Terror von selbst ernannten religiösen Heilsbringern erschüttert seit geraumer Zeit auch die westliche Welt. Wenig erstaunlich, dass sich mehrere Bücher renommierter Verlage damit beschäftigen. Sie enthalten mancherlei Theorien über die Ursachen des Terrors. Meist wird von gesellschaftlicher Frustration, vom Kampf gegen den Kolonialismus oder von der Politisierung eines radikalen Islam ausgegangen.
Sascha Adamek, der als Journalist und Filmemacher für die Politikmagazine „Kontraste“und „Monitor“tätig ist, folgt dabei in seinem Buch der „Spur des Geldes“. Im Vorwort schreibt er: „Im Zentrum dieses Buches steht das Geld – Geld, das Ideologie, religiösen Wahn, aber auch Waffen transportiert; Geld, das Menschen ermöglicht, zu den Waffen zu greifen.“ 58 Milliarden Euro betrage die deutsche Handelsbilanz mit Staaten, deren Rechtssystem auf der Scharia beruht. Adamek nennt das schlicht „Scharia-Kapitalismus“. Er spitzt es dergestalt zu, dass wir damit den Kampf gegen unsere eigene Freiheit selbst finanzieren und uns erpressbar machen. So verweist er auf das Beispiel der USA, wo saudische Drohungen, US-Staatsanleihen in erheblichem Umfang zu verkaufen, die Veröffentlichung des Berichts über saudische Hintermänner des Anschlags vom 11. September verhinderten. Der Autor schreibt, dass auch in deutschen Firmen Investoren aus islamischen Staaten mit nennenswerten Anteilen vertreten sind. Das wäre alles kein Problem, wenn dieselben Investoren nicht auch großzügig für Moscheen und Druckerzeugnisse spenden würden, womit wiederum Jugendliche radikalisiert werden und dem Terrorismus Vorschub geleistet wird. Die Türkei finanziert Moscheen von Erdogans Gnaden. Saudi-Arabien spendet geschätzte 80 Milliarden Dollar für den weltweiten Islamismus. Kuwait investiert nicht nur in Daimler, sondern auch in radikale Moscheen, Katar in VW und salafistische Publikationen. Dadurch versuchen einige dieser Staaten, sich vor dem Terrorismus vor der eigenen Haustür freizukaufen, so Adamek. Islamische Vereine werden als gemein- nützig gefördert, ohne dass geschaut wird, wohin das Geld fließt. Adamek nennt Namen undNetzwerke undzeigt Zusammenhänge auf. Er kritisiert Rüstungsexporte und die mangelnden Finanzkontrollen durch die Politik, die nach seiner Ansicht im Kampf gegen den Terror wirksamer wären als etwa Flugzeugträger. Bei aller berechtigten Kritik vermengt er das alles jedoch zu einem eher alarmistischen Weltbild, das so manchem islamophoben AfD-Anhänger das Herz schneller schlagen lassen wird. Gleichwohl werden interessante Lösungsansätze verfolgt. Er plädiert beispielsweise für einen „Wandel durch Abgrenzung“, denn Länder wie Saudi-Arabien oder Katar legten viel Wert auf ihr eigenes Ansehen im Westen. In erster Linie ginge es ihnen nämlich um den Profit und eher weniger um den Glauben. Er kommt deshalb zum Schluss: „Wer, wenn nicht der Westen, ist in der Lage, die weltweiten Geldströme zu kontrollieren? Wenn wir die Kanäle von Extremisten und Terroristen und ihrer Geldgeber ohne Rücksicht auf unsere eigenen Geschäfte trockenlegen, wäre ein entscheidender Schritt getan.“ Einen gänzlich anderen Ansatz vertritt der französische Autor und Islamismusexperte Olivier Roy. In seinem Buch mit dem Titel „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“beschäftigt er sich eindringlich mit den Selbstmordattentätern, die längst auch europäische Großstädte heimsuchen und dort für Angst und Schrecken sorgen. Neu am derzeitigen Terror sei dabei der explizite Todeswunsch des Attentäters, der so nicht im Islam verankert sei – selbst Salafisten verdammten den Selbstmord. Roys interessanter Ansatz ist der, dass die Hinwendung zum „Dschihadismus“eher eine Jugendbewegung sei, die sich außerhalb des religiösen und kulturellen Bezugsrahmens der Eltern abspielt. Ein besonders heftig ausgetragener Generationenkonflikt junger Männer, der meist mit Todessehnsucht und Erlösungsfantasien gepaart ist. Die meisten der Attentäter waren bislang psychisch labile, nichtreligiöse Kleinkriminelle, die Alkohol tranken und sich äußerst rasant radi- kalisierten. Roy spricht daher von einer „Islamisierung der Radikalität“und eben nicht von einer „Radikalisierung des Islam“. Kaum ein Selbstmordattentäter rechtfertigt sich mit seinem eigenen Lebenslauf, sondern eher damit, was er im Internet gesehen hat. Roy schreibt von einer No-Future-Generation, die nicht am wirklichen Leben der Gesellschaft teilnimmt und sich an einer „Ästhetik der Gewalt“berauscht: „Die unermessliche Wüste, die man im Geländewagen durchquert, mit im Wind flatternden Fahnen und langem Haar, gezückten Waffen und einer oft nach dem Vorbild der Ninjas gestalteten, durch Uniformen zur Schau gestellten Brüderlichkeit. Die kleinen Loser aus den Vorstädten sind schön geworden, bei ihrem Anblick auf Facebook werden die Mädchen schwach. Aus dem Videospiel wird ein Epos, das sich auf einem riesigen Spielfeld entfaltet.“ Der IS bringt laut Roy den Terror nicht hervor, sondern schöpft aus einem vorhandenen Reservoir. Das mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist Roy ein äußerst kenntnisreicher Berichterstatter, der mit vielen interessanten Details aufwartet. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch das bereits 2015 erschienene, aber unverändert aktuelle Buch von Lamya Kaddor, „Zum Töten bereit. Dafür erhielt die Autorin im vergangenen Jahr den Preis „Das politische Buch“der Friedrich-Ebert-Stiftung. Über 550 deutsche Dschihadisten, der jüngste von ihnen dreizehn Jahre alt, waren bei Drucklegung des Buches bereits in Richtung Kriegsgebiet ausgereist. Die als Kind syrischer Eltern in Deutschland geborene Islamwissenschaftlerin Kaddor beklagt das, doch sie beschreibt Lösungsansätze, um derlei künftig zu verhindern. Kaddor arbeitete in Dinslaken als Religionslehrerin. Sie schreibt: „Ich musste erleben, dass unter ihnen auch fünf meiner ehemaligen Schüler waren. Diese jungen Menschen hatten sich der sogenannten ,Lohberger Brigade’ angeschlossen. Als ich davon erfuhr, empfand ich es als eine persönliche Niederlage. Denn sie kämpften nicht nur im Land meiner Eltern, in dem zurzeit einer der schlimmsten Bürgerkriege dieser Welt wütet. Es sind auch fünf mir eigentlich gut bekannte und sympathische Menschen, die ich in gewissem Sinne verloren habe. Mir ist bewusst, dass ich sie wahrscheinlich nicht hätte aufhalten können, und dennoch stelle ich mir die Frage, ob ich es voraussehen oder irgendetwas hätte anders machen können.“ Die Autorin appelliert dabei auch an ihre Glaubensgenossen, mehr zu tun, um diese Fanatiker zu stoppen. Zugleich beklagt sie die zunehmende Islamfeindlichkeit: „Wenn wir den Frieden in der Gesellschaft bewahren wollen, dann müssen wir uns salafistischen und islamfeindlichen Tendenzen gleichsam und gemeinsam entgegenstellen. Salafismus und Islamhass sind zwei Seiten einer Medaille.“ Drei verschiedene Ansätze also, sich dem Problem des islamistischen Terrors und dessen Bekämpfung zu nähern. Eines steht fest: Es gibt keine umfassende Erklärung, und es kann und wird keine einfachen Lösungen geben. Ernst Reuß Sascha Adamek: Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst. Econ Verlag, Berlin 2017. 320 S., 18,00 €. Olivier Roy: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“. Der Dschihad und dieWurzeln des Terrors. Aus dem Französischen von Christiane Seiler. Siedler Verlag, München 2017. 176 S., 20 €. Lamya Kaddor, Zum Töten bereit, Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen, Frankfurt 2015, 256 Seiten, 14,99 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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