Nördlich von Berlin wurde 1936 von Häftlingen das Konzentrationslager Sachsenhausen errichtet, das nicht nur das „Konzentrationslager bei der Reichshauptstadt“, sondern ein zentrales Muster- und Ausbildungslager war. Benannt wurde es nach einem heutigen Stadtteil von Oranienburg, der damals noch eine selbständige Gemeinde war.
Ungefähr 200.000 Menschen aus etwa 40 Nationen wurden in Laufe der Jahre dort inhaftiert. Zunächst waren es die politischen Gegner des NS-Regimes, dann „Minderwertige“ (so wurden damals Juden, Homosexuelle, „Zigeuner“, „Asoziale“ oder Zeugen Jehovas bezeichnet) und nach Kriegsbeginn Bürger der überfallenen Staaten. Zehntausende kamen dort durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, Misshandlungen oder medizinischer Experimente um, mindestens 13.000 sowjetische Kriegsgefangene wurden systematisch ermordet. Zuvor hatte man dort bereits an sowjetischen Kriegsgefangenen einen Gaswagen erprobt, der dann im Osten eingesetzt wurde. Es gab eine „Genickschussanlage“ und eine Gaskammer, in der neue Vergasungsmethoden erprobt wurden. Beim Umfang der Menschenversuche für medizinische und andere Zwecke erreichte das KZ einen traurigen Rekord. Am 21. April 1945 begann die Räumung des KZ Sachsenhausen durch die SS. Die Rote Armee stand nur noch wenige Kilometer entfernt. 33.000, der noch verbliebenen 36.000 Häftlinge, wurden in Gruppen von 500 Häftlingen nach Nordwesten in Marsch gesetzt. Tausende Häftlinge starben dabei an Entkräftung oder wurden von der SS erschossen. Die Überlebenden kamen auf unterschiedlichen Wegen in die Nähe von Schwerin, wo sie, inzwischen von ihren SS-Bewachern verlassen, auf Einheiten der Roten Armee und der US Army trafen. Die befreiten Häftlinge wurden anschließend in Kasernen und Krankenhäusern untergebracht, wo sie gesund gepflegt wurden - was nicht immer gelang. Am 22. und 23. April 1945 erreichten sowjetische und polnische Streitkräfte das Hauptlager und befreiten die zurückgebliebenen 3.000 Kranken, sowie die Ärzte und Pfleger. Mindestens 300 Befreite starben noch in den folgenden Wochen an den Folgen der KZ-Haft. Im Mai konnten die meisten westeuropäischen Häftlinge in ihre Heimatländer zurückkehren, während Häftlinge aus Osteuropa zunächst eine Überprüfung in Repatriierungslagern über sich ergehen lassen mussten. Heute ist das ehemalige KZ eine beeindruckende Gedenkstätte. Gerade erschien im Metropol Verlag ein 734-seitiges, sehr lesenswertes Werk zum KZ Sachsenhausen, das auch als Zentrum zur Verteilung der Gefangenen in andere Lager diente. Verfasst wurde das umfassende Werk von dem Historiker und ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Hermann Kaienburg, der damit im Ruhestand eine Forschungsarbeit abgeschlossen hat und den neusten Stand der Forschung akribisch darstellt. Dem Todesmarsch sind dabei nur ein paar Seiten gewidmet. Ein Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes berichtete: „Am Morgen des 22. April entdeckten wir die ersten 20 erschossenen Häftlinge am Straßenrand auf einer Strecke von 7 km zwischen Löwenberg und Lindow; alle waren durch Kopfschuss getötet worden. In dem Maße, in dem wir vorankamen, stiessen wir auf eine immer grössere Anzahl von erschossenen Häftlingen am Straßenrand oder in den -gräben. In den Wäldern zwischen Neu-Ruppin und Wittstock fanden wir dann regelmäßig an den Stellen, wo die Häftlinge übernachtet hatten oder an den Halteplätzen mehrere Leichen, die zum Teil in die Lagerfeuer geworden und halbverkohlt waren.“ Ernst Reuß Hermann Kaienburg, Das Konzentrationslager Sachsenhausen 1936–1945. Zentrallager des KZ-Systems, Metropol Verlag, Berlin 2021, 734 Seiten, 39.00 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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