Maria Helene Françoise Izabel Gräfin von Maltzan, Freiin zu Wartenberg und Penzlin war eine sehr bemerkenswerte und unkonventionelle Frau. 1909 als jüngstes von sieben Kindern auf Schloss Militsch, etwa 60 Kilometer nördlich von Breslau, geboren, wurde sie im Dritten Reich zur Widerstandskämpferin.
Gegen den Willen ihrer Mutter studierte sie. Zunächst in Breslau, ab 1928 in München. Tiere hatten es ihr angetan, so studierte sie im Hauptfach Zoologie. 1933 promovierte sie. Schon da kam sie in Kontakt zum Widerstand, reiste durch die Welt und bewegte sich in Bohème-Kreisen. Kurze Zeit später zog sie mit ihrem ersten Mann nach Berlin, wo sie im Verlagswesen und auch als Tierärztin tätig war. Auch dort unterhielt sie Kontakt zu Widerstandsgruppen. In ihrer Wohnung in der Detmolder Straße 11 in Berlin-Wilmersdorf versteckte sie von der Deportierung bedrohte Juden. Einige, wie ihr späterer Mann überlebten als sogenannte U-Boote in der Stadt. Sie und ihre Beherbergten lebten in ständiger Furcht um ihr Leben. Maltzan musste nicht nur einmal Verhöre bei der Gestapo überstehen. Zusammen mit der Schwedischen Kirche verhalf sie dennoch von Nazis Verfolgten zur Flucht. Sie war auch an der weitgehend vergessenen „Aktion Schwedenmöbel“ beteiligt, bei der Juden und politisch Verfolgte in Möbelkisten versteckt wurden, mit denen schwedische Staatsbürger ihr Mobiliar nach Hause schicken durften. Die Schwedischen Kirche in Berlin - Wilmersdorf und ihre Hilfsaktionen wären eine eigene Publikation wert. Einer der dort tätigen Retter, der Pfarrer Erik Perwe, hat 1944 viele Geheimnisse über sein umfassendes Netzwerk bei einem Flugzeugabsturz in die Ostsee mit ins Grab genommen. Mehrere hundert Menschen soll er gerettet haben. Nach seinem Tod führten seine engsten Vertrauten Erik Wesslén und der Hausmeister Franz Reuter das Netzwerk fort. Es gibt Berichte über die abenteuerliche Zusammenarbeit von Wesslén und Maltzan. Als Flüchtlinge durch das Kanalisationssystem Berlins geführt werden sollten, schoss Maltzan bespielsweise einen verfolgenden Gestapomann ins Bein. 1944 wurde dann die sogenannte „Operation Schwedenmöbel“ erfolgreich durchgeführt. Dabei hielt nachts in einem Waldstück im Norden Berlins ein Zug mit Möbeln und anderem Umzugsgut schwedischer Diplomaten auf dem Weg nach Schweden. Die Diplomatensiegel wurden aufgebrochen, die Möbel ausgeladen und durch wartende Flüchtlinge ersetzt. Dann wurden die Wagen mit neuen, von Wesslén besorgten Siegeln plombiert und der Zug setzte die Fahrt in Richtung Freiheit fort. Auf dem Rückweg nach Berlin wurde die Gräfin von einer Patrouille mit Spürhund entdeckt und verfolgt, konnte sich aber mittels eines Misthaufens und eines Baumes den Verfolgern entziehen. „Dieser Tag im Baum gehört zu den längsten, die ich durchlebt habe“, schreibt sie in ihren Erinnerungen. Als gute Schwimmerin beteiligte sie sich auch an einer Rettungsaktion, bei der Juden schwimmend über den Bodensee an die Schweizer Grenze gebracht wurden. Nach Kriegsende arbeitete sie als Tierärztin. Wegen Tablettenabhängigkeit und Drogensucht wurde sie mehrfach zum Entzug in die Psychiatrie zwangseingewiesen und verlor Approbation und Praxis. Nach Wiedererlangung der Approbation als Tierärztin zog sie mit einem Zirkus durch die Lande und arbeitete in Deutschland und in der Schweiz als Urlaubsvertretung für Tierärzte. 1975 eröffnete sie eine eigene gutgehende Tierarztpraxis, ab 1981 ließ sie sich in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg noch einmal mit einer kleinen Tierarztpraxis nieder. Die Tiere der Punks aus der Nachbarschaft betreute sie kostenlos. Äußerlich von eher ruppigem und aufbrausendem Wesen, geriet sie nicht selten in Konflikt mit der Obrigkeit. Ihrer Familie galt sie auch nach dem Krieg noch als „Enfant Terrible“. Späten Ruhm erlangte sie 1986 durch die Veröffentlichung ihrer Lebensgeschichte. Der Titel des Buches lautete: „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht“, nach einem Gedicht von Heinrich Heine. Ihr Buch endet mit dem Satz: „Ich hab mich keine Minute gelangweilt“. Maria Gräfin von Maltzan starb am 12. November 1997 im Alter von 88 Jahren. Sie bekam ein Ehrengrab auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend. Trotz anfänglichem Widerstand der CDU Bezirksfraktion erinnert seit 1999 eine ihr gewidmete Gedenktafel vor ihrer ehemaligen Wohnung. Ernst Reuß Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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