Der hochgelobte und mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnete Schriftsteller Ferdinand von Schirach hat seine Bücher bereits millionenfach in 40 Ländern verkauft und verfilmt. Nun legt er mit „Strafe“, nach den Büchern „Verbrechen“ und „Schuld“, das Ende seiner Romantrilogie vor.
Ferdinand von Schirach beschreibt in seinem schnell zu lesenden neuen Buch zwölf Schicksale. Er schreibt über Verbrechen, Sex, Moral, Justiz und von menschlichen Abgründen. Er berichtet von Rache ohne Reue, sowie von Einsamkeit und von Gefühlen. Flott und schnörkellos erzählt der ehemalige Strafverteidiger und „Prominenten-Anwalt“ mit viel Phantasie zwölf strafrechtlich relevante Geschichten, die so hätten passiert sein können. Er dringt dabei tief in die Psyche seiner Protagonisten ein. Die juristischen Problematiken bewegen sich jedoch – wie in all seinen Büchern – auf Erstsemesterniveau. Immerhin behauptet er diesmal nicht alle Fälle selbst erlebt zu haben. Seine Erzählkunst wird gerühmt, seine Bücher sind daher schön zu lesen und vor allem populär. Was das alles mit einem Taucheranzug und Scheiblettenkäse zu tun hat, kann er geneigte Leser gerne selbst herausfinden. Ernst Reuß Ferdinand von Schirach: „Strafe“. Stories. Luchterhand Literaturverlag, München 2018. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 18 Euro.
Michael Wolff, der das Buch „Feuer und Zorn“ schrieb, ist ein amerikanischer Journalist, der regelmäßig für USA Today, The Hollywood Reporter und ein Lifestylemagazin für Männer schreibt. Ein Klatschreporter schreibt also über Klatsch und Tratsch könnte man meinen. Wie sollte der uns denn das was gerade in den USA passiert und was die meisten von uns mit großem Befremden beobachten seriös analysieren können?
Das ist allerdings auch gar nicht Wolffs Anspruch, denn Klatsch und Tratsch können mitunter auch sehr unterhaltsam sein, wie in diesem Fall. Wolff zeigt sehr viel vom Innenleben des mächtigsten Mannes der Welt, dessen Familie und dessen Umfeld. Donald Trump und seine Entourage verhalten sich anscheinend wie in einer schlechten Soap, wenn man den Beschreibungen glauben kann und nichts spricht dagegen. Er macht Politik, wie er twittert: impulsiv und für jeden immer wieder überraschend, auch für diejenigen die ihm eigentlich nahe stehen und ihn verstehen müssten. Ohne Plan und voller Intrigen gestaltet Trump die Welt wie sie ihm gefällt, ohne dass dies sonderlich vom Verständnis über politische Zusammenhänge gestört wird. „Make America Great Aain“ ist die simple Devise. Anfangs habe Wolff offiziellen Zugang zum Weißen Haus gesucht, aber angesichts des ständigen Chaos nicht gefunden. Allerdings fand sich deswegen gerade in der Anfangszeit auch niemand, der ihn hinauswerfen konnte. Wolff schreibt: „Kurz nach dem 20. Januar nahm ich eine Art Stammplatz auf einem Sofa im West Wing ein. Seither habe ich mehr als zweihundert Interviews geführt. (…) So war ich denn weniger ein geladener Gast als vielmehr ein ständiger Lauscher – das sprichwörtliche «Mäuschen» – , der sich weder irgendwelchen Regeln unterworfen noch Absprachen darüber getroffen hatte, was er schreiben dürfe und was nicht.“ Den Stammlatz als Mäuschen hatte Wolff monatelang und offenbar hatten sehr viele Leute im Weißen Haus sehr viel Zeit mit ihm zu reden. Trump und seine Gefolgsleute hätten eigentlich gar nicht an die Präsidentschaft geglaubt, schreibt Wolff. Nach dem Wahlsieg „verwandelte sich ein verdatterter Trump binnen kaum einer Stunde erst in einen ungläubigen und dann in einen ziemlich entsetzten Trump.“, soll ihm Steve Bannon nicht unamüsiert berichtet haben. Allerdings geschah dann die Verwandlung, die wohl bei einem Narzissten so kommen muss, denn kurz danach wurde Donald Trump zu einem Mann „der davon überzeugt war, dass er es verdiente und hervorragend geeignet war, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu sein.“ Wolff berichtet weiter: „Aber er las nicht nur nicht, er hörte auch nicht zu. Er redete lieber selbst. Und er traute seinem Sachverstand – so dürftig oder bedeutungslos der im Einzelnen sein mochte – mehr als dem aller anderen. Zudem war seine Aufmerksamkeitsspanne extrem kurz, selbst dann, wenn er jemanden seiner Aufmerksamkeit für würdig hielt.“ Die wesentliche Hypothese unter seinen ranghohen Mitarbeitern sei in der ersten Zeit daher gewesen, dass niemand ohne außerordentlichen Scharfsinn und Verschlagenheit Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte. Zwar war sein impulsives und exzentrisches Auftreten sowie sein beschränktes Wissen unübersehbar gewesen, aber man glaubte, Trumps Gespür müsse unfehlbar sein, trotz seiner Unbesonnenheiten, Launenhaftigkeit und seiner Unbeherrschtheit. Anders konnte man sich seinen Erfolg nicht erklären. Die meisten seines Gefolges sind inzwischen gefeuert oder haben von selbst den Hut genommen. Der Irrsinn geht mit neuem Personal also einfach weiter. Trumpismus oder einfach Wahnsinn? Die Geschichte wird es zeigen. Ernst Reuß Michael Wolff, Feuer und Zorn, Im Weißen Haus von Donald Trump, Aus dem Englischen von Isabel Bogdan, Thomas Gunkel, Dirk van Gunsteren, Gregor Hens, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Nikolaus Stingl, Rowohlt Verlag, Hamburg 2018, 480 Seiten, € 19,95
„Der „sympathisch wirkende“ 30-jährige Staschynskij war im KGB in der „Abteilung für Terrorakte im Ausland“ beschäftigt.
Ja, tatsächlich. So etwas gab es in Zeiten des Kalten Krieges! Trotz des sehr bürokratisch klingenden Namens der Abteilung, in der Staschynskij ein kleiner Angestellter war, war er auf „gut deutsch“ nichts anderes als ein gedungener KGB-Killer. 1957 erhielt er den Auftrag, einige als störend empfundene Exilpolitiker, nämlich führende Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten und des russischen Nationalen Bundes der Schaffenden, zu liquidieren. Dafür wurde er nach Ost-Berlin entsandt. Auftragsgemäß und zügig tötete er schon im Herbst 1957 Lew Rebet vom „Nationalen Bund“. 1959 „erledigte“ er dann Stepan Bandera, den Vorsitzenden der Ukrainischen Nationalisten, der im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang mit Hitler paktiert hatte. In beiden Fällen hatte es auf den ersten Blick nicht nach Mord ausgesehen: Rebet wurde am 12. Oktober 1957 im Treppenflur am Münchener Karlsplatz tot aufgefunden. Der unter dem Pseudonym Stefan Popel in München lebende Bandera starb zwei Jahre später, am 15. Oktober 1959, ebenfalls in einem Münchener Treppenflur. Bei Rebet wurde Herzschlag als Todesursache vermutet, bei Bandera glaubte man an Selbstmord. (…) Für seine Verbrechen bekam Staschynskij den „Kampforden vom Roten Banner“, was auch immer das bedeuten mag. In der „Laudatio“ hieß es selbstverständlich nicht, dass der Orden für mindestens zwei Morde verliehen wurde. Verliehen wurde der Orden „für die Durchführung eines wichtigen Regierungsauftrages“ oder wie es in seiner dienstlichen Beurteilung durch den KGB hieß: „für die Bearbeitung eines wichtigen Problems“. Staschynskij bekam aber nicht nur den Rotbanner-Orden, er durfte auch mit Erlaubnis des Komitees für Staatssicherheit – O-Ton „Die Welt“ 1962 – „das Ostberliner FDJ Mädchen Inge F.“ heiraten. Seine Frau war eine gelernte Friseuse. Da Banderas Tod zu einiger Aufregung in Emigrantenkreisen und in der Bundesrepublik geführt hatte, wurde Staschynskij erst einmal aus dem Verkehr gezogen und nach Moskau zurückbeordert. Dort wohnte er gemeinsam mit seiner Frau, die sich für ihre große Liebe ebenfalls verpflichten musste, für den KGB tätig zu sein. Staschynskij wäre ein hoch dekorierter Mann jenseits des Eisernen Vorhangs gewesen. In der BRD hätte es zwei ungesühnte und vielleicht noch unentdeckte Verbrechen gegeben, wenn alles wie immer gelaufen wäre. Es kam jedoch ganz anders.“ (Zitiert aus Ernst Reuß, Mord? Totschlag? Oder Was?, S. 23 ff. bzw. Sirius, Katzenkönig und Co., S.12 ff.) |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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