Ältere Leser mögen sich an ihre Jugend erinnern, jüngere Leser werden staunen wie es vor nicht allzulanger Zeit in Berlin ausgesehen hat und ganz junge Leser werden erfahren wie der Alltag ihrer Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern ausgesehen hat. Der überaus prächtige Bildband „Alltag in Berlin: Das 20. Jahrhundert“ beschränkt sich nicht nur auf die unmittelbare Jahrhundertwende oder auf das „Dritte Reich“, sondern zeigt auch viele unbekannte Fotos aus der Nachkriegszeit bis hin zur Nachwendezeit.
Zusammengestellt wurden die Fotos von Hans-Ulrich Thamer, einem Geschichtsprofessor und der ehemaligen Leiterin der Fotosammlung des Berliner Stadtarchivs Barbara Schäche. 1000 abgedruckte Fotos sollen es sein, die in verschieden Kapitel unterteilt sind und die Phasen der jüngeren Berliner Stadtgeschichte dokumentieren. Die Hauptkapitel sind mit „Leben und Arbeiten“ sowie mit „Die Hauptstadt der Deutschen“ überschrieben. Das erste Kapitel unterteilt sich in die Abschnitte „Arbeitswelten“, „Jahrzehnte der Krise“, „Familie und Freizeit“, „Bauen und Wohnen“, „Bilden und Erziehen“, „Konsum und Vergnügen“ und in „Die Vielfalt der Kulturen“. Das zweite Kapitel untergliedert sich in „Preußens Gloria und der Niedergang“, „Die umkämpfte Republik“, „Das braune Berlin“, „Neubeginn und Kalter Krieg“, „Leben in der Teilung“ sowie „Mauerfall und zweiter Aufbruch“. Während es im ersten Teil unpolitisch zugeht, werden im zweiten Kapitel die politischen Umwälzungen deutlich sichtbar. Ein wunderbarer Spaziergang durch hundert Jahre Berliner Historie, der die Geschichte und die Atmosphäre der Stadt visuell erfahrbar macht. Ein zum Darinherumblättern, zum Staunen und für nostalgische Reminiszenzen geeigneter ausgesprochen schöner Fotoband mit tollen Bildern, die so manches illustrieren, was es inzwischen nicht mehr gibt, aber erinnernswert bleibt. Ernst Reuß Hans-Ulrich Thamer, Barbara Schäche: Alltag in Berlin. Das 20. Jahrhundert. Elsengold Verlag, Berlin 2016. 462 Seiten, rund 1000 Abbildungen, 49,95 Euro.
Schon in seiner Zeit als Ressortleiter der Tageszeitung „Kurier“ und des Nachrichtenmagazins „News“ hat sich Hans-Henning Scharsach mit den engen Verflechtungen führender Köpfe der FPÖ mit rechtsextremen Burschenschaften beschäftigt.
In seinem neuen Buch, das gerade den Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch 2017 erhalten hat, arbeitet der Autor akribisch heraus, dass ein „rechtsextremer demokratie- und verfassungsfeindlich agierender Akademikerklüngel“ die Partei die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) erst unterwandert hat und dann in Besitz genommen hat, angeführt vom neuen Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer, der 2016 nur knapp bei der Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten gescheitert ist und inzwischen zum- Verkehrsminister ernannt wurde. Zwar gibt sich die Partei gerne als Sprachrohr des „kleinen Mannes“, schreibt Scharsach, ist jedoch in der Hand einer extrem elitären Truppe, rekrutiert aus österreichischer Burschenschaften, aus denen die schlimmsten Nazi-Verbrecher, die brutalsten politischen Gewaltverbrecher der Nachkriegszeit und zahlreiche rechtskräftig verurteilte Neonazis hervorgegangen sind. Hofers Präsidentschaftswahlkampf, analysiert Scharsach überzeugend, war „ein Lehrstück einer von Burschenschaften konzipierten populistischen Kampagne“, inklusive der Verbreitung rücksichtsloser Hasspropaganda und systematischer Fake-News. Dazu werden als Feindbilder die Schwächsten der Schwachen auserkoren, wie Scharsach durch Posts von Straches Facebookseite dokumentiert. Das Buch, das vor Nationalratswahl 2017 erschienen ist, macht in erschreckender Weise deutlich, wen sich der neue österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz mit der FPÖ und ihrem Führungszirkel an den Kabinettstisch geholt hat: Burschenschaftler, die sich an Traditions- Veranstaltungen der Waffen- SS beteiligen, die Auschwitz leugnen, Nazi-Verbrecher glorifizieren und rechtsextreme und rassistische Aktivitäten fördern. Man trägt gerne eine Kornblume am Revers, ein Zeichen, das NSDAP-Mitglieder zum gegenseitigen Erkennen zu tragen pflegten, als das Hakenkreuz verboten war. Ernst Reuß Hans-Henning Scharsach: Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften, Kremayr & Scheriau, Wien 2017, 208 Seiten, 22 Euro.
Mit der Kapitulation des Oberbefehlshabers der 6. Armee Paulus am 31. Januar 1943 und von 21 deutschen und zwei rumänischen Divisionen unter General Karl Strecker am 2. Februar 1943, endete die Schlacht um Stalingrad, auch wenn versprengte Truppenteile teilweise noch bis in den März hinein kämpften. Es war ein Massaker und der Anfang vom Ende des „Dritten Reiches“.
Viele Generäle – unter ihnen auch der Oberbefehlshaber Paulus – gingen in Kriegsgefangenschaft. Als die ersten russischen Soldaten am 31. Januar den Keller des Univermag-Kaufhauses betreten, in dessen Keller sich das Hauptquartier der 6. Armee befand, lag Paulus apathisch im Bett. Wochenlang hatte er wider besseres Wissen alle Haltebefehle Hitlers befolgt. Paulus sowie andere Soldaten schlossen sich später dem Nationalkomitee Freies Deutschland an und wirkten nach Beendigung des Krieges in der DDR. Die Belagerung von Stalingrad war ein Massaker größten Ausmaßes und kostete ungefähr 450 000 sowjetischen Soldaten das Leben. Aufgrund der monatelangen Belagerung gab es noch dazu sehr große Verluste unter der Stalingrader Zivilbevölkerung. Wie viele zivile Opfer es in der Stadt zu beklagen gab, lässt sich allerdings nicht mehr genau rekonstruieren. Von ehemals 260 000 Mann, gingen gerade einmal 91 000 Überlebende in Gefangenschaft. Nur ungefähr 6 000 der durch die langen Kämpfe vom Hunger geschwächten und oft schwer kranken Kriegsgefangenen sollten die Kriegsgefangenschaft beziehungsweise die Fußmärsche zu den Gefangenenlagern überleben. Ernst Reuß |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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