Der 1924 geborene Walter Fantl ist ein österreichischer Überlebender des Holocaust. Das Buch „Überleben“ von Gerhard Zeillinger zeigt seinen Lebensweg auf, beginnend mit der Ausgrenzung der Familie, die zuvor als integraler Bestandteil des nicht weit von Wien entfernten Ortes Bischofstetten hoch angesehen war und nun nach Wien ziehen musste, wo der Vater verzweifelt und letztendlich vergeblich versuchte, einen der raren Emigrantenplätze in die USA zu bekommen.
Seine Eltern hatten zuvor ihr Haus und ihren Krämerladen mit Waren aller Art unter Wert verkaufen müssen. Eine tragische Geschichte, denn auch in Wien beginnen nun die unbarmherzigen Transporte. Straßenzug für Straßenzug wird von Juden, die es nicht mehr rechtzeitig geschafft haben zu emigrieren, „gesäubert“. 1942 wurde er mit Eltern und Schwester nach Theresienstadt deportiert. Kurt Gerron, der deutsche Schauspieler und Regisseur, inszenierte für die SS den angeblich dokumentarischen Propagandafilm mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“. Im Film schien es dort wie auf einer Kur zu sein, dem war jedoch nicht so. Nach Abschluss der Filmarbeiten wurden Kurt Gerron und die meisten prominenten Mitwirkenden nach Auschwitz transportiert und vergast. 1944 kam auch Walter mit seinem Vater nach Auschwitz. Der Lagerarzt Mengele selektierte sofort nach Zugankunft und schickte den jüngeren Walter nach rechts, während sein Vater nach links geschickt wurde. Das war das letzte Mal, dass er ihn sah. Walter fragte später einen Kapo, wo sein Vater sei und der zeigte mit der Hand auf einen der Schornstein und sagte: „Siehst du den Rauch? Das ist dein Vater.“ Das Buch heißt im Untertitel: „Der Gürtel des Walter Fantl“, weil dieser Gürtel das einzige war was ihm von seinem früheren Leben übrigblieb und an den er sich als Überlebenssymbol klammerte. Heute ist der Gürtel für ihn ein Stück Erinnerung an die dunkelste Zeit seines Lebens. Zu den ursprünglich sechs Löchern im Gürtel kamen während der Zeit in Theresienstadt drei Löcher dazu. In Auschwitz gab es nochmal fünf unfachmännisch hineingestanzte Löcher extra. Walter Fantl war in Auschwitz bis auf die Knochen abgemagert und wog nur noch 37 Kilo. Wie er später erfährt, sind Schwester und Mutter auch nach Auschwitz deportiert worden. Die Schwester starb zwei Tage vor der Befreiung an Typhus, die Mutter wurde wahrscheinlich wie ihr Mann gleich nach der Ankunft „vergast“. Im Sommer 1945 kommt er wieder nach Bischofstetten und wird mit den Worten begrüßt: „Ach Walter, hast du eine Ahnung, was wir hier mitgemacht haben!“ Ernst Reuß Gerhard Zeillinger, Überleben, Der Gürtel des Walter Fantl, Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten, Kremayr & Scheriau Wien 2018, 22 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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