Der ukrainische Nationalist Stepan Bandera, der sich im Zweiten Weltkrieg mit Hitler verbündete, gilt im Osten des Landes, sowie in Polen, Russland und Israel als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher. Im Westen der Ukraine wird er dagegen von vielen Einheimischen als Nationalheld und Märtyrer hochgeschätzt. Dort gibt es nach ihm benannte Straßen und Denkmäler. 2009 wurde er sogar mit einer Briefmarke geehrt. 50 Jahre zuvor war er in München ermordet worden. Sein Münchner Grab ist noch heute eine Pilgerstätte für viele ukrainische Nationalisten.
Ermordet wurde er von einem KGB-Agenten, der anschließend in den Westen flüchtete und sich den westlichen Geheimdiensten als Informant anbot. Obwohl er eigenhändig die Tat beging, wurde er nur wegen Beihilfe verurteilt, was Juristen bis heute beschäftigt. „Der „sympathisch wirkende“ 30-jährige Staschynskij war im KGB in der „Abteilung für Terrorakte im Ausland“ beschäftigt. Ja, tatsächlich. So etwas gab es in Zeiten des Kalten Krieges! Trotz des sehr bürokratisch klingenden Namens der Abteilung in der Staschynskij ein kleiner Angestellter war, war er auf „gut deutsch“ nichts anderes als ein gedungener KGB – Killer. 1957 erhielt er den Auftrag einige als störend empfundene Exilpolitiker, nämlich führende Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten und des russischen Nationalen Bundes der Schaffenden zu liquidieren. Dafür wurde er nach Ost - Berlin beordert. Auftragsgemäß und zügig tötete er schon im Herbst 1957 Lew Rebet vom „Nationalen Bund“. 1959 „erledigte“ er dann Stepan Bandera, den Vorsitzenden der Ukrainischen Nationalisten, der in Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang mit Hitler paktiert hatte. Es hatte jeweils nicht unbedingt nach Mord ausgesehen: Rebet wurde am 12. Oktober 1957 im Treppenflur am Münchner Karlsplatz tot aufgefunden. Der unter dem Pseudonym Stefan Popel in München lebende Bandera wurde zwei Jahre später am 15. Oktober 1959 ebenfalls in einem Münchner Treppenflur tot aufgefunden. Bei Rebet wurde Herzschlag als Todesursache vermutet, bei Bandera glaubte man an Selbstmord.“ (aus: Reuß, Ernst, Mord? Totschlag? Oder was? Bizarres aus Deutschlands Strafgerichten, Leipzig, Militzke, 2014, S. 24) Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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