genug war. Aber es gab auch Stasi-Mitarbeiter unter den Anwälten. Der bekannteste Fall ist der von Wolfgang Schnur, der als Vorsitzender des „Demokratischen Aufbruchs“ in der Politik Karriere machte, dann mit seinem Mandantenverrat aufflog und inzwischen verarmt verstorben ist. Andere Anwälte wurden gegängelt, so wie Robert Havemanns erster Anwalt Götz Berger, dem die Zulassung entzogen wurde. Die Studie zeigt aber auch, wie schwierig es ist, sich vom Verdacht der Stasi-Mitarbeit reinzuwaschen. Vor allem prominente, in der Öffentlichkeit stehende Anwälte haben es schwer. Ihre mögliche Stasi-Mitarbeit wärmt auch der Autor wieder auf. Booß, der aufgrund seiner Tätigkeit bei der Stasiunterlagenbehörde diesbezüglich wohl auch Partei ist, führt unzählige Vermerke der Staatssicherheit auf, in denen diese Anwälte erwähnt werden und interpretiert diese. So soll Gysi über das Auftreten von Ausreiseantragstellern, der Stasi zufolge, gesagt haben, dass sie „immer aggressiver und in immer größerem Umfang“ auch in seiner Kanzlei aufträten. Booß interpretiert das so: „Dieses Dokument steht in einem gewissen Widerspruch zu Gysis Bekundung, er habe zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet.“ Rudolf Bahro sollte später über seinen Anwalt Gysi sagen: „Im ‚Realsozialismus’ hatte der Anwalt (...) zugleich eine Vermittlungsfunktion zu staatlichen Organen. (..) Was ich ihm sagte, war (...) gerade dazu bestimmt, weitergegeben zu werden, an welche Organe war seine Sache. (...) In diesem Sinne habe ich ihm vertraut und denke bis heute (.,..) aus gutem Grund.“ Dem späteren DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière wirft Booß vor, dass das MfS eine ganze Aktensammlung gehabt habe, die in seiner Amtszeit vernichtet worden sei. De Maizière bestreitet eine inoffizielle Mitarbeit und deutet die Möglichkeit an, dass das MfS einen Zweitschlüssel zu Anwaltszweigstellen besessen habe. Booß interpretiert: „Es ist zwar zutreffend, dass ein übereifriger IM den Schlüssel besorgte und das MfS einen einen Nachschlüssel fertigte. Aus den gesichteten Unterlagen wird allerdings nicht deutlich, dass das MfS diesen Schlüsseldiebstahl in Auftrag gegeben oder ihn genutzt hätte.“ Am Ende kommt Booß zu einem differenzierten Resümee. Er stellt fest, dass in der Honecker-Ära zwar Verfahren gegen prominente Dissidenten wie Bahro und Havemann das Bild der politischen Justiz prägten, diese aber eher die Ausnahme darstellten. Schauprozesse waren in Zeiten des Stalinismus üblich, doch in den späten siebziger und achtziger Jahren war eher der kurze Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit typisch. Kein „Drehbuch-Prozess“ mehr, bei denen die Prozessbeteiligten ein vom MfS erdachtes Szenario abzuarbeiten hatten, sondern lediglich eine Etappe zwischen Verhaftung und Freikauf der Verurteilten durch die Bundesregierung. Die Rechtsanwälte waren eher Justizfunktionäre, die in den von Booß untersuchten Fällen vor allem den Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu wahren hatten und dies auch bereitwillig taten. Das knapp 800 Seiten lange Buch beruht auf der Dissertation des Autors, die für die Veröffentlichung noch erweitert wurde. Dabei hätte eine gewisse Straffung der Lesbarkeit eher gutgetan. Die Aussagekraft statistischer Auswertungen ist zum Teil schwer nachzuvollziehen, und einige Grafiken wirken sehr bemüht. Gleichwohl bildet das Buch einen weiteren Mosaikstein zur Aufarbeitung der Geschichte eines deutschen Staates, der ein wenig mehr als 40 Jahre existierte. Ernst Reuß Christian Booß: Im goldenen Käfig. Zwischen SED, Staatssicherheit, Justizministerium und Mandant – die DDR-Anwälte im politischen Prozess. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017. 813 S., zahlr. Abb., 45 € |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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