HISTORISCHES SACHBUCH
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Holocaust und Franken

26/8/2019

 
Tausende Deutsche aus allen Regionen des „Dritten Reiches“ wurden in den Osten deportiert und unmittelbar nach Ankunft in einem Wäldchen namens Biķernieki in der Nähe Rigas erschossen und in 55 Massengräbern verscharrt.
In Biķernieki existiert seit 2001 ein Mahnmal. Stelen aus Granit in unterschiedlicher Größe und Farbe erinnern nun an die vielen Opfer und benennen die Orte aus denen die Transporte kamen.
Einige Transporte kamen auch aus Franken.
Auf einem Gedenkstein steht auf Hebräisch, Russisch, Lettisch und Deutsch: „ACH ERDE, BEDECKE MEIN BLUT NICHT, UND MEIN SCHREIEN FINDE KEINE RUHESTATT!“
 
Ernst Reuß

Riga

22/8/2019

 
Tausende Deutsche aus allen Regionen des „Dritten Reiches“ wurden in den Osten deportiert und unmittelbar nach Ankunft in einem Wäldchen namens Biķernieki in der Nähe Rigas erschossen und in 55 Massengräbern verscharrt.
In Biķernieki existiert seit 2001 ein Mahnmal. Stelen aus Granit in unterschiedlicher Größe und Farbe erinnern nun an die vielen Opfer und benennen die Orte aus denen die Transporte kamen. Auf einem Gedenkstein steht auf Hebräisch, Russisch, Lettisch und Deutsch: „ACH ERDE, BEDECKE MEIN BLUT NICHT, UND MEIN SCHREIEN FINDE KEINE RUHESTATT!“
Nicht nur in Biķernieki kam es zu Massenerschießungen, auch im nicht weit entfernten Wald von Rumbula geschah dies. Bei den Opfern dort handelte sich meist um lettische Juden aus dem Ghetto Riga, aber auch um deutsche Juden, die am 27. November 1941 von Berlin aus deportiert worden waren.

Das wunderbar zu lesende Buch von Valentina Freimane erzählt davon:
„Allerdings erfuhren wir das alles erst in den folgenden Tagen. Damals, Ende November, Wussten wir noch nichts Genaues — bis auf die Tatsache, dass niemand mehr ins Ghetto zurückgekehrt war. Am 8. Dezember fand die zweite ‘Aktion’ statt, bei der diejenigen Ghettobewohner, die den 29. und 30. November überlebt hatten, ebenfalls erschossen wurden. Übrig blieben die Arbeitskräfte im Kleinen Ghetto — die Männer, deren Familien soeben ausgelöscht worden waren. Beide Male wurden die Kolonnen vollkommen offen für jeden sichtbar durch die Straßen der Moskauer Vorstadt nach Süden getrieben. Schon bald verbreitete sich in der Stadt das Gerücht, die Ghettoinsassen seien nicht in ein anderes Lager gebracht worden, sondern man habe sie vor den Toren der Stadt erschossen, wahrscheinlich im Wald von Rumbula. Es kam mir bezeichnend vor, dass die Behörden nicht einmal versuchten, solche Gerüchte zu dementieren. Alle einigten sich quasi stillschweigend darauf, über das Geschehene kein Wort zu verlieren. Mit der Zeit begannen wahrscheinlich viele selber zu glauben, dass sie von nichts wussten. Es war, als hätte es diese Tausende von Menschen nie gegeben.
Unterdessen blieb das Ghetto nicht leer, sondern begann sich mit Juden zu füllen, die aus Mitteleuropa hierher ‘evakuiert’ wurden. Auch das wussten alle, die es wissen wollten. Bereits am 30. November traf der erste Zug aus Berlin ein. Da das Ghetto noch nicht vollständig geräumt war, wurden die mehr als tausend Berliner Juden als erste in Rumbula erschossen. Dann trafen nach und nach Transporte mit Juden aus Deutschland und Österreich ein. Anfang 1942 war ihre Anzahl so weit angestiegen, dass man begann, die älteren von ihnen direkt bei der Ankunft der Züge auf dem Bahnhof Skirotava zu erschießen. Heute ist die Zahl der Menschen, die getötet oder in andere Konzentrationslager weitertransportiert wurden, bekannt. Insgesamt sollen aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei um die 25 000 Menschen nach Riga verschleppt worden sein. 11 000 von ihnen wurden ermordet; einige weitere tausend kamen aus Ungarn und Litauen. Mehrere Transporte gingen auch nach Estland. Die letzten, die ins nunmehr leere Rigaer Ghetto deportiert wurden, sollen Juden aus Köln gewesen sein.
Dima und Emilija überbrachten erschütternde Berichte von Augenzeugen. Das Gepäck, das die Ghettobewohner mitgebracht hatten, wurde ihnen abgenommen, und am Rand der Grube zwang man sie, sich völlig zu entkleiden. Nach der den ganzen Tag andauernden Erschießung von Kindern, Frauen und Greisen warfen die betrunkenen Todesschützen die Kleidungsstücke auf Lastwagen und brachten sie in die Stadt zurück, wo sie verteilt oder verkauft wurden.
In einigen europäischen Staaten versuchten die Bürger, ihre Juden auf organisierte Weise zu verteidigen, was in Dänemark und Bulgarien auch gelang; auch die Juden selbst leisteten bewaffneten Widerstand, obgleich sie wussten, dass ihr Kampf aussichtslos war. Das berühmteste Beispiel hierfür ist der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943. Bei uns geschah weder das eine noch das andere. Die Mehrheit unserer Juden ergab sich wie gelähmt in ihr Schicksal.
In den beiden »Aktionen« am 30. November und 8. Dezember 1941 kamen fast alle meine Angehörigen ums Leben -meine Mama und ihre Eltern, meine Großmutter väterlicherseits, Onkel Max, die Familien meiner Tanten mit den kleinen Cousins - insgesamt siebzehn meiner nächsten Verwandten. Offenbar wurden sie bereits mit der ersten Marschkolonne aus dem Ghetto gebracht, doch wirklich wissen werde ich es nie.“

​(aus: Valentina Freimane, Adieu Atlantis, S. 248 f.)

Bikernieki und Lilli Henoch

17/8/2019

 
Tausende Deutsche aus allen Regionen des „Dritten Reiches“ wurden in den Osten deportiert und unmittelbar nach Ankunft in einem Wäldchen namens Biķernieki in der Nähe Rigas erschossen und in 55 Massengräbern verscharrt.
Eine davon war die Berliner Sportlerin und Weltrekordlerin Lilli Henoch aus Berlin.
Hier ihre Geschichte: Die 1899 geborene Lilli Henoch war Mitglied des Berliner Sport-Clubs und in den zwanziger Jahren eine der bedeutendsten Leichtathletinnen weltweit. Sie wurde zwischen 1922 und 1926 in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung sowie mit der 4-mal-100-Meter-Staffel des Berliner Sport Clubs zehnfache Deutsche Meisterin und stellte vier Weltrekorde auf. Daneben war sie auch im Hockey und Handball ein Star und leitete später die Damenabteilung des Klubs. Noch 1929 hatte man Lilli Henoch in der Vereinszeitung lauthals gerühmt: „Wenn jemals ein Beispiel an Klubtreue und Uneigennützigkeit gebraucht wird, dann ruft ihren Namen. Und die Luft muss rein um uns werden“.
Nur vier Jahre später – kurz nach der Machtergreifung der Nazis - wurde sie aus dem BSC kommentarlos ausgeschlossen.
Am 5. September 1942 wurde die einstmals vielgerühmte Sportlerin mit dem 19. „Judentransport“ gemeinsam mit ihrer Mutter in den Osten deportiert. In Riga angekommen wurde Lilli Henoch zusammen mit ihrer Mutter und allen anderen Insassen des Zuges nach Biķernieki geführt und erschossen.
Der geschichtsinteressierte Martin-Heinz Ehlert, ein Mitglied des BSC Berlin, entriss sie erst viele Jahrzehnte später dem Vergessen, indem er ihre Geschichte recherchierte und veröffentlichte.
Inzwischen sind in Berlin ein Sportplatz und Hallen nach ihr benannt.
In Biķernieki existiert seit 2001 ein Mahnmal. Stelen aus Granit in unterschiedlicher Größe und Farbe erinnern nun an die vielen Opfer und benennen die Orte aus denen die Transporte kamen.
Auf einem Gedenkstein steht auf Hebräisch, Russisch, Lettisch und Deutsch: „ACH ERDE, BEDECKE MEIN BLUT NICHT, UND MEIN SCHREIEN FINDE KEINE RUHESTATT!“
 
Ernst Reuß
Mehr über Biķernieki

Srebrenica

8/8/2019

 
Der Ort Srebrenica steht für das kaltblütige Massaker an mehr als 8 000 wehrlosen muslimischen Männern und Jugendlichen aus Bosnien. Das Massaker gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Am Abend des 11. Juli 1995 befanden sich in Potočari, nahe Srebrenica, bis zu 25 000 bosniakische Flüchtlinge. Tausende drängten sich auf einem UN-Blauhelm-Gelände, während der Rest sich auf benachbarte Felder verteilte. Die einmarschierenden Truppen der bosnischen Serben, selektierten die Menschenmassen unter den Augen der dort stationierten niederländischen UN-Soldaten. Frauen, Kinder und Männer wurden getrennt abtransportiert. Fast alle männlichen bosniakischen Gefangenen wurden zwischen dem 13. und 17. Juli in sorgfältig durchgeführten Massenexekutionen getötet.
Wie konnte es im Juli 1995 dazu kommen? Mitten im „aufgeklärten“ Europa, in einer Sicherheitszone der Vereinten Nationen?
Matthias Fink, Autor und Journalist, beschreibt minutiös den Hergang des unerträglichen Geschehens. Fast tausend Seiten, voller Unmenschlichen, die sehr stark an Judenpogrome im Zweiten Weltkrieg erinnern. Täter und Opfer kannten sich teilweise. Sie waren in dieselben Schulen gegangen oder hatten jahrelang in denselben Dörfern gelebt. Der Hass wurde von nationalistischen Politikern geschürt. Die „Türken“, wie sie von den bosnischen Serben bezeichnet wurden, also muslimische Bosniaken, die nichts anderes als die „Islamisierung des Abendlandes“ im Sinne gehabt hätten, mussten aus deren Sicht eliminiert werden. Kommt einem bekannt vor. Offensichtlich kann sich Geschichte durchaus wiederholen.
Beim Dankgottesdienst anlässlich des kurz nach dem Massaker erfolgten „militärischen Sieges“ in einer nahen christlichen Kirche ließ der Bischof die versammelte Gemeinde wissen: „Gott hat sich unserem Volke zugeneigt, und der Himmel war uns nie näher als jetzt. Wir fühlen, dass Gott mit uns ist. Wir spüren, dass die Hand Gottes uns führt, denn [...] ist es nicht ein Wunder und die Gnade Gottes, dass hier in drei Tagen mutige serbische Krieger serbisches Land, das seit der Zeit der Osmanen besetzt war, befreit haben? Dass dort, wo das altehrwürdige Kreuz geleuchtet hatte, sie den Schandfleck des Halbmonds entfernen?“
Fink lässt keinen Zweifel an der Schuld der bosnisch-serbischen Truppen und ihren Befehlsgebern, der als Hauptverantwortlicher für das Massaker geltende Ratko Mladić wurde im November 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt, dokumentiert aber auch das Versagen der Staatengemeinschaft und verschweigt nicht die Verbrechen, die auf das bosniakische Konto gehen.
Das akribisch recherchierte und umfangreiche Buch ist eine, anhand von Zeugenaussagen plastische und sehr erschreckende Schilderung der Mordtaten.
Die Gebeine des 14jährige Mirnes Osmanovic wurden erst 14 Jahre später in einem Massengrab entdeckt. Die Mutter, die zwischendurch in Deutschland als Flüchtling geduldet war, erfuhr 2011 davon. Sie hatte nicht nur ihn, sondern auch ihren Mann bei dem Massaker in Srebrenica verloren. An die 8 500 Opfer wurden seit Ende des Bosnienkrieges exhumiert. Etwa 7 000 Leichen konnten bislang namentlich zugeordnet werden.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien stufte das Verbrechen in Srebrenica als Völkermord ein.
 
 
Ernst Reuß
 
 
Matthias Fink, Srebrenica, Chronologie eines Völkermords oder Was geschah mit Mirnes Osmanovic, 992 Seiten, gebunden, 20 Abb., 12 Karten, Hamburger Edition 2015, 45 €

    Autor

    ​Ernst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt.
    ​Lebt als Autor in Berlin.

    Publikationsauswahl:
    Berliner Justizgeschichte / Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern / Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg / Mord? Totschlag? Oder was? / Sirius, Katzenkönig und Co. / Mord und Totschlag in Berlin.



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