Ilse Koch war die Ehefrau des SS-Kommandanten von Buchenwald und eine der wenigen verurteilten NS-Täterinnen. Als Gattin des SS-Führers Karl Koch erlebte sie im KZ-Buchenwald einen rapiden gesellschaftlichen Aufstieg.
Ihren Mann brachte der SS-Richter Konrad Morgen bereits 1943 wegen Korruption und dreifachen Mordes zu Fall. Er wurde kurz vor Ende des Krieges in Buchenwald hingerichtet. Ein im Fischer Verlag erschienenes Buch mit dem reißerischen Titel „Im Bann des Bösen“ beschäftigt sich ausführlich mit Ilse Koch. Das Buch der Autorin Alexandra Przyrembel ist keine Biographie, sondern eine umfassende akribische Analyse der Nachkriegszeit und seiner Nachkriegspresse sowie des Umgangs der Nachkriegsgesellschaft mit den zuvor begangenen schrecklichen Verbrechen. Laut Spiegel von 1948 hieß es in den Akten des SS-Untersuchungsrichters: „Die mitangeschuldigte Ehefrau gab ihrem Mann in bezug auf dünkelhaften Hochmut, Maßlosigkeit, brutale Willkür und Größenwahnsinn in nichts nach. Sie wurde als die verhaßteste Person des gesamten Lagers bezeichnet. Durch auf sex appeal hergerichtete leichte Kleidung, Sonnenbaden usw. suchte sie die sexuell notleidenden Häftlinge zu reizen. Sah ihr ein Häftling nach, so merkte sie sich die Nummer und veranlaßte ihren Mann, diesem als Vorschuß 25 Stockhiebe zu versetzen.“ Ob das die ursprüngliche Fassung der Anklageschrift war, lässt sich jedoch laut der Autorin des Buches nicht verifizieren. Es gab verschiedene Fassungen, die nach dem Krieg von Konrad Morgen zu seiner eigenen Entlastung in Umlauf gebracht worden waren. Ob es sich eher um Gerüchte als um die Wahrheit handelte, dass sich Ilse Koch tatsächlich wirklich häufig aufreizend kleidete und damit vor den KZ-Insassen kokettierte, kann letztendlich auch nicht endgültig bestätigt werden. Aber obwohl sich die SS im Prozess alle Mühe gab neben Karl auch Ilse Koch zu überführen, wurde sie nach 16 Monaten in Untersuchungshaft mangels Beweisen freigesprochen. Angeblich soll sie sich aus Menschenhaut Buchhüllen und Lampenschirme anfertigen gelassen haben. Tätowierte Häftlinge sollen dafür ermordet worden sein. Aber auch die Gestapo fand dafür, wie später auch die deutschen und amerikanischen Gerichte - trotz Zeugenaussagen - keine Beweise, auch wenn im Lager nach der Befreiung mehrere gegerbte, tätowierte Menschenhäute, zwei „Schrumpfköpfe“ sowie ein Lampenschirm öffentlich präsentiert wurden. Ob letzterer aus Menschenhaut gefertigt war, ist umstritten. Er ist verschwunden. Ausgiebig berichtete nach dem Krieg die Presse über die als besonders grausam geltende „Hexe von Buchenwald“. Das Gerücht mit der Menschenhaut verbreitete sich unaufhaltsam. Für die biedere Nachkriegsgesellschaften war Ilse Koch eine Projektionsfläche für das absolute Böse. Je grausamer sie war, desto mehr konnten Deutsche sich von ihr distanzieren und sich selbst entschulden. NS-Verbrecher wurden in der Nachkriegszeit immer wieder entmenschlicht, damit man die eigene Schuld auf einige wenige „Bestien“ abschieben konnte. Der Spiegel titulierte Ilse Koch als „tizianrote, grünäugige Sphinx von Buchenwald“ und schrieb: „Von der später entwickelten Mannstollheit liegen aus Ilse Kochs ersten 30 Jahren keine Zeugnisse vor. Ihr Mann indessen war ihr mit jener überhitzten Leidenschaft verfallen, die Gourmands der Liebe zuweilen an Frauen mit dem tizianroten Haarton Ilse Kochs fesseln soll.“ Sex and Crime verkauft sich auch heute noch gut. Jedenfalls wurde Ilse Koch seit damals als nymphomane Sadistin dargestellt. Laut Wikipedia soll sie die letzten Monate vor Kriegsende in Ludwigsburg verbracht haben, wo Verwandte ihr wegen sexuellen Ausschweifungen und Alkoholexzessen das Sorgerecht für die Kinder entziehen wollten. Dort wurde sie nach dem Krieg von einem ehemaligen Buchenwaldhäftling erkannt und von den Alliierten verhaftet. Die Tatsache, dass sie während ihrer Haft ein Kind bekam, den Vater nicht bekanntgab und mit mehreren Mitangeklagte oder Wachmännern eine intime Beziehungen gehabt haben soll, trug ein Übriges zu ihrem Ruf bei. Im August 1947 wurde sie, die einzige weibliche Angeklagte im Buchenwald-Hauptprozess, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem amerikanischen Militärgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine fortgeschrittenen Schwangerschaft soll verhindert haben, dass sie zum Tode verurteilt wurde. Anders als 22 ihrer 30 Mitangeklagten. Die nicht nur von KZ-Insassen oft als „Kommandeuse“ bezeichnete Koch legte erfolgreich Revision ein und im Juni 1948 wurde die Haftstrafe auf vier Jahre reduziert. Eine Senatskommission befand dagegen Ende 1948 das Revisionsurteil sei nicht gerechtfertigt und beantragte, dass Koch vor ein deutsches Gericht gestellt werde. Koch wurde schließlich am 15. Januar 1951 vom Landgericht Augsburg wegen Anstiftung zum Mord, versuchten Mordes und Anstiftung zu schwerer Körperverletzung zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Sie soll SS-Angehörige angestiftet haben bestimmte Häftlinge umzubringen oder zu züchtigen und war damit die einzige Frau, gegen die in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit NS-Verbrechen eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wurde. Gerne soll sie bei den von ihr initiierten Bestrafungsaktionen der SS zugeschaut haben. Ihr Verteidiger war Alfred Seidel, der von 1958 bis 1986 Mitglied des Bayerischen Landtages war und dort auch Fraktionsvorsitzender und Innenminister. Ein bayerischer Saubermann, der als ehemaliges NSDAP Mitglied auch in den Nürnberger Prozessen NS Größen verteidigte und dabei von „Siegerjustiz“ sprach. 1977, zu Hochzeiten der RAF, wollte er die Todesstrafe wieder einführen. Er pflegte gute Kontakte in rechtsextreme Kreise. 1967, also 16 Jahre nach dem letzten Urteil und der Ablehnung eines der vielen Gnadengesuche erhängte sich Ilse Koch in ihrer Zelle . Ernst Reuß Alexandra Przyrembel, Im Bann des Bösen, Ilse Koch – ein Kapitel deutscher Gesellschaftsgeschichte 1933 bis 1970, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2023, 432 Seiten, 28 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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