Kein historisches Sachbuch, aber ein ziemlich interessanter und gut lesbarer Blick auf die unmittelbare Nachkriegszeit.
Hier ein Zitat aus dem Buch, dessen Aktualität sehr erschreckend ist. „Das Abgeordnetenpaar, das mir gegenüber auf einem Sofa saß, riß die Münder auf und lachte: er ein trockenes Bellen, sie ein bellendes Wiehern. Sie waren in ausgelassenster Laune und kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Magda hatte die Jacke ihres dunkelblauen Kostüms ausgezogen und zeigte sich in einer weißen, unter den Achseln verschwitzten Spitzenbluse und einem engen, über dem Bauch spannenden Rock. Ihre Augen waren noch kleiner, ihre Nase noch unförmiger geworden. Das Haar, von einer zu starken Dauerwelle und einem billigen Friseur heftig gekräuselt, stand wie eine struppige Hecke um ihr feuchtes Gesicht. Auch der Abgeordnete hatte sich seines Jacketts entledigt und die graue Krawatte gelockert. Er hatte die Schenkel gespreizt, sein Arm lag hinter Magda auf der Lehne, seine Hand hing über ihre Schulter, seine Finger berührten ihren zerfließenden Busen. Ich betrachtete das Paar voller Entsetzen. Ich dachte: Nimm dich in acht, mein Kind, das sind die Gefährlichsten der menschlichen Rasse, diese entfesselten Spießbürger, die, wenn sie in Rausch geraten und in Massen auftreten, zu allem fähig sind. Und plötzlich war die Angst da, stülpte sich wie eine Glocke über mich, schnitt mir den Atem ab, preßte mir Herz und Magen zusammen.“ (Angelika Schrobsdorff, Die Herren, S. 583 f.) Comments are closed.
|
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
|