Leonhard Seidl zeichnet in seinem Buch „Vom Untergang“ ein Sittenbild der Weimarer Republik in der fränkisch/bayerischen Provinz. Auch dort gab es Anarchisten wie den Fürther Fritz Oerter und rechte Populisten wie Oswald Spengler. Schon damals schwadronierte dieser populäre Philosoph in seinem Bestseller „Der Untergang des Abendlandes“ von eben diesem. Die Weimarer Republik bezeichnete er als Firma und versucht Anfang der zwanziger Jahre die Presse zentral zu lenken. Die Zeitungen sollten über die Kontrolle der Werbeanzeigen auf eine nationalistische Linie gebracht werden. Soweit so wahr und es kommt einem ziemlich bekannt vor.
Der Autor erzählt in seinem Roman von den Verwerfungen der Weimarer Republik und meint: „Man kann gar nicht anders, als Parallelen zu heute zu ziehen.“ Es wird sogar ein Putsch geplant. Diktator soll Karl Escherich werden, nach dem in der Heimatstadt des Autors immer noch eine Straße benannt ist. Sein Buch beruht auf realen Geschehnissen. Diverse Figuren und Begebenheiten sind historisch belegt und das Buch enthält zahlreiche recherchierte Originalzitate aus Zeitungen, Sitzungsprotokollen und Briefen. Diese Recherche macht die Besonderheit des Romans aus. Es ist eben nicht nur eine fiktive Geschichte. Es ist die Zeit der Fememorde. In Fürth stirbt ein Arbeiter, in Berlin der Minister Walther Rathenau. Im Reichstag hetzen auch nach seinem Tod rechte Parteien unvermindert weiter. Der große Teil des Romans spielt in Fürth. Mit viel Lokalkolorit werden die wenig bekannten Ereignisse aus den Zwanzigerjahren beschrieben. Ernst Reuß Leonhard F. Seidl: Vom Untergang, Edition Nautilus, Hamburg 2022, 243 Seiten, 18 Euro. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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