"Dr. Tod" ist ein Buch über die Suche nach einem SS-Mörder, der nie gefasst wurde. Ein Mietshaus in Berlin hatte ihm die Flucht finanziert. Spannend geschrieben. Lässt aber einige Fragen offen.
er Ein Zitat: „Empört, betroffen und erschüttert.» Mit diesen Worten beschrieben Bewohner der Tile-Wardenberg-Straße 28 ihre Reaktion, als sie erfuhren, was mit ihren Mietzahlungen geschah. «Ich kann es nicht fassen, dass ich die Flucht eines Nazi-Verbrechers finanziere», sagte eine Mieterin dem Berliner Tagesspiegel Die Fernsehserie Holocaust und die Medienberichterstattung darüber hatte die NS-Verbrechen erneut ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gerückt.“ (aus: Kulish/ Mekhennet, Dr. Tod, Die lange Jagd nach dem meistgesuchten NS-Verbrecher, 2015. 352 S., 24,95 € )
Fotos © Privatarchiv Martin-Heinz Ehlert
Die 1899 geborene Lilli Henoch war Mitglied des Berliner Sport-Clubs und in den zwanziger Jahren eine der bedeutendsten Leichtathletinnen weltweit. Sie wurde zwischen 1922 und 1926 in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung sowie mit der 4-mal-100-Meter-Staffel des BSC zehnfache Deutsche Meisterin und stellte vier Weltrekorde auf. Daneben war sie auch im Hockey und Handball ein Star und übernahm später die Leitung der Damenabteilung des Klubs. Noch 1929 hatte man Lilli Henoch in der Vereinszeitung lauthals gerühmt: „Wenn jemals ein Beispiel an Klubtreue und Uneigennützigkeit gebraucht wird, dann ruft ihren Namen. Und die Luft muss rein um uns werden“.
Nur vier Jahre später – kurz nach der Machtergreifung der Nazis - wurde sie aus dem Berliner Sport Club kommentarlos ausgeschlossen. Am 5. September 1942 wurde die vielgerühmte Sportlerin mit dem 19. „Judentransport“ gemeinsam mit ihrer Mutter in den Osten deportiert. Acht Kilometer vor Riga wurde Lilli Henoch zusammen mit allen anderen Insassen des Zuges in ein Waldgebiet geführt und erschossen. Der geschichtsinteressierte Martin-Heinz Ehlert, ein Mitglied des BSC Berlin, entriss sie erst viele Jahrzehnte später dem Vergessen, indem er ihre Geschichte recherchierte und veröffentlichte. Ernst Reuß Zurzeit gibt es eine Ausstellung zu Lilli Henoch und anderen jüdischen Sportstars. Mehr dazu hier:
Das Buch, das noch keinen deutschen Verlag gefunden hat. Ein Zeugnis, dass es so noch nicht gab. Ein Zeitzeuge, der sich selbst nicht schont.
er Der Autor überlebte die Massenvernichtung wie durch ein Wunder, wurde Partisan, dann Soldat in der Roten Armee, war im April 45 dann in Berlin und danach Übersetzer in Neuruppin, wo er einen Nazi erschoss, was ihn in den Gulag brachte. Buchrückentext: „Bialystok, im Sommer 1941: An einem Samstagabend begleitet Jacob Shepetinski seine Freundin nach Hause und kehrt beschwingten Herzens ins Haus einer Tante zurück. Mitten in der Nacht wird er durch Explosionen und Gewehrfeuer geweckt. - der deutsche Überfall hat begonnen. Sein Leben verändert sich von Grund auf: Er kommt ins Ghetto, wo ihm ein deutscher Unteroffizier das Leben rettet, überlebt - wie durch ein Wunder - eine Massenerschiessung, kriecht nachts aus der Grube und flieht zu den Partisanen in die umliegenden Wälder. Er wird Soldat der Roten Armee, marschiert 1945 nach Berlin. Doch kaum ist der Krieg vorbei, wird er im stalinistischen Russland zu zehn Jahren Gulag verurteilt, kommt hinter den nördlichen Ural, dann fünf Jahre in die Verbannung. Endlich frei hält Jacob Shepetinski, zweimal dem sicheren Tod entkommen, als "Delegierter dieser Toten" seine Erinnerungen fest - bewegend, nüchtern packend.“ Jacob Shepetinski, Jahrgang 1920, wurde in den damals polnischen Slonim geboren, das heute in Weissrussland liegt. Inzwischen lebt er in Israel. JACOB SHEPETINSKI, Die Jacobsleiter. Erinnerungen eines Shoa- und Gulag-Überlebenden, Zürich 2005.
Besonders erschütternd auch die Berichte nach der Flucht aus Sobibór und nach der Befreiung durch die Rote Armee. Er war wieder in seinem Heimatort.
Ein Ausschnitt aus dem Buch: „Etwa zwei Wochen später klopfte jemand an die Tür der Bäckerei und verlangte Einlaß. Frau Krölikowski kam mit wirrem Haar herunter. »Toivi«, sagte sie keuchend, »lauf auf den Dachboden.« Da ich solche Notfälle gewohnt war, fragte ich nicht erst lange nach, sondern versteckte mich innerhalb von Sekunden im hintersten Winkel des Dachbodens. Unten ging die Tür auf, und ich hörte fremde Stimmen. Dann ging die Tür wieder zu. (…) Sobald Frau Krölikowski verschwunden war, rief mich Piasecki zu sich und sagte: »Lauf von hier weg, Toivi, und verlier keine Zeit, sonst ist es zu spät.« Er sagte, es gebe keine Juden mehr in Izbica. Fremde hatten sich in den jüdischen Häusern einquartiert, die gar nicht daran dachten, sie wieder herzugeben. In kleinen Städtchen wie Izbica seien die wenigen Juden, die zurückgekehrt waren, nicht sicher, und es seien sogar schon welche umgebracht worden. »Sie suchen dich, sie suchen dich überall. Lauf, lauf nach Lublin, bevor es zu spät ist«, wiederholte er.“ (Thomas T. Blatt, Nur die Schatten bleiben, Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór, Berlin 2009, S. 295 f.)
Sehr lesenswert.
Besonders das Gespräch mit einem seiner Peiniger Karl Frenzel auf Seite 328 ff. Ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch: „Das war's also. Wir würden in den Gaskammern umgebracht werden oder durch Elektroschock, wie einige von uns glaubten. Dies waren unsere letzten Schritte im Leben. Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel, die Vögel zwitscherten. Es war ein so wunderschöner Frühlingstag - der 28. April 1943. Ich wollte nicht sterben. »Halt! Männer nach rechts, Frauen und Kinder nach links!« brüllte der SS-Mann. Einige Jungen in meinem Alter blieben bei ihren Müttern. Mein zehnjähriger Bruder ließ meinen Vater stehen und ging hinüber zu meiner Mutter, deren Hand ich noch immer hielt. Hatte ich eine Chance? Ich mußte mich entscheiden ... Ich lehnte mich hinüber und küßte meine Mutter rasch auf die Wange. Ich wollte etwas sagen, denn mir war klar, daß wir für immer auseinandergingen. Aber aus Gründen, die ich noch heute nicht verstehe, sagte ich völlig unvermittelt zu meiner Mutter: »Und ich durfte gestern die Milch nicht austrinken. Du wolltest unbedingt noch welche für heute aufheben.« Langsam und traurig wandte sie sich zu mir und sah mich an. »An so etwas denkst du in so einem Augenblick?« Noch heute verfolgt mich diese Szene, und ich bereue meine sonderbare Bemerkung. Wie sich zeigen sollte, waren das meine allerletzten Worte an sie. Ich würde alles geben, um jenen Augenblick noch einmal heraufbeschwören zu können, um es anders zu machen, sie zu umarmen und ihr zu sagen, daß ich sie liebe, aber 1943 waren wir längst zu Automaten geworden, zu seelenlosen Schatten. Ich weinte nie. Darüber war ich hinaus.“ (Thomas T. Blatt, Nur die Schatten bleiben, Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór, Berlin 2009, S. 11 f.)
Bereits im Sommer 1944 wurde im noch nicht befreiten Polen von befreiten Juden eine Kommission gegründet, die es sich zur Aufgabe machte, Erinnerungen zu sammeln und den faschistischen Massenmord an den Juden wissenschaftlich aufzuarbeiten. Der in einem Versteck in Lemberg vor den Nazihäschern untergetauchte renommierte Wissenschaftler Philip Friedman konnte sich auf etwa hundert Mitarbeiter stützen. Sie interviewten 7000 Shoah-Überlebende. Die Zentrale Jüdische Historische Kommission konnte so in 39 Büchern und Broschüren, in jiddischer und polnischer Sprache verfasst, den Genozid bereits frühzeitig exakt dokumentieren – die Grundlage für eine spätere Verurteilung von namentlich bekannten Tätern.
Nunmehr ist auf Deutsche aus diesem historischen Schatz eine Auswahl von zwölf Texten erschienen, die zwischen 1944 und 1947 entstanden sind. Authentische Zeugnisse eines unvorstellbaren Grauens. Die hier berichteten Schicksale und zitierten Tagebucheinträge sind bedrückend, die Lektüre der Gewaltexzesse schwer erträglich. Die Berichte zeugen von der systematischen Vorgehensweise der deutschen Antisemiten. Ein Tagebuchschreiber notierte: »Die Deutschen haben zuerst begonnen, uns Juden von unseren Vermögen (Kontribution) zu befreien, dann von unserer Freiheit (›Ghetto‹) und schließlich von unserem Leben (›Aktionen‹).« Zunächst wurde die jüdische Bevölkerung Polens in Ghettos gezwungen und dort ausgehungert; wer überlebte, wurde der »Endlösung« zugeführt, wie es im NS-Jargon hieß. Berichtet wird die Liquidierung des Wilnaer Ghettos und die fälschliche Annahme des Bialystoker »Judenrates « die Mehrheit der Ghettobevölkerung zu retten, wenn man einige tausend Menschen der SS auslieferte. Angeprangert wird eine Leipziger Firma, die Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen ausbeutete, ohne Schutzmaßnahmen mit giftigen Säuren hantieren ließ und deren massenhaften Tod billigend in Kauf nahm. Erinnert wird an den Aufstand im Warschauer Ghetto sowie im Vernichtungslager Sobibór, dem einzigen in einem KZ. Philip Friedmann informiert über die Vernichtung der Juden in Lemberg und die spätere Schriftstellerin Rachel Auerbach über Treblinka. Zumeist jedoch sind es einfache Menschen, die hier Zeugnis ablegen. Ber Ryczywól überlebte dank seiner Schwejkschen Art und einer gehörigen Portion Bauernschläue und Glück, er verlor jedoch seine Familie. Abraham Krzepicki gelang es 1943, aus Treblinka zu fliehen und ins Warschauer Ghetto zurückzukehren, wo er später als einer der mutigen Aufständischen fiel. Seine Aufzeichnungen aus Treblinka sind 1950 von Bauarbeitern in einer Warschauer Ruine gefunden worden. Berek Freiberg war 14 Jahre alt, als er in das Todeslager Sobibór kam; er gehörte zu den Häftlingen, denen während des Aufstandes die Flucht gelang. Szymon Datner, der spätere Direktor des historischen Instituts in Warschau, dessen Familie im Ghetto Bialystok umkam, beschreibt den hilflosen Versuch der Ghettobewohner, sich gegen die Mörder zu wehren. Sein Bericht vom 3. Dezember 1945 endet mit den Worten: »Ich bin der festen Überzeugung, dass der Deutsche kein Mensch ist.« In der Tat kann man zu solch einem Urteil gelangen, wenn man liest, wie deutsche »Einsatzgruppen « Jagd auf Menschen machten und eine sadistische Freude empfanden, die Bedrängten zu erschlagen oder von Hunden zerreißen zu lassen. Und wie deutsche Wachmannschaften kaltherzig die Opfer verhungern ließen oder in die Gaskammern trieben. »Blutrünstig, grässlich und entartet war die wahre Seele des Lagers«, notierte ein ehemaliger KZ-Häftling. Ein SS-Mann habe sich »darauf spezialisiert, Häftlinge Kopf an Kopf aufzustellen und mehrere Köpfe mit nur einer Patrone zu durchschießen. Am liebsten zerstückelte er jedoch Menschen bei lebendigem Leib.« Ein anderer Überlebender erzählte, dass auch die Gattinnen von SS-Offizieren sich am »Schießwettbewerb« auf Häftlinge beteiligten, auf deren Drillich man zuvor mit weißen Kreisen das »Ziel« aufmalen ließ. In den Archiven des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau liegen weitere bisher unveröffentlichte Manuskripte der Zentralen Jüdischen Historischen Kommission, die in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre unter schwierigen Bedingungen den Grundstein für die Holocaustforschung legten. Auch diese Texte sollten auf Deutsch erscheinen. Ernst Reuß Frank Beer/Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.): Nach dem Untergang. Die ersten Zeugnisse der Shoah in Polen 1944 - 1947. Metropol. 656 S., br., 29,90 €.
Als ein in der Bundesrepublik sozialisierter Mensch hörte und las man immer wieder über die Vergewaltigung deutscher Frauen und Mädchen durch Soldaten der Roten Armee. Zu Zeiten des Kalten Krieges galt »der Russe« prinzipiell als böse. Wer auf Gräueltaten deutscher Landser verwies, sah sich mit der Frage konfrontiert, was man wohl sagen würde, hätte »der Russe « die Freundin vergewaltigt. Miriam Gebhardt bricht ein jahrzehntelanges Tabu, berichtet über Vergewaltigungen zu Kriegsende, die es auch in den westlichen Besatzungszonen gegeben hat.
Im Vorwort schreibt sie »Nach meinen Berechnungen wurden mindestens 860 000 Frauen (und auch etliche Männer) im Nachkrieg vergewaltigt. Mindestens 190 000 davon, aber vielleicht auch mehr, erlebten die sexuelle Gewalttat durch einen amerikanischen Armeeangehörigen, andere durch britische, belgische oder französische Soldaten. Von diesen Opfern wurde nie gesprochen. Denn so wie die DDR die Untaten des ›Großen Bruders‹ im Osten unter den Teppich kehrte, so verschwieg die westdeutsche Gesellschaft die Übergriffe der demokratischen Befreier.« Im ersten Kapitel »Berlin und der Osten – Chronik eines angekündigten Unheils« berichtet Miriam Gebhardt von der in der deutschen Bevölkerung nachhaltig wirkenden Nazipropaganda und der daraus resultierenden weit verbreiteten Angst vor der »bolschewistischen Bestie«, die ganze deutsche Familien in den Selbstmord trieb. Die Übergriffe von Angehörigen der schließlich in Berlin einmarschierenden Roten Armee trugen nicht gerade dazu bei, Goebbelsche Schauermärchen zu entkräften. Für viele geschändete Frauen im Osten musste da das Wort »Befreiung « wie Hohn geklungen haben. Im folgenden Kapitel »Wer schützt uns vor den Amerikanern?« klagt die Autorin deren sexuelle Übergriffe an. Als erste waren bereits kurz nach der Landung in der Normandie Anfang Juni 1944 französische Frauen betroffen, also Angehörige einer im Kampf gegen Hitler verbündeten Nation. Die Verbrechen blieben nicht immer ungesühnt, wurden teils drakonisch bestraft. Miriam Gebhardt weiß von 45 US-amerikanischen Soldaten, die während des ersten Jahres nach dem D-Day in Frankreich gehängt wurden. Das Kapitel »Schwanger, krank, verfemt« beschreibt eindrücklich das Leid vergewaltigter Frauen, vielfach auch noch Jahre nach der Tat. Anträge auf Abtreibungen und Ausgleichszahlungen wurden von mitleidslosen männlichen Beamten akribisch ausgewertet. Die zeitweilig zuständige US-amerikanische Militärbehörde befand, dass die Vergewaltigung durch einen GI kein ausreichender Grund für eine Abtreibung sei. Für viele Frauen blieb daher nur der Gang zu einer »Engelmacherin « mit häufig katastrophalen Folgen. 1956 gab es in den westlichen Zonen offiziell 3200 »Vergewaltigungskinder «. Im Abschlusskapitel beschäftigt sich Miriam Gebhardt mit den psychischen Folgen für die Opfer. Sie versucht, sich auch in die Psyche der Täter hineinzudenken, die durch schreckliche Kriegserlebnisse verroht waren. Sodann analysiert sie das jahrzehntelange Schweigen über dieses Kapitel Nachkriegsgeschichte und spricht von einer kollektiven Traumatisierung, die noch heute in Familien nachwirkt. Anschaulich und interessant werden ergreifende Schicksale beschrieben und wissenschaftlich kundig eingeordnet. Trotz des traurigen Themas ein lesenswertes Buch. Ernst Reuß Miriam Gebhardt: Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutsche Verlags-Anstalt, München. 352 S., geb., 21,99 €.
Ein äußerst empfehlenswertes Buch!
Valentina Freimane, Adieu, Atlantis, Erinnerungen, Aus dem Lettischen von Matthias Knoll, € 22,90 (D) | € 23,60 (A), lieferbar, 341 S., 46 Abb., geb., Schutzumschlag, 12 x 20 ISBN: 978-3-8353-1603-4 (2015) Daraus drei Zitate: „Und dann kam der Tag, an dem meine Eltern ins Ghetto gehen mussten. Natürlich stand auch ich auf der Liste, und der redliche Hausmeister Obolevics trug denn auch ins Hausbuch ein: »Alle drei ins Ghetto gegangen.« Ich erinnere mich an das letzte Gespräch mit meiner Mutter. Wir saßen in der Küche, und ich weinte hemmungslos. Mama konnte solche Gefühlsausbrüche nicht leiden, und ich hatte längst gelernt, mich zu beherrschen. Doch in diesem Augenblick vermochte ich es nicht. Mir kommt es bis heute so vor, als sei meine Mutter noch nie so schön gewesen wie an jenem Tag, als ich sie zum letzten Mal sah. Völlig ruhig saß sie auf dem Küchenstuhl wie eine Königin auf dem Thron. Sie war zweiundvierzig Jahre alt, wirkte jedoch viel jünger. Uneingeweihte hielten sie oft für meine ältere Schwester. Vater war älter als sie, Ende vierzig, ein Mann in den besten Jahren.“ (Valentina Freimane, Adieu Atlantis, S. 237) „Ich glaube, dass alle meine Toten - die Menschen, die ich liebte und die mich geliebt haben -, wo immer sie jetzt auch sein mögen, sich freuen, dass ich noch lebte. Ich weiß nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Wenn ja, dann bin ich überzeugt: sie schauen von dort mit Wohlwollen auf mich. Ich empfinde keine Schuld, sondern Verantwortung ihnen gegenüber. Ich bemühe mich, mein Leben anständig zu leben, weil ich es auch an ihrer statt lebe. Schuldig würde ich mich nur dann fühlen, wenn ich mein Leben vergeudet hätte.“ (Valentina Freimane, Adieu Atlantis, S. 288 f.) „Schon von klein auf hatte ich französische Romane und verschiedene psychologische Abhandlungen gelesen und fühlte mich bestens für alles gewappnet, was mit Liebe und zwischengeschlechtlichen Beziehungen zu tun hatte. Sobald mir die nie gekannte, berauschende Macht über die jungen Männer in meiner Nähe verliehen war, machte ich sogleich Gebrauch von ihr, um bestimmte Aspekte des theoretischen Wissens in der Praxis auszuprobieren. Dies geschah mit der Gründlichkeit einer Forscherin, ganz so als würde ich eine spannende Untersuchung im Labor betreiben. Ich war wirklich überrascht, wie leicht die Manipulationen mit den Versuchskaninchen gelangen und wie vorhersehbar sie reagierten, wenn ich die aus Romanen und Theaterstücken abgeschauten weiblichen Taktiken anwandte. Es war eine Zeit, in der ich das männliche Geschlecht zu verachten begann (später wurde ich verständnisvoller).“ (Valentina Freimane, Adieu Atlantis, S. 138) |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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