Michael Wolff, der das Buch „Feuer und Zorn“ schrieb, ist ein amerikanischer Journalist, der regelmäßig für USA Today, The Hollywood Reporter und ein Lifestylemagazin für Männer schreibt. Ein Klatschreporter schreibt also über Klatsch und Tratsch könnte man meinen. Wie sollte der uns denn das was gerade in den USA passiert und was die meisten von uns mit großem Befremden beobachten seriös analysieren können?
Das ist allerdings auch gar nicht Wolffs Anspruch, denn Klatsch und Tratsch können mitunter auch sehr unterhaltsam sein, wie in diesem Fall. Wolff zeigt sehr viel vom Innenleben des mächtigsten Mannes der Welt, dessen Familie und dessen Umfeld. Donald Trump und seine Entourage verhalten sich anscheinend wie in einer schlechten Soap, wenn man den Beschreibungen glauben kann und nichts spricht dagegen. Er macht Politik, wie er twittert: impulsiv und für jeden immer wieder überraschend, auch für diejenigen die ihm eigentlich nahe stehen und ihn verstehen müssten. Ohne Plan und voller Intrigen gestaltet Trump die Welt wie sie ihm gefällt, ohne dass dies sonderlich vom Verständnis über politische Zusammenhänge gestört wird. „Make America Great Aain“ ist die simple Devise. Anfangs habe Wolff offiziellen Zugang zum Weißen Haus gesucht, aber angesichts des ständigen Chaos nicht gefunden. Allerdings fand sich deswegen gerade in der Anfangszeit auch niemand, der ihn hinauswerfen konnte. Wolff schreibt: „Kurz nach dem 20. Januar nahm ich eine Art Stammplatz auf einem Sofa im West Wing ein. Seither habe ich mehr als zweihundert Interviews geführt. (…) So war ich denn weniger ein geladener Gast als vielmehr ein ständiger Lauscher – das sprichwörtliche «Mäuschen» – , der sich weder irgendwelchen Regeln unterworfen noch Absprachen darüber getroffen hatte, was er schreiben dürfe und was nicht.“ Den Stammlatz als Mäuschen hatte Wolff monatelang und offenbar hatten sehr viele Leute im Weißen Haus sehr viel Zeit mit ihm zu reden. Trump und seine Gefolgsleute hätten eigentlich gar nicht an die Präsidentschaft geglaubt, schreibt Wolff. Nach dem Wahlsieg „verwandelte sich ein verdatterter Trump binnen kaum einer Stunde erst in einen ungläubigen und dann in einen ziemlich entsetzten Trump.“, soll ihm Steve Bannon nicht unamüsiert berichtet haben. Allerdings geschah dann die Verwandlung, die wohl bei einem Narzissten so kommen muss, denn kurz danach wurde Donald Trump zu einem Mann „der davon überzeugt war, dass er es verdiente und hervorragend geeignet war, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu sein.“ Wolff berichtet weiter: „Aber er las nicht nur nicht, er hörte auch nicht zu. Er redete lieber selbst. Und er traute seinem Sachverstand – so dürftig oder bedeutungslos der im Einzelnen sein mochte – mehr als dem aller anderen. Zudem war seine Aufmerksamkeitsspanne extrem kurz, selbst dann, wenn er jemanden seiner Aufmerksamkeit für würdig hielt.“ Die wesentliche Hypothese unter seinen ranghohen Mitarbeitern sei in der ersten Zeit daher gewesen, dass niemand ohne außerordentlichen Scharfsinn und Verschlagenheit Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte. Zwar war sein impulsives und exzentrisches Auftreten sowie sein beschränktes Wissen unübersehbar gewesen, aber man glaubte, Trumps Gespür müsse unfehlbar sein, trotz seiner Unbesonnenheiten, Launenhaftigkeit und seiner Unbeherrschtheit. Anders konnte man sich seinen Erfolg nicht erklären. Die meisten seines Gefolges sind inzwischen gefeuert oder haben von selbst den Hut genommen. Der Irrsinn geht mit neuem Personal also einfach weiter. Trumpismus oder einfach Wahnsinn? Die Geschichte wird es zeigen. Ernst Reuß Michael Wolff, Feuer und Zorn, Im Weißen Haus von Donald Trump, Aus dem Englischen von Isabel Bogdan, Thomas Gunkel, Dirk van Gunsteren, Gregor Hens, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Nikolaus Stingl, Rowohlt Verlag, Hamburg 2018, 480 Seiten, € 19,95 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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