HISTORISCHES SACHBUCH
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Erik Reger und Rudolf Herrnstadt

25/10/2016

 
Erik Reger und Rudolf Herrnstadt waren nach dem Zweiten Weltkrieg am Wiedererstehen der Presselandschaft entscheidend beteiligt. Der 1893 in der Nähe von Koblenz geborene Erik Reger war Mitherausgeber und Chefredakteur des von den Amerikanern lizensierten Westberliner Tagesspiegel. Der zehn Jahre später in Gleiwitz geborene Rudolf Herrnstadt wurde Chefredakteur der Berliner Zeitung, Mitbegründer des Berliner Verlags und des Neuen Deutschland im Ostteil der Stadt.
Laut eines gerade veröffentlichten Buches über die Berliner Presselandschaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit, waren sie die „publizistischen Frontkämpfer der US-amerikanischen und der sowjetischen Besatzungsmacht“.
Erik Reger war das Pseudonym unter dem er als Schriftsteller bereits 1931 großen Erfolg hatte. Eigentlich hieß er Hermann Dannenberger. Seine bisherigen Bücher waren von den Nazis indexiert worden, allerdings konnte er während der NS-Zeit trotzdem noch sechs Romane veröffentlichen. Außerdem war er als Lektor des - inzwischen „arisierten“ und zum „Deutschen Verlag“ umfirmierten - Ullstein Verlages tätig. Nach 1945 wurde er im beginnenden Kalten Krieg ein unüberhörbares Sprachrohr des Westens. Er starb 1954 bei einem Kongress in Wien an einem Herzinfarkt.
Der als Journalist und Auslandskorrespondent des Berliner Tageblatts tätige Rudolf Herrnstadt, konnte als Jude und überzeugter Kommunist 1939 in die Sowjetunion emigrieren. Dort betätigte er sich als Chefredakteur der Zeitung „Neue Zeit“ im Nationalkomitee Freies Deutschland. Von 1950 bis 1953 war er Mitglied im ZK der SED, wo er sich für eine Demokratisierung einsetzte, was mit dem Verlust sämtlicher Ämter und dem Ausschluss aus der SED endete. Als Opponent gegen Ulbricht wurde ihm „Trotzkismus“ und „parteifeindlich Fraktionsbildung“ vorgeworfen. Wie damals im Stalinismus üblich, musste er alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingestehen und Selbstkritik üben, um weiteren Schaden von sich und seiner Familie abzuwenden. Fortan war er in untergeordneter Funktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Zentralarchiv in Merseburg tätig. Er starb 1966 in Halle und wurde erst Ende 1989 von der SED offiziell rehabilitiert.
Die Studie von Christoph Marx beschäftigt sich fundiert mit diesem speziellen historischen Aspekt der deutsch-deutschen Geschichte und deren Protagonisten Reger und Herrnstadt, wobei die westliche Sichtweise eindeutig im Vordergrund steht. Während Regers Rolle durchweg als positiv dargestellt ist, wird Herrnstadt eher negativ gezeichnet, ohne zu beschreiben, welchen Gefahren gerade er sich in einem stalinistischen Regime ausgesetzt hatte. Regelmäßig wird ihm zum Vorwurf gemacht, sich nicht vollkommen vom Regime in Ostberlin abgesetzt zu haben, ohne dabei seine besondere Biographie ausreichend zu berücksichtigen.
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Ernst Reuß

Christoph Marx, Politische Presse im Nachkriegsberlin 1945 -1953, Erik Reger und Rudolf Herrnstadt, Stuttgart 2016, 240 Seiten, 29,90 €

Versteckt

19/10/2016

 
„Wir zitterten und ängstigten uns vor den Deutschen, waren Opfer der Wut der Ukrainer, die sich in tiefem Judenhaß äußerte. Die Nazis ermunterten sie zu ihren Grausamkeiten. Die Hände, mit denen uns die Ukrainer misshandelten, hatten wir früher geschüttelt, wenn wir uns schöne Feiertage wünschten oder uns begrüßten.“, berichtete Lina-Liba Kasten.
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Die von ihr erzählte und von der Tochter aufgeschriebene Geschichte der Familie Kasten, wurde soeben beim Metropol Verlag veröffentlicht. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem Hebräischen.
Es ist eine der vielen Geschichten von jüdischen Familien zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, die zwischen 1941-1944 unter der deutschen Herrschaft litten. Über zwei Millionen Menschen wurden Opfer von Massenerschießungen durch Deutsche und den einheimischen Kollaborateuren. Laut einer Ausstellung in der Topographie des Terrors in Berlin gab es dort mindestens 722 Orte, in denen mehr als 500 Menschen exekutiert wurden. Dennoch ist die Geschichte der Familie Kasten, aufgrund der außergewöhnlichen Umstände ihres Überlebens, eine besondere Geschichte.
Deutsche Soldaten und ukrainische Milizen hatten für die brutale Deportation der Familie aus ihrem galizischen Dorf ins Ghetto gesorgt, welches die Deutschen nach dem Überfall auf die Sowjetunion in dem ukrainischen Ort Rohatyn eingerichtet hatten.
Nachdem sie dort ihr zwei Monate altes Baby Munja bei einer „Kinderaktion“ opfern mussten und sich bei einer Massenerschießung erfolgreich verstecken konnten, flohen Jossel Kasten und seine Frau Lina-Liba mit den ihnen gebliebenen Kindern Schmulik und Dina im Kugelhagel aus dem Ghetto und versteckten sich zweieinhalb Jahre lang in einer eigenhändig gegrabenen Höhle im Wald.
Das bedeutete zweieinhalb Jahre ständige Angst vor der Entdeckung durch Deutsche und deren Helfershelfer. Es bedeutete zweieinhalb Jahre vegetieren unter vollkommen menschenunwürdigen Bedingungen.
Selbst als sie dann im August 1944 von sowjetischen Soldaten aus dem Erdloch befreit wurden, war die Gefahr nicht ganz vorbei, denn Einheimische fürchteten ihre Eigentumsansprüche. So mancher glücklich Gerettete, der sein Eigentum geltend machen wollte, überlebte das nicht. Auch Jossel und Lina-Liba, deren sonstigen Angehörigen - bis auf eine Cousine - alle umgekommen waren, fühlten sich weder in der Ukraine noch in Polen sonderlich willkommen und verspürten den Antisemitismus erneut am eigenen Leib.
Im Oktober 1948 emigrierte die inzwischen siebenköpfige Familie Kasten, die bereits in der Erdhöhle eine Tochter bekommen hatte, nach Israel und fingen ein neues Leben an.
Ein erschütternder Bericht aus der Vergangenheit, die noch nicht allzu lange her ist und der auch deshalb wert ist, gelesen zu werden.

Ernst Reuß

Dina Dor-Kasten, Versteckt unter der Erde, Die Überlebensgeschichte der Familie Kasten. Nach Erzählungen von Lina-Liba Kasten, 200 Seiten, Berlin 2016, € 16.00 
Neues Deutschland vom 8. September 2017
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    Autor

    ​Ernst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt.
    ​Lebt als Autor in Berlin.

    Publikationsauswahl:
    Berliner Justizgeschichte / Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern / Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg / Mord? Totschlag? Oder was? / Sirius, Katzenkönig und Co. / Mord und Totschlag in Berlin.



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