Es liest sich wie ein Krimi. Es ist ist aber kein Krimi, sondern ein Sachbuch zu einem „Jahrhundertcoup“. Es gibt einige „Jahrhundertcoups“ in der Medienlandschaft. Das neue Buch von den zwei Spiegel TV Reportern Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer heißt jedenfalls auch so. Bei diesem „Jahrhundertcoup“ handelt es sich um den dreisten und spektakulären Kunstraub im Grünen Gewölbe in Dresden. Heise und Meyer-Heuer haben darin den Hergang des Einbruchs minutiös nachgezeichnet und die intensive Ermittlungsarbeit der Soko „Epaulette“ detailliert beschrieben. Dabei charakterisiert wird auch ein „Clan“ mit dem sich die beiden schon öfters beschäftigt haben. Sei es im TV, als auch in ihren Büchern. „True Crime“ geht immer. 2020 war bereits „Die Macht der Clans“ erschienen. Ein Thema, dass sich auch immer in Fernsehdokumentationen von Spiegel TV ausschlachten lässt.
Es war der 25. November 2019 als sich der Einbruch zutrug. Es geschah am frühen Montagmorgen in einem der angeblich bestabgesicherten Gebäude Deutschlands: dem Dresdener Residenzschloss. Kunstschätze von unschätzbarem Wert wurden von mindestens sechs Männern aus den Vitrinen des Grünen Gewölbes entwendet, die man zuvor mit Beilen einschlug. Alles ging ziemlich schnell. Ein wohlbekanntes Vorgehen bei ähnlichen Beutezügen. Das Fenster, durch das die Täter eingedrungen sind, war nicht alarmgesichert, was seit Jahren bekannt gewesen war. Ein Insidertipp? Bis heute hat man keinen Tippgeber finden können, obwohl einige wohl zu unrecht in das Fadenkreuz der Ermittler und in Untersuchungshaft kamen. Die Überwachungskameras waren uralt und lieferten nur schlechtes Bildmaterial. Die Spuren des Einbruchs führen letztendlich dennoch zum sogenannten Remmo bzw. Rammo Clan in Berlin. DNA, die man aus Hautschuppen oder Haaren gewinnen kann, legte eine Spur zu den Tätern. Umfassende Abhörmaßnahmen im Umfeld besorgten den Rest. Verurteilt wurden letztendlich fünf Mitglieder der Bande, mit der sich die Autoren schon seit Jahren beschäftigen. Mindestens ein Täter konnte nicht dingfest gemacht werden. Aufgrund eines Deals mit der Staatsanwaltschaft wurde sogar ein Teil der Beute wieder sichergestellt. Spannend zu lesen, vor allem wenn man sich für die sehr intensive Polizeiarbeit interessiert, die hinter der Festnahme von fünf Einbrechern steckt. Eigentlich empfehlenswert, wenn nicht das enervierende Justiz- und Berlinbashing wäre. Auch die Darstellung des „Clans“ wäre wohl in einem ganz andern Tonfall verfasst worden, wenn es sich um „Gentlemen Gangster“ aus einem anderen Milieu beziehungsweise aus einem anderen Kulturkreisen gehandelt hätte. Erinnert sei an die Postzugräuber. In diesem Buch werden Bandenmitglieder als tumbe, einfach strukturierte junge Männer dargestellt. Es gibt andere Beispiele bei denen die Hochachtung vor dreisten Kriminellen bei Filmemachern und True Crime Schreibern kaum zu verbergen war. Dem ist hier nicht so. Das alles mag populär sein und gewisse Bevölkerungsschichten ansprechen, doch diesbezüglich machen es sich die Autoren zu einfach. Genauso wie diejenigen, die besonders dreiste Kriminelle feiern. Ernst Reuß Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer, Der Jahrhundertcoup, Ein Clan auf Beutezug und die Jagd nach den Juwelen aus dem Grünen Gewölbe, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2023, 352 Seiten, 24 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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