Uwe Wesel sah ich einst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Juristischen Fakultät an der Freien Universität Berlin oft mit Grandezza vorbeischreiten. Seinen Ruf kannte ich. Er schien das auch zu tun. Nach eigenem Bekunden ist er der einzige Jurist, der das „Recht der Neandertaler“ kennt. Als unkonventioneller, den schönen Dingen des Lebens zugeneigter und als links geltender Juraprofessor, der einst Vizepräsident der Uni gewesen ist, war er eine Legende. In der überaus konservativen Juristenschaft galt damals schon die SPD Mitgliedschaft als äußerst anrüchig. Heribert Prantl, ebenfalls eine Legende unter Juristen, bezeichnete ihn vor einigen Jahren in einer Laudatio zu seinem achtzigsten Geburtstag als den „Indiana Jones des Rechts“. Eine Vorlesung von ihm besuchte ich leider nie, seine Bücher zur Rechtsgeschichte wie die „Geschichte des Rechts“ oder „Fast alles was Recht ist“ verschlang ich allerdings mit viel Genuss. Seine Bücher waren Bestseller und er schrieb für die Zeit, die Kritische Justiz, für das Kursbuch und wurde Justitiar des Schriftstellerverbands PEN.
Nun hat er im hohen Alter eine überaus amüsant zu lesende, kurze und spannende Autobiographie voller ironischer Anekdoten geschrieben. Es geht anfangs um seine Kindheit und Jugend im Nazi- und Nachkriegsdeutschland, aber auch um seine Hamburger Studienzeit mit den Studienfreunden Otto Schily und Meinhard von Gerkan. Später ging er nach München, habilitierte über Umwege und hätte in einer angesehenen konservativen Kanzlei arbeiten und viel Geld verdienen können, entschied sich aber für eine Professur in Berlin. Von seinem potentiellen Münchner Arbeitgeber wurde er vor Berlin gewarnt, dort dürfe er nicht hingehen, denn „dort müssen sie sich politisch entscheiden. Und sie werden sich falsch entscheiden.“ Es war 1968. Er war nun mittendrin in der Studentenrevolte, trieb sich in linken Studentenkreisen herum, denn da waren die „schönen Frauen“ und er wurde Vizepräsident der Universität. Später erlebte er die Wiedervereinigung, dozierte auch an der Humboldt-Universität und hat auch zum Honecker-Prozess eine klare Meinung. Ein Leben in aufregenden Zeiten, Örtlichkeiten und Begebenheiten, in die er wie es scheint immer so zufällig hineinschlitterte, aber mutig genug war, die Chancen zu ergreifen, die sich ihm auch dank seiner Förderer boten. Die Autobiographie „Wozu Latein, wenn man gesund ist?, Ein Bildungsbericht“ ist komprimierte und sehr unterhaltsame jüngere Zeitgeschichte. Ernst Reuß Uwe Wesel, Wozu Latein, wenn man gesund ist?, Ein Bildungsbericht, München 2021, 149 S. mit Abbildungen, 24,95 € Comments are closed.
|
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
|