100 Jahre danach erscheinen einige Bücher zum sogenannten „Horrorjahr“ 1923. Der Hitlerputsch, die Ruhrkrise und die Hyperinflation waren in jenem Jahr die Vorboten für das was dann noch kommen sollte.
Zwei Bücher seien hier kurz vorgestellt: Mit dem kurzen Kapitel „Der Weg in die große Krise November 1918 bis Dezember 1922“ beginnt das Buch „1923. Kampf um die Republik“, welches dann ausgesprochen faktenreich durch das Krisenjahr 1923 hechelt. Der Publizist und Historiker Ralf Georg Reuth verarbeitet dabei eine große Stoffmenge und berichtet von Politikern und politischen Initiativen, die längst schon weitgehend vergessen sind. Es gibt viele - fast schon zu viele - Details und Einzelheiten. Die Weimarer Republik stand unter Druck von Demokratieverächtern von links und von rechts. Man kann durchaus Parallelen zu heute erkennen. Aber alle Versuche die Demokratie zu vernichten, scheiterten an Gustav Stresemann und anderen aufrechten Demokraten. Zum Schluss gibt es ein kurzes Kapitel mit dem Namen „Der Weg aus der großen Krise“, das mit dem Schwarzen Freitag und der Weltwirtschaftskrise endet, deren Folgen dann letztendlich nicht mehr erfolgreich mit demokratischen Mitteln bekämpft werden konnten. Das und Stresemanns Tod markierten im Oktober 1929 den Anfang vom Ende der Weimarer Republik. Eigentlich war zu dieser Zeit der Aufruhr durch Extremisten, die besonders 1923 wüteten, vorbei gewesen. 1933, nur zehn Jahre später und vier Jahre nach Beginn der Weltwirtschaftskrise sollten die schlimmsten Befürchtungen aus dem Jahr des Hitlerputsches allerdings wahr werden. Das Buch von Wolfgang Niess „Der Hitlerputsch 1923“, beschäftigt sich intensiv mit dem Putschversuch und den Umständen davor und danach. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich Hitler zum Ersatzbataillonsrat der Soldatenräte der Münchner Räterepublik wählen lassen. Nach deren gewaltsamer Niederschlagung denunzierte er andere Vertrauensleute aus dem Bataillonsrat vor einem Standgericht der Münchner Reichswehr, trug damit zu ihrer Verurteilung bei und erkaufte sich das Wohlwollen der neuen Machthaber. Später verschwieg er seine Zusammenarbeit mit den sozialistischen Soldatenräten. Danach wurde er V-Mann in der „Aufklärungsabteilung“ im Reichswehrgruppenkommando, wo er als Redner geschult wurde, um dann mit seinem „Aufklärungskommando“ „von Bolschewismus und Spartakismus verseuchte Soldaten“ propagandistisch „umzuerziehen“. Hitler wurde politisiert und hatte Rückhalt von Münchner Eliten und Politikern, die sich eine Loslösung vom „jüdisch, marxistischen“ Berlin wünschten. „Ordnungszelle Bayern – Der Traum vom Marsch auf Berlin“, heißt das entsprechende Kapitel im Buch. Ein Separatismus, der auch noch heute - mit anderen Attributen - gelebt wird. Am Abend des 8. November 1923 stürmte dann Adolf Hitler mit gezogenem Revolver in den Bürgerbräukeller und verkündet den Beginn der nationalen Revolution, die bereits am folgenden Tag im Kugelhagel an der Feldherrnhalle endete. Doch Hitlers dilettantische Aktion hatte Folgen. Hitler wurde von einem unbedeutenden Lokalpolitiker zu einer Größe, die nun überall im Reich bekannt war. Das folgende kurze NSDAP Verbot und die „Festungshaft“ Hitlers - eine Art Ehrenhaft mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise des Gefangenen - änderten daran nichts. Hitler wurde nach nicht einmal neun Monaten vorzeitig entlassen. Das Urteil war eine Farce, in der sich Richter und Staatsanwalt nicht die Mühe machte ihre große Sympathie für den Angeklagten zu verhehlen. Auch bei der vorzeitigen Entlassung waren Sympathien mit im Spiel. Niess resümmiert trotzdem: „Am Ende des Horrorjahrs 1923 war die Weimarer Republik gefestigter als je zuvor, die Demokratie war gerettet und begann, ihr politisches, soziales und kulturelles Potential zu entfalten.“ Erst mit der Weltwirtschaftskrise folgte - wie schon gesagt - der Zerfall und der Aufstieg Hitlers. Ernst Reuß Ralf Georg Reuth: 1923. Kampf um die Republik. Piper, München 2023. 368 Seiten, 28 €. Wolfgang Niess, Der Hitlerputsch 1923, Geschichte eines Hochverrats, C. H. Beck Verlag, München 2023, 350 Seiten, 26 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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