Hitler und Eva Braun begingen am 30. April 1945 Selbstmord und einige Getreue wie Joseph Goebbels samt Ehefrau mit ihren sechs Kindern folgten ihnen in den Tod. Doch viele aus dem engsten Führerkreis blieben am Leben und gedachten ihres Führers auch noch nach dem Krieg. Ihre öffentlichen Aussagen trugen dazu bei, den Blick der Nachwelt auf Hitler bis heute zu prägen. In ihrem Resümee schreibt die Autorin des Buches „Hitlers Hofstaat“:
„Fast alle früheren Freunde und Mitarbeiter Hitlers leugneten dabei, von den Massenverbrechen des NS-Regimes gewusst zu haben, und stilisierten sich selber zu Opfern einer ungerechten Säuberungspolitik der Siegermächte. (…) Von ihrer Umdeutung der Ereignisse wäre allerdings kaum öffentlich Notiz genommen worden, wenn nicht die Geschichtswissenschaft ihre Entlastungserzählungen aufgegriffen und ihnen zu wissenschaftlicher Seriosität verholfen hätte. Mit ihren Memoiren und Zeitzeugenaussagen prägten sie - nicht zuletzt mit Hilfe der Medien - über Jahrzehnte hinweg das Bild Hitlers und seines privaten Umfeldes in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit. Die Mitglieder des «Schicksalskreises››, wie Hitlers Heeresadjutant Gerhard Engel ihn nannte, erlangten damit eine Deutungsmacht über ihre eigene Geschichte, die bis heute nachwirkt.“ Die Historikerin Heike B. Görtemaker will in ihrem Buch zeigen, wie wichtig sein privates Umfeld für Hitler war. Sie beschreibt die einzelnen Mitglieder seines „Hofstaats“, bestehend aus fanatischen Anhängern und loyalen Förderern. Die meisten blieben bis zu ihrem Tod überzeugte Nationalsozialisten und zeigten auch keine Reue. Um sich zu rechtfertigen, schufen sie sich selbst entlastende Legenden für die Öffentlichkeit. So wurde Hitler als unnahbarer beziehungsunfähiger Einzelgänger ohne Privatleben dargestellt, der keine wirklichen Freunde gehabt habe. Dem widerspricht die Autorin jedoch vehement. Der einflussreichste Geschichtsklitterer aus der Entourage Hitlers sei sein enger Freund und Lieblingsarchitekt Albert Speer gewesen. Tatsächlich hatte sich Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg sogar einen regelrechten „Hofstaat“ geschaffen. Der bestand aus Dienern, Leibwächtern, Köchen, Sekretärinnen, Ärzten und persönliche Adjutanten. Zum inneren Zirkel gehörten etliche Frauen, allen voran Eva Braun. Über sie und deren Beziehung zu Hitler hatte Görtemaker zuletzt ein erfolgreiches und viel verkauftes Buch geschrieben. Das neue Buch enthält jedoch wenig Neues. Dagegen viel Klatsch und Tratsch und zu viel Spekulation, wer was mit wem und warum hatte. Welchen Einfluss dieses Umfeld auf Hitler und dessen Verhalten sowie auf seine Entscheidungen hatte, wird nicht aufgeklärt. Görtemakers Kritik an den Nachkriegshistorikern könnte daher auch auf sie selbst zutreffen. Ernst Reuß Görtemaker, Heike B., Hitlers Hofstaat, Der innerer Kreis im Dritten Reich und danach; Beck Verlag, München 2019, 528 S., mit 62 Abbildungen, Hardcover, 28,00 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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