Ein besonders perfides Beispiel für Propaganda und Massensuggestion ist die am 18. Februar 1943 von Joseph Goebbels gehaltene Sportpalastrede. Heute hält Wladimir Putin solche Reden.
Der Historiker Peter Longerich hat nun die Vorgeschichte, die Bedeutung und die Nachwirkung der berüchtigten Goebbels-Rede beschrieben. In seinem Buch „Die Sportpalastrede 1943. Goebbels und der „totale Krieg.“, erzählt er die wahren Hintergründe des Auftritts und dokumentiert die gesamte - von ihm kommentierte - Rede. Er kommt dabei zum Schluss: „Im Endergebnis trug der Reichsbevollmächtigte in erheblichem Maße dazu bei, dass in der finalen Kriegsphase noch Hunderttausende oberflächlich ausgebildete und unzureichend bewaffnete deutsche Männer an die immer mehr zusammenrückenden Fronten geschickt wurden, wo ein hoher Prozentsatz von ihnen ums Leben kam, während das eigene Land in weiten Teilen bis zur Unkenntlichkeit zerstört wurde. Goebbels’ ‚totaler Krieg‘ endete de facto in der totalen Niederlage“. Longerich stellt Goebbels Rede als Teil eines internen Machtkampfes unter Nazis dar, der letztlich gegen seinen Dauerrivalen Hermann Göring gerichtet war. Goebbels wollte der „eigentliche Exekutor des Führerwillens“ werden, wurde aber zumeist von dem von ihm angehimmelten Hitler nicht so mit einbezogen, wie er sich das gerne gewünscht hätte. Interessant dabei ist auch, wie Goebbels auf seine eigene Propaganda und den Zuträgern in seiner Umgebung hereinfällt. Dokumentiert in seinem Tagebuch. Am Tag nach seiner Rede schrieb Goebbels: “Die Stimmung gleicht der einer wilden Raserei des Volkes. Das Publikum setzt sich aus allen Schichten des Volkes zusammen, von der Regierung angefangen bis zum unbekannten Munitionsarbeiter.“ Interessant auch deswegen, da man ähnliche Mechanismen immer wieder auch in modernen „Filterblasenzeiten“ sehen kann. Mit seinem ausgeprägtem Narzissmus sah er offenkundig darüber hinweg, dass er selbst dafür gesorgt hatte, dass das Publikum sorgfältig aus Parteigängern der NSDAP zusammengestellt worden war. Goebbels fuhr fort: „Meine Rede hinterläßt den allertiefsten Eindruck. Sie wird schon in den Anfangspassagen dauernd von stürmischem Beifall unterbrochen. Die Reaktion des Publikums ist gar nicht zu beschreiben. Niemals sah der Sportpalast so turbulente Szenen wie zum Schluß, da ich an das Publikum meine zehn Fragen richtete. Sie werden mit Stürmen der Zustimmung beantwortet.“ Geblendet von seiner eigenen Agitation. Ernst Reuß Peter Longerich, Die Sportpalast- Rede 1943. Goebbels und der „totale Krieg“. Siedler-Verlag, München 2023, 208 S., 24 Euro. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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