HISTORISCHES SACHBUCH
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Die Weiße Rose

24/4/2017

 
Gerade mal sechs verschiedene Flugblätter verfassten und verteilten die Mitglieder der Widerstandsgruppe die „Weiße Rose“ zwischen Juni 1942 und Januar 1943, dann wurden sie gefasst. Dennoch wurden sie, und vor allem die Geschwister Scholl, zu Ikonen des Widerstands. Bis heute gilt die „Weiße Rose“ als Sinnbild für moralische Redlichkeit im Widerstand gegen ein totalitäres Unrechtsregime und für unerhörten Mut – und werden dafür bis in die Gegenwart von sehr ungleichen Gruppen für sich vereinnahmt.
Den inneren Kreis der Weißen Rose bildeten Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf sowie der Universitätsprofessor Kurt Huber.
Zwischen Ende Februar und April 1943 wurde gegen sie vor dem Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des berüchtigten Geiferers Roland Freisler verhandelt. Sie wurden zum Tode verurteilt und enthauptet. Andere Beteiligte und Mitwisser wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, ihre Familien wurden geächtet und gerieten in Sippenhaft.
Die Historikerin und Journalistin Miriam Gebhardt hat nun ein äußerst faktenreiches und akribisch recherchiertes Buch geschrieben, in dem sie einigen Mythen über die Weiße Rose widerspricht. Beispielsweise sei Religion kein wichtiges Motiv für den Widerstand gewesen und die „Weiße Rose“ war mehr als die Geschwister Scholl, was bis heute zu Animositäten unter den Nachfahren führt.
Die Autorin sucht in den Biografien der engsten Mitglieder der Widerstandsgruppe nach den  individuellen Voraussetzungen des Widerstands. Sie schreibt in ihrem Vorwort:
 „Die meisten Bücher über die Weiße Rose stammen von Amateurhistorikern, Journalistinnen oder Lehrern. Sie haben uns zwar viel Wissenswertes und Anschauliches über die Weiße-Rose-Aktivisten beschert, doch die Analyse der persönlichen Voraussetzungen des Widerstands blieben uns Publizistik wie auch wissenschaftliche Forschung schuldig.“
Ob ihr mit dem sehr detaillierten, aber gut geschriebenen und daher flüssig zu lesenden Buch nun eine allumfassende Analyse gelungen ist, werden weitere Bücher zum Thema zeigen.
 
Ernst Reuß
 
Miriam Gebhardt, Die Weiße Rose, Wie aus ganz normalen Deutschen Widerstandskämpfer wurden, Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 368 Seiten, 13,5 x 21,5 cm mit Abbildungen, € 19,99 
Die Flugblätter im Wortlaut
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Boulevard meets Holocaust

22/4/2017

 
Berthold Beitz, Emilie Schindler, Anne Franks letzter Verwandter oder Sophie Scholls Schwester. Aber auch ein aus der Kesselschlacht von Stalingrad Entkommender, ein deutscher Überlebender der alliierten Invasion am Omaha Beach, Mitverschwörer des 20. Juli 1944 und andere Zeitzeugen werden in 18 Kapitel beschrieben.
​Inzwischen leben nur noch wenige von ihnen.
Der Autor Tim Pröse hat einige der Porträtierten über viele Jahre begleitet. Er erzählt von ihrem Leben und ihrer Botschaft. Gerade in der heutigen Zeit ist es ein gut gemeintes Plädoyer für mehr Toleranz und gegen das Vergessen.
Die besonderen Lebenswege beeindrucken, aber bei aller Hochachtung vor den meisten der Porträtierten, erzählt Pröse dennoch oft eher über seine eigenen Empfindungen, als über die der „Jahrhundertzeugen“. Man kann Pröses Stil als sensibel bezeichnen, aber mit weniger Wohlwollen auch als schwülstig. Pröse war Reporter bei der Münchner Abendzeitung und beim Focus. Für eines seiner „einfühlsamen Porträts“ wurde er mit dem katholischen Medienpreis ausgezeichnet. Nicht alle der Reportagen im Buch sind gelungen, manche sind eher unkritisch, einige wenige durchaus interessant.
Für Liebhaber des Boulevards, die den Zugang zu schwierigen Themen suchen, kann man das Buch durchaus empfehlen. Kritische Sachbuchleser nehmen eher andere Bücher zur Hand.

​Ernst Reuß

 
Tim Pröse, Jahrhundertzeugen. Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler. 18 Begegnungen. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 320 Seiten, 18 s/w Abbildungen, 19,99 €
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Gespenster....

15/4/2017

 

Florian Huber will anhand von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen die Familienverhältnisse im Nachkriegsdeutschland darstellen. Er schreibt:
​
„Der deutsche Familienkosmos nach 1945 war eine historisch einzigartige »Versuchsanordnung«. In ihm liegt der Schlüssel zum Verständnis einer Epoche und der Menschen, die darin aufeinandertrafen.“

Der Autor schildert, wie es vielen Kriegsheimkehrern und ihren Angehörigen erging. Es sind die bekannten Schicksale von Frauen, die ohne erwerbstätigen Mann die Familie durchbringen müssen, von Kinder, die ohne Vater aufwachsen, sowie von Männern, die aus dem Krieg zurückkehren und sich im Nachkriegs-Deutschland nicht mehr zurechtfinden. In den Familien wird über die Vergangenheit weitgehend geschwiegen; das Zusammenleben ist häufig eine Qual. Trotzdem oder gerade deswegen wird die „heile Familie“ propagiert, auch wenn es hinter den geschlossenen Gardinen ganz anders zuging. Der Autor wirft leider die vielen Einzelschicksale im Text munter durcheinander, wodurch schon bald ein verwirrter Leser zurückbleibt, der sich bei all den Namen und Schicksalen nicht mehr zurechtfindet.

Nahezu jede deutsche Familie war in irgendeiner Weise in die Geschehnisse des zweiten Weltkriegs und seiner Folgen verwickelt. Diese wirkten und wirken bis heute in unterschiedlicher Weise nach.
​
Hubers These vom Familiendrama, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind, ist daher durchaus nachvollziehbar aber auch keine fundamental neue Erkenntniss. 
 
Ernst Reuß
 
Florian Huber: "Hinter den Türen warten die Gespenster. Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit", Berlin Verlag, München/Berlin 2017, 347 Seiten, 22 Euro.
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Was damals Recht war…..Teil II

9/4/2017

 
Ende März wurde in der Topographie des Terrors in Berlin die Ausstellung „Was damals Recht war ... – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ eröffnet.
Darin wird auch das Schicksal von Johann Süss dokumentiert.
Er wurde noch nach Ende des Zweiten Weltkrieges, am 10. Mai 1945, wegen „Untergrabung der Manneszucht“ durch „zersetzende Reden“ standrechtlich erschossen.
Er war nicht der Einzige.
Die Urteile blieben bis heute zumeist ungesühnt.
 
Sein Gnadengesuch
„Nach der Waffenruhe herrschten für mich so ungewisse soldatische Verhältnisse, dass ich mir nicht im klaren darüber war, ob ich noch Soldat oder schon Zivilist sei.“,
wurde von gnadenlosen Richtern abgelehnt.
Die meisten am Urteil Beteiligten, machten in der Bundesrepublik Karriere, während die Opfer der Wehrmachtjustiz in der Nachkriegszeit weiterhin als Drückeberger und als Feiglinge verfemt und verachtet wurden.
 
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete bereits 1965 von diesem Fall:
Der Spiegel, Nr. 28 1965
Ausschnitt aus: „Was damals Recht war...” – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Ein Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, hg. v. d. Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 2017, 240 S., 15 €.
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Sie kam aus Mariupol

5/4/2017

 
Natascha Wodin gelingt das, was Autoren von historischen Sachbüchern oft nicht gelingt. Sie kleidet die Welt des letzten Jahrhunderts mit ihren katastrophalen Verwerfungen und den Auswirkungen auf die Familien in wunderbare Prosa, so dass man das Buch in einem Rutsch durchlesen kann, ohne es aus der Hand zu legen.
In der auf Tatsachen beruhenden Erzählung geht es vordergründig um das Leben ihrer ukrainischen Mutter, die aus der Hafenstadt Mariupol stammte und mit ihrem Mann 1943 als „Ostarbeiterin“ nach Deutschland verbracht wurde. Ihre Mutter, die als junges Mädchen den Niedergang ihrer Familie im Bürgerkrieg und anschließendem Terror miterlebte, beging 1956 mit 36 Jahren Selbstmord, als die Tochter gerade einmal zehn Jahre alt war. Eine dramatische Familiengeschichte in Zeiten von Revolution, Hunger, Krieg, Gulag, Selbstmorden, Mord und dem Leben als „Heimatloser Ausländer“ in der fränkischen Provinz.
Die wechselvolle Geschichte ihrer Familie ist sowohl ein Familiendrama als auch eine Flüchtlingsgeschichte aus dem letzten blutigen und sehr ereignisreichen europäischen Jahrhundert. Mit Hilfe eines computeraffinen Hobbyhistorikers aus Russland rekonstruiert sie die Herkunft ihrer Mutter. Die Geschichte dieser im ersten Teil des Buches aufgeschriebenen Recherche liest sich wie ein Krimi.
Der zweite Teil des Buches verdankt sie den dadurch entdeckten Aufzeichnungen ihrer nicht mehr lebenden Tante. Er führt aus deren Perspektive vom vorrevolutionären Russland einer zu großem Vermögen gekommenen italienischstämmigen und adligen Familie, zu stalinistischen Terror und furchtbaren Hungersnöten. Ihre 1920 geborene Mutter hatte die einstmalige Pracht nie erlebt und daher auch nie thematisiert. Ihr Leben begann im revolutionären Chaos und stolperte von einer Katastrophe in die nächste. Ihre bürgerliche Herkunft war in der Ukraine lediglich eine Bürde und war für sie kein Grund in der Vergangenheit zu schwelgen. Der dritte Teil des Buches erzählt den Werdegang der Mutter, die trotz ihrer bürgerlichen Herkunft studieren konnte und nach dem Einmarsch der Wehrmacht eine Anstellung beim deutschen „Arbeitsamt“ fand, der Vermittlungsstelle für Zwangsarbeiter. Möglicherweise war diese Form von Kollaboration auch ein Grund ihres Weges nach Deutschland und im Gegensatz zu vielen anderen Ostarbeitern keine Verschleppung. Wodin wurde in einem Arbeitslager des Flick-Konzerns gezeugt und kam 1945 auf die Welt.
Der vierte und letzte Teil des Buches erzählt von der Nachkriegszeit. Im Schuppen einer Eisenwarenfabrik in Nürnberg wächst die rebellische Tochter schließlich in ärmlichsten und schwierigen Verhältnissen auf. In ihrem Elternhaus mit einem gewalttätigen Vater und einer depressiven Mutter herrschen chaotische Verhältnisse, ansonsten wird geschwiegen. Wodins Mutter trauerte ihren engsten Familienangehörigen nach, die sie alle zu verloren haben scheint.
Erst ihre Tochter findet nun wieder die Spuren dieser Familie und stellte dabei fest, dass man - ohne voneinander auch nur zu ahnen - sich nach dem Krieg an Orten befand, die nicht allzu weit entfernt waren. Die Nachkriegszeit und der beginnende Kalten Krieg ließen jedoch kein Wiedersehen zu.
Für das Buch mit dem Titel „Sie kam aus Mariupol“ wurde Natascha Wodin zu Recht mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2017 für Belletristik ausgezeichnet. 
 
Ernst Reuß
 
Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 364 Seiten, 19,95 Euro. 
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    Autor

    ​Ernst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt.
    ​Lebt als Autor in Berlin.

    Publikationsauswahl:
    Berliner Justizgeschichte / Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern / Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg / Mord? Totschlag? Oder was? / Sirius, Katzenkönig und Co. / Mord und Totschlag in Berlin.



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