Das angesichts des 70. Jahrestags des Kriegsendes neu aufgelegte Buch „SS im Einsatz“ ist selbst ein historisches Zeitdokument.
1957 in der Hochzeit des „Kalten Krieges“ gab es die Erstauflage des Buches. Es wurde vielfach übersetzt und 1964 bearbeitet. Der Grund war, so steht es im neuen Vorwort, dass „der Neofaschismus in Westdeutschland immer mehr um sich gegriffen hat, weil sich der revanchistische und aggressive Charakter der Bundesrepublik ständig verstärkt“. Die SS hinterließ eine Blutspur quer durch Europa, die selbstverständlich nie vergessen oder verdrängt werden darf. Heutzutage wissen wir von deutlich mehr Verbrechen, vor allem nach Beginn des „Unternehmens Barbarossa“, das hier nur am Rande gestreift wird. Das in der DDR vor einigen Jahrzehnten erstmals herausgegebene Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit der Bundesrepublik und der dortigen Vergangenheitspolitik, die sicherlich mehr als kritikwürdig war. Dort herrschte schon damals eine „Schlussstrichmentalität“ vor. Verständnis gab es eher für die Täter, als für die Opfer. Während Opfer des NS-Regimes um gesellschaftliche Anerkennung und Entschädigung kämpften, gab es für die Täter mitunter umfassenden Beistand. Sicherlich verdienstvoll, wenn man damals darauf hinwies, aber eben auch Ausdruck des „Kalten Krieges“. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich mich dem „Wiedererstehen der SS in Westdeutschland“. Im Schlusskapitel „Faschisten und Militaristen wieder am Hebel der Macht“ wird Walter Ulbricht zitiert, der die DDR preist, während „in Westdeutschland (…) die reaktionärsten und verderblichsten Kräfte, die Todfeinde der deutschen Nation und die Todfeinde aller friedliebenden Völker ihre blutbefleckten Hände an den Hebeln der Macht“ haben. Schade, dass in der Neuauflage der zeithistorische Kontext nicht möglichst neutral kommentiert und historisch eingeordnet wurde. Stattdessen geht es auch im Nachwort hauptsächlich um die Bundesrepublik und deren Vergangenheitsbewältigung, weniger um die SS selbst, wie es der Titel suggeriert. Dazu gibt es ein Interview mit einem MfS-Mann, der einen Täter, vor dessen Exekution am 29. Juli 1969 während eines Zeitraums von 18 Monaten verhörte. Es handelte sich um einen der Soldaten auf dem Titelbild des Buches. Auch damit soll die vorbildliche Strafverfolgung in der DDR und die mangelnde Aufarbeitung in der BRD dargestellt werden. Fast so als würde der „Kalte Krieg“ zwischen den beiden deutschen Staaten immer noch heftig toben. Ernst Reuß SS im Einsatz, Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS, Eulenspiegel Verlag, Berlin 2014, 608 Seiten, 19,99 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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