Gemeinhin gilt Ferdinand Magellan, nach dem die von ihm als ersten Europäer endeckte Magellanstraße benannt wurde, auch als erster Weltumsegler. Doch dem ist nicht so. Zwar kam am 6. September 1522 eines seiner Schiffe nach ihrer abenteurlichen Weltumrundung wieder in Spanien an. Es war allerdings Juan Sebastián Elcano, der fast drei Jahre nach dem Aufbruch der Expedition mit Magellans Schiff wieder im spanischen Heimathafen einfuhr. Die erste Weltumsegelung war ein Meilenstein in der Geschichte der Seefahrt
Magellan selbst war bereits am 27. April 1521 gestorben. Genauso erging es vielen seiner Crew. Ein kümmerlicher Rest von 18 Mann, der einstmals ungefähr 240 Besatzungsmitglieder auf fünf Schiffen, war übrig geblieben. Weitere Expeditionsteilnehmer kamen allerdings auf anderem Weg wieder nach Spanien zurück. Einer von diesen 18 Seeleute war der Italiener Antonio Pigafetta, dessen Reisebericht überliefert ist und nun auf deutsch vorliegt. Der Historiker Christian Jostmann ordnet in seiner sehr interessanten Einleitung den Bericht ein. Pigafetta schrieb über die Rückkehr: „Danach segelten wir zwei Monate unentwegt nach Nordwesten, ohne irgendwelche frische Nahrung aufzunehmen. In dieser Zeit starben uns 21 Männer. Wenn wir sie ins Meer warfen, sanken die Christen mit dem Gesicht nach oben in die Tiefe, und die Inder stets mit dem Gesicht nach unten. Und wenn Gott uns nicht gutes Wetter besorgt hätte, wären wir alle Hungers gestorben.“ Erst durch seinen Bericht, in dem er seinen von ihm anscheinend sehr verehrten und inzwischen verstorbenen Kapitän ein Denkmal setzte und ihn gegen seine Feinde und Kritiker verteidigte, wurde Magellan zum Mythos. Es gab durchaus auch andere Ansichten zu Magellan. Während der Reise kam es zu heftigen Konflikten zwischen Kapitän und Mannschaft, einschließlich Meutereien, Desertionen und von Magellan angeordneten Hinrichtungen. Der mit viel Seemansgarn aufgehübschte, subjektive Reisebericht ist sehr lesenswert und amüsant. Er zeigt die Vorstellungswelt eines im 16. Jahrhundert lebenden Europäers, der auszog um die Welt kennzulernen. Viele erklärende Fußnoten lassen seinen Bericht besser verstehen. Beispielsweise schrieb Pigafetta: „Dieses Land von Verzin ist sehr üppig und größer als Spanien, Frankreich und Italien zusammen. Es gehört dem König von Portugal. Die Völker dieses Landes sind keine Christen und beten nichts an. Sie leben nach den Gebräuchen der Natur und werden 125 und 140 Jahre alt.“ Die Bevölkerung dieses Landes, also die Brasilianer, bezeichnete er als Menschenfresser, aber nicht weil es ihnen schmecken würde, sondern weil es ein alter Brauch sei, der damit begann dass eine Frau einem Krieger aus Wut über den Tod ihres Sohnes in die Schulter biss. Pigafetta beschreibt die Einheimischen durchweg als nackte Wilde. So sah man das wohl damals und nötigte den Einwohnern ihren Willen und ihre christliche Religion auf. Portugal und Spanien hatten die Erde in einem Vertrag mit dem Papst unter sich aufgeteilt, nun galt es auch die „Heiden“ zu bekehren und zu erlösen. Außerdem musste das Land für den König formell in Beschlag genommen werden. Pigafetta schrieb über all das mit bemerkenswerter Offenheit und interessierte sich sehr für die sexuellen und kulturellen Gebräuche der Einheimischen, die er meist als Inder bezeichnete. Am 20. September 1519 war Magellan im Auftrag der spanischen Krone in See gestochen, auf der Suche nach einer besseren Route zu den sagenhaften Gewürzinseln. Dorthin also, wo unter anderem der sehr wertvolle Pfeffer wuchs. Magellan selbst starb auf der kleinen Philippinen-Insel Mactan. Als Herrenmensch wollte er ein Exempel an der rebellischen Bevölkerung statuieren, scheiterte aber an seiner Arroganz und seinen Überlegenheitsphantasien. Auch Pigafetta war bei diesem Gefecht dabei, überlebte aber seinen Kapitän mit dem Streifschuss eines Pfeils im Gesicht. Er berichtete daher als direkter Augenzeuge „Magellan befahl nun, das Dorf in Brand zu stecken. Aber der Anblick der Flammen machte die Insulaner noch wilder und blutgieriger. (...) Einem Insulaner gelang es, Magellan mit der Lanze im Gesicht zu verwunden. Der Generalkapitän durchbohrte seinen Gegner auf der Stelle mit seiner eigenen Lanze, die nun aber im Körper des Getöteten steckenblieb. Er wollte seinen Degen ziehen, vermochte ihn aber nur halb aus der Scheide zu bringen. Der ebenfalls verwundete rechte Arm gehorchte ihm kaum mehr. Als die Insulaner dies sahen, drangen sie in einem Pulk auf ihn ein. Magellan empfing einen Lanzenstich in den linken Schenkel und fiel auf das Gesicht. Im selben Augenblick warfen sich alle Feinde auf ihn und hieben mit ihren Waffen auf ihn ein. So starb unser treuer Führer, unser Licht, unsere Stütze.“ Ernst Reuß Antonio Pigafetta, Die erste Reise um die Welt - An Bord mit Magellan. Historischer Reisebericht. Die erste vollständige deutsche Ausgabe inkl. Original-Illustrationen. ... und kommentiert von Christian Jostmann, wbg Edition, Darmstadt 2020, 272 Seiten, 29 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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