Anfang des Jahres lief in der ARD der Film „Die Unsichtbaren. Wir wollen leben“. Unsichtbar mussten jüdische Berliner bleiben, wenn sie das „Dritte Reich“ überleben wollten. Eine von ihnen war Hanni Lévy, die 1924 als Hanni Weissenberg in Berlin geboren wurde. Sie erlebte bereits sehr früh, was es bedeutete Jüdin in Deutschland zu sein. Ihre Kreuzberger Schule an der Gneisenaustraße musste sie aufgrund der „Rassentrennung“ verlassen, von „arischen“ Kindern wurde sie gemobbt, enge Verwandte mussten schon bald emigrieren und der geliebte Großvater starb „infolge der Aufregungen“ nach seiner Entlassung und Enteignung im Jahre 1934.
Spätestens mit der „Kristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 fand ihre behütete Kindheit endgültig ein unwiderrufliches Ende. Vater und Mutter sterben unter den diskriminierenden Umständen früh und mit Beginn der Transporte in Berlin im Oktober 1941 wird die Gefahr immer größer, dass auch Hanni deportiert wird. Die Großmutter kommt nach Theresienstadt, wo sie stirbt. Vielen Freunde ergeht es ähnlich, selbst ihre Vermieter werden verschleppt. Hanni Lévy besitzt bis heute herzergreifende Abschiedsbriefe von Freunden, die deportiert wurden und in einem frisch erschienenen Buch als Faksimile abgedruckt sind. Sie bleibt als Zwangsarbeiterin zunächst alleine im „Judenhaus“ in der Augsburger Straße zurück. Erst als sie bei der „Fabrikaktion“ im Februar 1943 auch deportiert werden soll, taucht sie unter. Sie steht plötzlich ohne alles auf der Straße. Doch nun trifft sie auch andere Berliner, die ihr helfen und inzwischen Dank ihrer Fürsprache in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt werden. Sie färbt ihr Haar und nimmt eine neue Identität an. Öfters musste sie die Unterkunft wechseln, bis die Familie Most in der heutigen Otto-Suhr-Allee sie aufnahm. Bei ihnen wohnte sie bis November 1943 und danach bis Kriegsende bei Familie Kolzer in der Nollendorfstraße. Sie überlebt die Bombenangriffe, die jüdischen „Greifer“, die Übergriffe von Rotarmisten und zieht 1946 nach Paris zu einem Onkel, wo sie ihren Ehemann kennenlernt; ebenfalls ein deutscher Jude. Bis zu 2000 Berliner Juden überlebten den antisemitischen Irrsinn in Berlin, der bekannteste war wohl der spätere „Quizmaster“ Hans Rosenthal. Mit dem Buch werden auch die „stillen Helden“ gewürdigt, die geholfen haben dies zu ermöglichen. Ernst Reuß Hanni Lévy, Nichts wie raus und durch!, Lebens- und Überlebensgeschichte einer jüdischen Berlinerin, Publikationen der Gedenkstätte Stille Helden, Band 9, Herausgegeben von Beate Kosmala, Metropol Verlag Berlin 2019, 192 Seiten, € 19.00 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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