Jens Ebert, schrieb in Krieg und Literatur XVII auf Seite 139 ff.:
„Das Thema Kriegsgefangenschaft ist ein bis in die Gegenwart politisch umstrittenes. (…) Zahllose Bücher zu diesem Thema also gibt es. Neben (seriösen) wissenschaftlichen Untersuchungen und handelt es sich jedoch sehr häufig um Biografien, Erinnerungen oder persönliche Erörterungen, die bei Druckkostenzuschussverlagen oder im Selbstverlag erschienen sind und oft unreflektiert und wenig kenntnisreich Geschichte vermitteln. Hinzu kommt, dass bei solcherart entstandenen privaten Publikationen in der Regel kein oder kein gründliches Lektorat stattfindet. Ganz anders das Buch von Ernst Reuß Kriegsgefangen im 2. Weltkrieg. Auch der Zugang dieses Autors ist ein privater, aber ein besonderer: Er recherchierte aus anfänglich persönlichem Interesse die Geschichte seiner Großväter, die sehr unterschiedliche, geradezu konträre Erfahrungen mit dem Thema Kriegsgefangenschaft gemacht hatten. Über die hinterlassenen autobiographischen Zeugnisse, z. B. Feldpostbriefe, hinaus bemüht sich Reuß um eine Rekonstruktion des Kriegserlebnisses und des Kriegsalltags seiner Großväter. Der eine, gleichen Namens wie der Autor, wurde nach einer »normalen« NS-Karriere (HJ, SA, DAF, NSDAP) 1940 Leiter eines Lagers für Kriegsgefangene verschiedenster Nationen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde er nach Winniza in der Ukraine versetzt. Obwohl weit hinter der Front eingesetzt, muss »auch Ernst Reuß, der in der Nähe des Stalags untergebracht war, [...] von den Erschießungen und den Gräueltaten gewusst haben«. Im Krieg war es verboten, über solche Ereignisse in den Briefen in die Heimat zu schreiben. Nicht jeder hielt sich daran, Ernst Reuß schon. »Bilder und Briefe aus jener Zeit sprechen eher von einem Abenteuer.« Doch auch nach dem Krieg erzählte der Großvater nichts. Der andere Großvater, Lorenz Gerhard, war zwar kein Anhänger des NS-Regimes, aber auch kein Gegner, eher unpolitisch. 1942 wurde er zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront im Süden geschickt. Nach einer schweren Verwundung Mitte 1943 wurde er in der Heimat eingesetzt und hoffte, dass es auch in den letzten Kriegsmonaten dabei bliebe. Er will nicht auffallen und schreibt Anfang 1945 an die Familie: Der Krieg wird und kann ja nicht mehr lange dauern, wies dann weitergeht, bin ich ja noch gespannt. Morgen Dienstag sollen noch viele Beförderungen herauskommen, da ja auch der 30. Januar ist! Hoffentlich bin ich nicht dabei, denn das würde mir keine Freude machen. Einen Orden bekommt er nicht, jedoch einen Einsatzbefehl für den »Endkampf«. Im April 1945 geriet er bei Cottbus in sowjetische Gefangenschaft. Wie der Zufall es wollte, kam er genau in jenes Lager, in dem der Vater seines späteren Schwiegersohns - Ernst Reuß - vor kurzem noch in der Kommandantur tätig gewesen war. Die Sowjetarmee nutzte, wie seinerzeit üblich, das von den Deutschen verlassene Lager in Winniza nun für ihre Zwecke. Angeregt von dieser gleichsam novellistischen Begebenheit, bemüht sich der Autor um einen Vergleich der beiden Lagersysteme, der sehr zu Ungunsten des deutschen ausfällt. Die leider durchaus nicht seltene Geschichtsbetrachtung, die Verwaltungstätigkeit in deutschen Lagern einer wertfreien Betrachtung zu unterziehen, hingegen aber die Verhältnisse in sowjetischen Lagern als »Tragödie« zu beschreiben, ist die Sache dieses Autors nicht. Seinem Großvater Lorenz Gerhard, so berichtet er, erging es den Umständen entsprechend gut, wie Gerhard auch selbst in einer Karte des Roten Kreuzes im Juli 1945 berichtet. »Anders als zuvor um die sowjetischen Gefangenen in deutschen Lagern durfte sich das Rote Kreuz nun um die deutschen Gefangenen in den sowjetischen Lagern kümmern.« Um den vordergründigen und vorschnellen Wertungen eines Nachgeborenen zu entgehen, verschränkt Ernst Reuß die Geschichte seiner Großväter mit umfangreichem Material und vielen Untersuchungen zum »Leben« und Sterben in deutschen und sowjetischen Kriegsgefangenenlagern und diskutiert die laxe Bestrafung der Kriegsverbrecher in der Bundesrepublik. Zahlreiche Quellen, Daten und Dokumente zieht er heran, um Zeiten und Gegebenheiten zu beschreiben, worin leider zuweilen die spannende Doppelgeschichte etwas untergeht.“
Frank Schätzings Roman „Breaking News“ ist zwar kein historisches Sachbuch, aber ein spannender, faktenorientierter Roman mit fiktiver, teilweise hanebüchener Handlung.
Das Buch ist aber dennoch durchaus empfehlenswert für denjenigen, der fundierte Einblicke in das Wirrwarr im Nahen Osten und zur Entstehung des Staates Israel gewinnen will. |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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