Richard von Weizsäcker bezeichnete den 8. Mai nicht nur als „Tag der Befreiung“, was in gewissen Kreisen verpönt war, sondern meinte auch: „Der 8. Mai ist ein Tag der Erinnerung. Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird.“
Ein Buch des Eulenspiegel Verlages soll an diesen Tag erinnern. Die Herausgeber haben 16 Zeitzeugenberichte veröffentlicht, die von diesem Tag handeln. Diese authentischen Aussagen unterschiedlichster Akteure lassen den Tag nacherleben. Es geht um einfache Leute, aber auch um Stalin, Churchill, Truman, Schukow und Eisenhower. Schließlich gab es auch Zeitzeugen, die die Kapitulation in Karlshorst vorzubereiten hatten. Desweiteren gibt es Aufzeichnungen eines Deutschen, der als Leutnant der Roten Armee in seine zerstörte Heimatstadt Berlin einzieht. Die Erinnerung einer Rotarmistin namens Jelena Rshewskaja, der am Morgen des 8. Mai von ihrem Vorgesetzten Oberst Gorbuschin ein Kästchen in die Hand gedrückt wird, wofür sie mit „dem Kopf haften soll“. Darin befindet sich ein Gebiss. Jelena war Dolmetscherin einer kleinen Gruppe sowjetischer Offiziere einer Spezialeinheit, die Hitler finden sollten .Sie zitterte bei dem Gedanken, es irgendwo aus Versehen liegenzulassen. Am nächsten Tag machen sich Gorbuschin und Rshewskaja auf den Weg um Hitlers Zahnarzt zu finden. Nicht nur das persönliche Erleben in Berlin, sondern auch an anderen Orten wird thematisiert. Beispielsweise in Stettin, in Breslau oder im sogenannten „Rheinwiesenlager“. Ein in Erfurt in einer jüdischen Familie geborener Rotarmist, erlebt den 8. Mai an der immer noch kämpfenden Front. Er schreibt: „Erst in der Nacht zum 11. Mai stellten die letzten Wehrmachtseinheiten an unserem Abschnitt ihre Kampfhandlungen ein – drei Tage nach der offiziellen Kapitulation Hitlerdeutschlands. Nunmehr war auch für uns die Zeit gekommen, mit einer ordentlichen Portion Wodka auf den Sieg und die Befreiung der Völker Europas vom Faschismus anzustoßen. Ich konnte es kaum fassen, seit dem 14. Oktober 1941 im Fronteinsatz und noch am Leben.“ Alle Menschen erleben den Tag auf ihre eigene Weise, damals oft noch nicht mit dem Bewusstsein der welthistorischen Bedeutung dieses Tages. Der letzte Bericht, ist der eines Absolventen der sowjetischen Militärakademie, der die Siegesfeier in Moskau auf dem Roten Platz erlebt. Er war nach zwei Monaten Kampfeinsatz Anfang Mai nach Moskau zurückgekehrt. Später wird er bei der Sowjetischen Militäradministration in Berlin-Karlshorst arbeiten, bevor er in den Westen flüchtet, um später im CIA als „Ostblockexperte“ zu arbeiten. Zum Schluss noch eine politische Bewertung von Alexander Rahr, einem der Herausgeber. Er bewertet den 8. Mai und alles was danach kam, bis zum heutigen Tag. Rahr ist einer bekannter Russlandexperten, gilt aber auch als Lobbyist Putins. Dementsprechend fällt auch seine politische Bewertung aus, der man nicht unbedingt im Detail folgen muss. Trotzdem sicherlich interessant sich auch mit dieser Sichtweise auseinanderzusetzen. Ernst Reuß Wladimir Sergijenko (Hrsg.), Alexander Rahr (Hrsg.), Der 8. Mai, Geschichte eines Tages, Eulenspiegel Verlag, Berlin 2020, 224 Seiten, 22 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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