Bruno Balz schrieb den Song „Kann denn Liebe Sünde sein?“ und wurde wegen Homosexualität verurteilt. Weil der Komponist nicht ohne seinen Texter weiter an einem Zarah Leander Film arbeiten wollte, wurde Balz mit der Auflage aus der Haft entlassen, innerhalb von 24 Stunden die Texte zu schreiben. Er schrieb die Hits „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen!“ und „Davon geht die Welt nicht unter“. In diesem Kontext kann man die Lieder mit ganz anderen Augen sehen. Die Autorin Evelyn Steinthaler erwähnt diese Geschehnisse in ihrem Buch „Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein“. Es handelt von Stars im Dritten Reich, die wegen ihrer Liebe mit der damaligen Nazigesetzgebung in Konflikt gerieten.
Der Titel des Buches ist eine Liedzeile aus dem Hans Albers-Hit „Goodbye Johnny“. Albers langjährige Partnerin war eine Jüdin, die er zu ihrem Schutz mit einem Norweger verheiratete, aber weiterhin mit ihr zusammenlebte. Für die Nazis soll er nur Spott übriggehabt haben und blieb Propagandaveranstaltungen fern. Trotzdem arrangierte er sich und sie musste 1938 emigrieren. Erst acht Jahre später kam das Paar wieder zusammen. Hans Moser, der berühmte Komiker, schrieb unterwürfige Bittbriefe an Hitler, damit seiner jüdischen Frau nichts geschehe. Bis zum Ende des Krieges musste er Angst um sie haben. Heinz Rühmann ließ sich von der ersten jüdischen Ehefrau scheiden, sorgte aber für ihre Sicherheit. Er stand Goebbels ziemlich nah und tat einiges, damit die Nazis ihm wohlgesonnen waren, was zur Folge hatte, dass die zweite Ehefrau, eine „Vierteljüdin“, nicht belangt wurde und sich wie ihr Ehemann vor den braunen Karren spannen ließ. Einige Stars von damals wie Carola Neher sind heute weitestgehend vergessen. Sie war in jener Zeit eine große und bekannte Schauspielerin, die mit einem Kommunisten verheiratet war. Daher emigriert sie in die Sowjetunion, wo sie tragischerweise bei Stalins Säuberungen in einem Gulag landete und 1942 starb. Ein anderer Star war damals Renate Müller, die mit einem Juden zusammen war und von Goebbels unter Druck gesetzt wurde. Sie verweigerte sich dem Naziregime, wollte aber wegen ihrer Eltern nicht emigrieren. Sie stürzte aus einem Fenster und starb 1937 mit gerade einmal 31 Jahren. Ihr Tod gab Anlass zu vielen Spekulationen. Auch Joachim Gottschalk war ein Filmstar, den heute niemand mehr kennt. Seine Ehefrau war Jüdin und Goebbels gab ihr bei einer Premierenfeier einen Handkuss. Für Goebbels war es ein Affront, als er erfuhr, einer Jüdin die Hand geküsst zu haben. Daraufhin wollte er Gottschalk zur Scheidung zwingen. Gottschalk beging Selbstmord, gemeinsam mit Frau und Sohn. Der Propagandaminister wies daraufhin alle Schauspielkollegen an, dem Begräbnis fern zu bleiben. Nicht alle hielten sich daran. Auch Gottschalks Bruder, ein strammer SS-Mann, kam zum Begräbnis und wurde prompt aus der Partei ausgeschlossen. Interessant ist das Buch vor allem dann, wenn über die heute unbekannten Stars berichtet wird. Mitunter sind die Quellen mancher Zitate jedoch unklar. Ernst Reuß Evelyn Steinthaler, „Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein“, Stars und die Liebe unter dem Hakenkreuz, Kremayr & Scheriau Verlag, Wien 2018, 192 Seiten, 22 Euro.
Der 1885 geborene Arzt Zygmunt Klukowski, der das Krankenhaus von Szczebrzeszyn in der Region Lublin in Polen leitete, führte während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg Tagebuch. Das bereits 1958 in Polen verlegte Buch wurde erst jetzt auf Deutsch übersetzt und erschien nun im Metropol Verlag.
Detailliert zeigt es das dortige Leben unter deutscher Knute. Vor allem die Juden hatten zu leiden: sie wurden ausgeraubt, gequält und schließlich ermordet. Am 17. Juli 1940 schrieb Klukowski: „Der heutige Tag war sehr schwer für die Juden. Einige Monate lang hatten sie vergleichsweise Ruhe. (…) Sie begannen schon, sich in einer für sie typischen Weise in Sicherheit zu fühlen, was man an ihrem Verhalten auf der Straße sehen konnte. Aber in den letzten Tagen kam plötzlich die Nachricht, dass 500 Juden aus Szczebrzeszyn in ein Arbeitslager gebracht werden sollen. Es entstand unter ihnen unheimliche Panik und Betriebsamkeit. (…) Nach energischen Bemühungen erreichten sie endlich, dass die Zahl auf 130 reduziert wurde. (…) Der ‚Judenrat‘ bestimmte 130 junge Männer und händigte jedem von ihnen einen namentlichen Gestellungsbefehl aus, aber nur 98 meldeten sich. Der Rest flüchtete oder versteckte sich. Aus Zamošé kamen Gestapoleute. Außerdem 20 berittene Soldaten. Die Jagd auf die Juden begann. (…) Einige der Flüchtigen wurden gefunden, anstelle der anderen wurden die Eltern genommen. Auch die Mitglieder des ‚Judenrates‘ wurden bestraft. Der stellvertretende Vorsitzende wurde mit Knüppeln geschlagen und musste eine Stunde lang flach auf dem Marktplatz liegen. (…) Die gesamte Zwangsrekrutierung wurde von einer großen Menge der polnischen Bevölkerung beobachtet. Auf den Gesichtern war nicht die geringste Spur von Mitgefühl zu erkennen, im Gegenteil, sie lachten und scherzten.“ Klukowski war ein guter Beobachter, der im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute offenbar Mitgefühl mit seinen jüdischen Mitbürger hatte. Zwar wurde auch die nichtjüdische polnische Bevölkerung schikaniert und umgebracht, aber besonders musste sich die jüdische Bevölkerung die ständig Drangsalierungen und Demütigungen gefallen lassen, bis man sich endgültig ihrer entledigte. Klukowski schrieb am 8. April 1942: „Wir wissen bereits jetzt mit völliger Sicherheit, dass nach Belzec täglich ein Zug aus Lublin und einer aus Lemberg kommt, jeder mit über 20 Waggons. Hier lassen sie die Juden aussteigen, treiben sie hinter die Umzäunung aus elektrischem Strom [oder vergiften sie mit Gas] und verbrennen dann die Leichen. Bereits unterwegs sehen die Menschen, vor allem Eisenbahner fürchterliche Szenen, denn die Juden wissen schon gut, warum sie sie dorthin bringen und dabei geben sie ihnen nichts zu essen oder zu trinken. An der Station von Szczebrzeszyn haben Eisenbahner mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört, wie ein Jude durch das Fenster des Waggons 150 Zl. für ein Kilo Brot gegeben hat, und eine Jüdin hat für ein Glas Wasser für ihr sterbendes Kind einen goldenen Ring vom Finger gezogen. Einwohner von Lublin erzählten mir völlig unvorstellbare Szenen, dass dort kleine jüdische Kinder aus dem Fenster geworfen werden, Kranke an Ort und Stelle und Gesunde außerhalb der Stadt erschossen und Tausende nach Belzec gebracht werden usw.“ Das war nur der Vorgeschmack, denn bereits kurze Zeit danach wurden auch die Juden aus Szczebrzeszyn zusammengetrieben und in der Gaskammer von Belzec ermordet. Diejenigen, die auch diesem Grauen entkamen, wurden später von willfährigen Einheimischen aus ihren Verstecken gezerrt, den Behörden übergeben oder gleich umgebracht. Für die Besatzer begann jedoch der Niedergang, wie man gut anhand der Tagebucheinträge nachvollziehen kann. Immer öfters wurden auch deutsche Besatzer von Partisanen getötet und verübten selbst wieder Racheexzesse an der einheimischen Bevölkerung, denn Juden waren ja keine mehr vorhanden. Ende Juli 1944 war es dann zu Ende mit der deutschen Besatzung. Nach dem Krieg kam Klukowski, der von den Deutschen zwischendurch auch inhaftiert worden war, öfter mit der neuen Staatsmacht in Konflikt und wurde dreimal verhaftet. Sein Sohn, Mitglied einer antikommunistischen Untergrundorganisation, wurde sogar hingerichtet. Klukowski selbst starb 1959. Sein Tagebuch bleibt auch heute noch bemerkenswert und ist ein ausgesprochen interessantes Dokument der Zeitgeschichte. Ernst Reuß Zygmunt Klukowski: Tagebuch aus der Zeit der Okkupation 1939–1944 Hg. v. Christine Glauning und Ewelina Wanke. Metropol Verlag Berlin, 583 S., 29,90 Euro. |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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