Ein Dorf bei Angermünde, das inzwischen eingemeindet worden ist, wurde im Dreißigjährigen Krieg von marodierenden Soldaten als Basislager benutzt. Man verstand sich gut mit dem dortigen Pfarrer Georg Neumann. Der Pfarrer „frisst und säuft mit ihnen hilft auch das geraubte Gut zu vertuschen“, schrieb der Angermünder Probst 1638 in einem Bericht für seine Diözese über den Pfarrer. Pfarrer Neumann war nicht der einzige, der sich so verhielt und mit den Plünderern gemeinsame Sache machte. Ein anderer Pastor ließ seine Knechte als Soldaten getarnt, an den Plünderungen teilhaben. Während der Probst die Vorkommnisse im Namen der Kirche überprüfte, wurde auch seine Kutsche von Soldaten geplündert.
Der Dreißigjährige Krieg war ein Religions- und Staatenkonflikt, dessen Folgen für die betroffenen Gebiete verheerend waren. Auch in der Brandenburger Gegend ging es drunter und drüber, wie ein frisch erschienener Tagungsband schon in seinem Titel „Halb Europa in Brandenburg. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen“ verrät. Es wurde geplündert, vergewaltigt und gemordet. „Weiber und Jungfrauen wurden auf den Gassen geschändet, wie das Vieh“, schreibt ein Zeitgenosse. Derselbe berichtet auch von Schändungen „unschuldiger und redlicher Kinder“. Als 1618 der Krieg mit dem „Prager Fenstersturz“ ausbrach, blieb es in Brandenburg zunächst relativ ruhig. Erst nach acht Jahren begann der Krieg auch dort richtig. 1626 kamen die Dänen, die in Norddeutschland eine Basis für den Kampf gegen die andere protestantische Großmacht Schweden schaffen wollten. Tangermünde in der Altmark wurde ihre Militärbasis. Die Uckermark wurde im Verlauf der Krieges mit am stärksten in Mitleidenschaft gezogen und stark zerstört. Hier durchziehende und lagernde Heere plünderten was sie konnten und forderten ihren Tribut. Es machte diesbezüglich für die Dorfbewohner kaum einen Unterschied, ob Freund oder Feind durchzogen. Der Kurfürst wechselte mehrfach die Seiten, was ihm jedoch wenig nutzte. Er war nicht der einzige der Herrscher, der das tat, weshalb die Fronten unübersichtlich wurden. Die Söldner wechselten auch aus pekuniären Gründen öfters die Seiten. Freunde und Feinde änderten sich also häufig. Es war eine sehr unübersichtliche Gemengelage, die nicht unbedingt etwas mit der unterschiedlichen Religion zu tun haben musste, sondern machtpolitischen Interessen geschuldet war. Kroatisch, schottische und andere Söldnerheere marodierten durch die Gegend. Als das Heer Gustav Adolfs von Schweden nach der Landung auf Usedom 1630 auch Brandenburg besetzte, wurde es nicht besser. Ganz im Gegenteil, denn nun wurde besonders heftig gewütet. Die gesamte Mittelmark wurde fast völlig verwüstet. „Das schwedische Königreich (…) war ein multi-ethnisches und multi-linguales Reichsgebilde entlang der Küsten der Ostsee.“ und stritt mit Dänemark um die politische Vorherrschaft im Ostseeraum. Protestanten gegen Protestanten also. 1631 schlug das schwedische Heer unter Gustav Adolf nördlich von Leipzig die Truppen der katholischen Liga unter Tilly und marschierte unaufhaltsam weiter nach Süddeutschland. Das Wiegenlied „Schlaf Kindlein Schlaf“ gab es schon damals, mit anderem Text: „Bet, kindchen, bet! / morgen kommt der Schwed‘, / morgen kommt der Oxenstern, / wird den Kindern beten lehr’n / Bet, kindchen, bet!“ Mit „Oxenstern“ war Axel Oxenstierna gemeint, der - nach dem Tod Gustav Adolfs in der Schlacht in Lützen - die Regierungsgeschäfte führte. Besonders die Menschen in den Dörfern hatten unter den brandschatzenden Söldnerhaufen zu leiden. Die ständigen Durchmärsche der Heere, die einquartiert und versorgt werden wollten, führten zu Hungersnöten, Pestwellen und Massenflucht. Der Wiederaufbau der Mark Brandenburg sollte sich als äußerst langwierig erweisen. Sie gehörte zu den am stärksten vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Gebieten. Arbeitslose Söldner trieben dort auch Jahren nach dem „Westfälischen Frieden“ 1648 ihr Unwesen. Die währenddessen erlittenen Traumata prägten die Erinnerungskultur der nachfolgenden Generationen. Ernst Reuß Matthias Asche (Hg.), Marco Kollenberg (Hg.), Antje Zeiger (Hg.), Halb Europa in Brandenburg. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen, 244 Seiten, 60 Abb., Klappenbroschur, teils farbige Abbildungen, Lukas Verlag, Berlin 2020, Preis 20 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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