Jedes vierte Opfer des Holocaust kam im Rahmen der bis zum Oktober 1943 dauernden „Aktion Reinhardt“ ums Leben. Unterstützt wurden die deutschen und österreichischen Täter dabei von „fremdvölkischen“ Hilfskräften, den sogenannten „Trawniki-Männern“, die oft aus der Ukraine kamen und in einem SS-Zwangsarbeiterlager gleichen Namens seit September 1941 ausgebildet worden waren. Trawniki ist der Name des Dorfes, in dessen Nähe die SS das Lager angelegt - und nach dem Dorf benannt hat.
„Trawnikis“ machten für die SS in den Ghettos, in den Vernichtungslagern und bei der Partisanenjagd die „Drecksarbeit“. Die Rolle dieser Männer als Werkzeug der SS wird von Angelika Benz in ihrem Buch „Handlanger der SS“ ausführlich beschrieben. Die Gruppe von ungefähr 5 000 Mann wurde häufig als brutaler als die SS charakterisiert. Diese pauschale Beurteilung möchte Benz mit ihrer Studie in Frage stellen. In den Lagern kamen auf 30 SS-Vorgesetzte 120 „Trawnikis“. Schon deshalb traten sie häufig in Erscheinung. Bei den meist als Ukrainer oder „Hilfswillige“ Bezeichneten handelte es sich laut Benz um eine sehr heterogene Gruppe. Sie leuchtet in ihrer Studie deren Motive und Handlungsräume aus und diskutiert die schwierigen Themen Kollaboration, Schuld und Gerechtigkeit. Benz stützt sich dabei auf zeitgenössischen Quellen wie Protokolle von alliierten Verhören sowie auf Aussagen von deutschen SS-Männern und jüdischen Opfern. Dabei entsteht ein differenziertes Bild der meist aus den tödlichen Kriegsgefangenenlagern rekrutierten „Trawniki-Männer“. Sie waren daher selbst auch Opfer und der Willkür ihrer SS-Vorgesetzten ausgesetzt; das entschuldigt jedoch nicht die Gewaltexzesse vieler „Trawnikis“. Benz schreibt: „Das Verhältnis zwischen Trawniki-Männern und deutscher SS ist nicht generalisierbar, doch Misstrauen, Arroganz und Demütigungen bestimmten die Interaktionen im großem Maße“. Benz erzählt nicht nur die Geschichte des Trawniki-Lagers, das als Ausbildungszentrum sowie als ein jüdisches Zwangsarbeitslager betrieben wurde, sondern auch die Geschichten der Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka, in denen die „Trawniki-Männer“ vor allem eingesetzt waren. Zum Schluss setzt sie sich mit dem letzten großen Prozess in Deutschland gegen den „Trawniki“ John Demjanjuk auseinander, der 2011 mit einem Schuldspruch endete. Ernst Reuß Benz, Angelika, Handlanger der SS. Die Rolle der Trawniki-Männer im Holocaust, Berlin 2015: Metropol Verlag, 309 S., € 24,00 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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