Hansgeorg Bräutigam leitete die Justizpressestelle und war auch später als Vorsitzender Richter des Berliner Landgerichts nah dran an spektakulären Prozessen. Drei davon hat Bräutigam, der später über Erich Honecker urteilte, herausgepickt und beschreibt diese in seinem Buch „Terroristen vor dem Kammergericht“.
Drei Prozesse aus den Jahren 1972, 1978 und 1993. Zwei Prozesse gegen Mitglieder der „Bewegung 2. Juni“ beziehungsweise gegen Mitglieder der „RAF“ und ein Prozess gegen ein vermeintliches Terrorkommando des iranischen Khomeini Regimes, dem sogenannten „Mykonos-Prozess.“ Spektakuläre, umstrittene Prozesse mit erheblichen Auswirkungen auf Innen- und Außenpolitik. Laut taz ist Bräutigam: „ein strammer Konservativer mit autoritären Neigungen und einschlägiger Berufspraxis gegen links“, der sich „bruchlos in die unangenehm - deutsche Traditionslinie politisch unterfütterter Rechtsprechung“ einzufügen scheint. Ob dem wirklich so ist, lässt sich anhand des Buches nicht beurteilen. Seine Ansichten sind jedoch eher konservativ und die Auseinandersetzung mit der Urteilsfindung eher weniger kritisch, anders als bei der Beurteilung von Anwälten. Angesichts des Horst Mahler Prozesses 1972, lässt der Autor an den ehemals linken Rechtsanwälten Hans-Christian Ströbele und Otto Schily kein gutes Haar. Mehrfach erwähnt er Schilys „schneidende Stimme“. Er schreibt: „Schily trug mit kalter, schneidender und manchmal mit ironischer Schärfe ein buntes Gemisch von begründeten und unbegründeten Anträgen vor, wobei er ständig zu den Journalisten und Zuschauern blickte, wie um von der Öffentlichkeit Beifall zu erheischen.“ Bräutigam trauert dem früheren Prozessklima hinterher, „das noch Anfang der 60er Jahre von der stillschweigenden Übereinkunft zwischen Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern geprägt war, einen fairen Prozess führen zu wollen.“ Als Pressesprecher muss man das wohl so sehen, als kritischer Beobachter der Justiz kann man das auch anders sehen. Zweifel an der Fairness einiger Prozesse hatten damals auch bekannte Juristen, genauso wie zuvor der an den alten Seilschaften in der Nachkriegszeit verzweifelnde Fritz Bauer. Man kann es daher auch als erfreulichen Fortschritt ansehen, dass es Anwälte gab, die diese „stillschweigende Übereinkunft“ durchbrachen. Ernst Reuß Hansgeorg Bräutigam: „Terroristen vor dem Kammergericht. Drei Berliner Strafprozesse nach 1968“. BerlinStory Verlag, Berlin 2020, 142 S., 16,95 Euro Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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