„‘Warum kommen die ganzen Syrer hierher, haben die denn zu Hause keine Armee, die sie beschützt?‘ Mock nickt. Man stelle sich vor, sagt er, die deutschen Männer wären damals im Krieg alle geflohen, anstatt für ihr Land zu kämpfen, das wäre doch in einer Katastrophe geendet. Kurze Pause. Nein, er merkt es nicht.“
Schon alleine wegen so einer Beobachtung aus Freital ist das Buch lesenswert. Man könnte über so viel Dummheit herzhaft lachen, wenn einem das Lachen darüber nicht schon längst im Halse steckengeblieben wäre. Sicher, die im Buch beschriebenen Ereignisse gab es ähnlich auch in anderen Landstrichen, aber Sachsen war und ist nun mal sehr häufig der Brennpunkt von Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. In „Unter Sachsen“ legt der Christoph Links Verlag eine bemerkenswerte Studie zu den sächsischen Verhältnissen vor. Mehr als 40 Autorinnen und Autoren haben sich damit auseinandergesetzt wie es dazu kommen konnte, dass gerade Sachsen immer wieder zum Ausgangspunkt von xenophoben Angriffen wird. Schlüssige Analysen, Interviews und Kommentare wechseln sich im Buch ab. Es handelt von abwiegelnden Politikern, der Bagatellisierung des Hasses gegen Andersdenkende, von blankem Rassismus und von Dummheit. Beleuchtet werden beispielsweise der Zustand der sächsischen CDU sowie die Hintergründe von Pegida und AfD in Sachsen. Reportagen zeigen die Verhältnisse vor Ort, in Leipzig oder Dresden, aber auch in kleinen Gemeinden, die wegen der dortigen Vorkommnisse in aller Munde waren und sind. Dort gibt es rechtsfreie Räume mit rechtem Terror und untätigen Polizisten. Manchmal stockt einem der Atem beim Lesen der Reportagen. Selbst vor Morden schreckte man nicht zurück, wobei es nicht nur Ausländer traf. Es genügte schon anders zu sein als der rechte Mob im Dorf, der von „besorgten Bürgern“, die ihre Hände in Unschuld waschen und sich für „das Volk“ halten, noch befeuert wird. Eine Chronik seit 1990 beschließt das Buch. Ein lesenswertes, kritisches Buch, das die, die es lesen sollten nicht erreichen wird, dem aber trotzdem eine große Leserschaft zu wünschen ist. Ernst Reuß Heike Kleffner, Matthias Meisner (Hrsg.), Unter Sachsen, Zwischen Wut und Willkommen, Berlin März 2017, 312 Seiten, 18 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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