Wolfgang Benz, einer der renommiertesten Zeithistoriker Deutschlands mit zahlreichen Publikationen zur Geschichte des Nationalsozialismus, des Holocaust und des Widerstands, beschreibt spannungsreich und ausgesprochen empathisch das Leben Georg Elsers. Einem Einzelgänger mit offensichtlichem Schlag bei den Frauen. Er war ein einfacher Mann, der bereits früh den drohenden Krieg zu verhindern versuchte. Nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 war Elser endgültig davon überzeugt, dass Hitler einen neuen Krieg plant und nur noch seine Ermordung großes Unheil abwenden könne.
Dies also zu einem Zeitpunkt als die meisten Verschwörer des 20. Juli 1944 ihrem Führer noch lauthals zujubelten. Der schwäbische Schreinergeselle wurde erst spät einer breiten Öffentlichkeit bekannt, hat aber vor vielen Anderen gesehen, was Hitlers Expansionsdrang bedeuten würde. Mit einer Zeitzünderbombe versuchte er nach monatelanger Vorbereitung am 8. November 1939 dem Zweiten Weltkrieg und Adolf Hitler ein Ende zu bereiten. Sein Anschlag im Münchner Bürgerbräukeller scheiterte jedoch, weil der „Führer“ vorzeitig den Saal verließ. Wenn Elsers Plan aufgegangen wäre, hätten die Weltgeschichte einen völlig anderen Verlauf genommen. Am 5. August 1939 war Elser nach München gezogen, um dort seinen Anschlag auf Hitler vorzubereiten. Benz schildert nicht nur dieses Attentat, welches Elser ganz allein plante und ausführte und das weitgehend unbekannte Leben des Georg Elser, sondern als Zeithistoriker auch das Leben in der Provinz vor und während der Nazizeit. Außerdem berichtet er über bekannte und eher unbekannte Widerständler, die Hitler beseitigen wollten. Dankenswerterweise nur kurz vom 20. Juli, aber ausführlicher auch von vielen unbekannten, verhinderten Attentatsversuche. Er präsentiert sein fundiertes Wissen in ausgesprochen lesbarer Form. Der 1903 geborene Elser selbst kam aus Königsbronn, einem Industriedorf auf der Schwäbischen Alb. Nach dem Besuch der Volksschule in Königsbronn wurde er als Jahrgangsbester Schreinergeselle. Sein weiterer Werdegang war geprägt durch die Inflation und durch die Machtergreifung der Nazis. Bereits über eine halbe Stunde vor der Explosion im Münchner Bürgerbräukeller wurde Elser bei dem Versuch, in die neutrale Schweiz zu fliehen, noch auf deutscher Seite vom eifrigen deutschen Grenzbeamten festgenommen. Einer davon sollte später für seine Verdienste um die Wirtschaft - als Gründer des CDU-Wirtschaftsrats 1979 - das Bundesverdienstkreuz erhalten. Elser wurde ohne Gerichtsverfahren im KZ Sachsenhausen, später im KZ Dachau gefangen gehalten. Kurz vor Ende des Krieges wurde er am 9. April von den Nazis ermordet. Hitler selbst hatte die Hinrichtung angeordnet. Ein SS-Oberscharführer vollstreckte den Tötungsbefehl mit einem Genickschuss. Dies geschah zwanzig Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch US-Truppen. Elser wurde gerade mal 42 Jahre alt. Sein Schicksal blieb für die Familie unbekannt, ein Grab gab es nicht. 1950 wurde er offiziell für tot erklärt. Nach dem Krieg wurde Elser vielfach verleumdet, so zum Beispiel vom prominenten Mithäftling Niemöller, der ihn als SS-Mann bezeichnet. Man konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass Elser allein gehandelt hat. Historiker weigerten sich lange Zeit beharrlich, sich mit Elser als Widerständler zu beschäftigen. Es hielt sich das Gerücht, er sei eine Marionette der Nationalsozialisten gewesen. Erst 1964 wurden die vollständigen Protokolle von den Verhören Elsers in Berlin entdeckt. Im Gegensatz zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 wurde Georg Elser in der offiziellen Gedenkkultur der Bundesrepublik bis in die 1990er Jahre kaum gewürdigt. Georg Elser ist ein Beispiel dafür, dass die Unterwerfung unter die Nazi-Diktatur auch für so genannte „einfache Menschen“ nicht alternativlos war. Benz räumt mit den Nachkriegsmythen auf und scheut auch nicht davor andere Zeithistoriker zu kritisieren. Sein Buch endet mit den Sätzen: „Elser war ein kategorischer Moralist, in der Konsequenz einer als notwendig erkannten Tat. Zu Recht sehen die Nachgeborenen Georg Elser deshalb als besonders authentischen Widerstandskämpfer.“ Ernst Reuß Benz, Wolfgang, Allein gegen Hitler, LEBEN UND TAT DES JOHANN GEORG ELSER, C. H. Beck Verlag 2023, 224 S., mit 29 Abbildungen, Hardcover, 27 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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