In der Nacht vom 23. Juni auf den 24. Juni 1948 gingen in West-Berlin die Lichter aus. Ein im Ostsektor gelegenes Großkraftwerk, das West-Berlin mit Strom versorgt hatte, wurde abgeschaltet. Am frühen Morgen folgte dann die Unterbrechung des gesamten Versorgungsverkehrs auf Straße und Schiene sowie der Binnenschifffahrt zwischen Berlin und den Westzonen.
Der „Kalte Krieg“ erreichte in Berlin einen seiner ersten Höhepunkte. Die sogenannte Berlinblockade hatte begonnen. Auslöser dafür war eine Währungsreform gewesen. Da aus Sicht der Sowjetunion die Gründung eines separaten Weststaats gegen das Potsdamer Abkommen verstieß, in dem von Deutschland immer als Ganzem die Rede war, waren die Sowjets bereits am 20. März 1948 aus dem Alliierten Kontrollrat ausgetreten. Das Gremium – in dem das gesamte Deutschland betreffende Fragen geklärt werden sollten – tagte danach nie mehr wieder. Chaos war vorprogrammiert. Dadurch wurde nämlich auch die Arbeit der Alliierten Kommandantur in Berlin erheblich erschwert. Den Kommandanten gelang es immer seltener, eine Einigung über die verschiedenen Probleme zu erzielen. Eine Woche vor der Berlinblockade verließ die Sowjetunion schließlich auch die Alliierte Kommandantur. Das ganze Ausmaß der durch die Austritte der Sowjets entstandenen Probleme lässt sich anhand eines Berichts der kommunistischen Magistratsmitglieder gut nachvollziehen: „Praktisch ist Berlin heute in 4 Teile zerrissen, die voneinander isoliert zu werden drohen. Beschlüsse des Berliner Magistrats, die seinerzeit von der russischen Kommandantur genehmigt wurden, werden heute in der englischen und amerikanischen Zone unbeachtet gelassen oder umgestoßen, wobei den Bezirksbürgermeistern sogar mit Verhaftung gedroht wird, wenn sie diese Beschlüsse des Magistrats durchzuführen versuchen.“ Das politische Klima war noch rauer geworden. Jahrelange Verhandlungen der vier Siegermächte über eine gesamtdeutsche Währungsreform waren jedenfalls spätestens im Juni 1948 ergebnislos verlaufen. Die Reform wurde daher von den Westalliierten ohne Abstimmung mit der Sowjetunion durchgeführt. Am 20. Juni 1948 trat in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands – Berlin war aufgrund seines besonderen Status ausgenommen – die „Deutsche Mark“ an die Stelle der fast wertlosen „Reichsmark“. In Berlin erörterten die Finanzexperten der vier Mächte die spezielle Berliner Problematik ebenfalls, kamen aber auch hier zu keinem Kompromiss. Am 23. Juni 1948 wurde daraufhin in der Sowjetischen Besatzungszone und in Groß-Berlin ebenfalls eine Währungsreform durchgeführt, denn man befürchtete eine Überschwemmung der Sowjetischen Besatzungszone mit alten Beständen der Reichsmark. Die alten Reichsmarkscheine versah man zunächst mit briefmarkengroßen Aufklebern. Die in der Sowjetischen Besatzungszone eingeführte Währung sollte auch in West-Berlin gelten, was wiederum die westlichen Alliierten nicht gutheißen konnten. Tags darauf – also am 24. Juni – führten sie deswegen nun auch in den westlichen Sektoren Berlins die „Westmark“ ein. Banknoten der „Westmark“ wurden mit einem „B“ gestempelt und zur neuen Währung bestimmt. Im Gegensatz zu den Westalliierten, die die Ostmark in West-Berlin als Zahlungsmittel billigten, erkannten die Sowjets und Ost-Berlin die Westmark nicht an. Von nun an hatte man in Berlin zwei Währungen. Die Berliner sprachen von der „Bären-Mark“ und der „Tapeten-Mark“. Die sogenannte Ostmark – die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank – gelangte in Ost-Berlin erst später in Umlauf. Am 20. März 1949 wurde die westliche D-Mark schließlich das alleinige Zahlungsmittel in den Westsektoren. Die Uneinigkeit der ungleichen Alliierten, und damit eine Spaltung Deutschlands und Berlins, verfestigten sich immer mehr in neuen Strukturen und Institutionen. Mit der Berlinblockade wollte die Sowjetunion ihren Anspruch auf ganz Berlin demonstrieren und einen Rückzug der Westalliierten erzwingen. Die Regierungen der Westmächte standen vor der schwierigen Entscheidung, Berlin aufzugeben oder in der Stadt zu bleiben. Sie entschieden sich für Letzteres und errichteten eine Luftbrücke. Von nun an versorgten die sogenannten Rosinenbomber West-Berlin mit Lebensmitteln und anderen, zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur wichtigen Gütern. Die Sowjetunion verzichtete bei der Blockade allerdings auf die totale Belagerung der Westsektoren, auch wenn dies angesichts der Anzahl der von ihnen in und um Berlin stationierten Soldaten durchaus möglich gewesen wäre. Im Übrigen wurde der Handel zwischen West-Berlin und den östlichen Nachbarn sogar zunächst ausgeweitet. Die Sowjetunion versuchte so, in den Westsektoren größeren Einfluss zu erlangen. Beispielsweise brauchte die AEG im Monat 331 Tonnen Kohle, um eine 40-Stunden-Arbeitswoche aufrechterhalten zu können. Mit der Luftbrücke hatte die AEG nur zehn Tonnen erhalten. Den Rest besorgte sie sich daher ohne größere Probleme aus der SBZ. „Wandel durch Handel“ sozusagen. Die innerstädtischen Sektorengrenzen und der Weg ins östliche Umland blieben weitgehend passierbar. Zwar wurde der Güterverkehr unterbunden, nicht jedoch der Personenverkehr. Viele Berliner nutzten dies daher, um sich in Brandenburg mit allem zu versorgen, was zu erwerben oder zu tauschen war. 80 Prozent der Zugreisenden waren „Hamsterer“. Geschäftstüchtige Potsdamer organisierten mit Pferdefuhrwerken sogar einen Zubringerdienst zu ihrem Bahnhof. Sie beförderten Waren heran, welche die West-Berliner dann mit der S-Bahn säckeweise nach Hause schleppen konnten. Ein schwunghafter Handel und ein lukratives Geschäft. Andere Berliner nutzten die Tatsache, dass die Personenschifffahrt von der Blockade nicht betroffen war, und fuhren vom Westhafen nach Frankfurt an der Oder, um dort alles Mögliche einzukaufen. Auch wenn die Blockade durchlässig war - der US-Geheimdienst sprach von einem „anhaltenden erheblichen Güteraustausch“ - führte sie zu Entbehrungen in West-Berlin, und sie war vor allem ein Politikum. Das mit der Durchlässigkeit änderte sich im September 1948, als die Westalliierten die sogenannte Gegenblockade verhängten, die jegliche Geschäfte zwischen west- und ostdeutschen Firmen untersagte. Dringend benötigte Maschinen und Ersatzteile wurden daraufhin nicht mehr in die SBZ geliefert. Immer mehr Fabriken mussten dort ihre Produktion drosseln oder gar ganz einstellen. Geradezu widersinnig entwickelte sich die Ernährungslage. Die Sowjetunion versuchte, in West-Berlin Ansässige dazu zu bringen, sich im Osten registrieren zu lassen, um Lebensmittelkarten einzulösen. Nur relativ wenige West-Berliner – ungefähr 100 000 – gingen auf das Angebot ein. Trotzdem mussten die Ost-Berliner Behörden sich auf einen möglichen Ansturm vorbereiten. Mit Solidaritätsaktionen wurden die Länder der SBZ gezwungen, Kartoffeln, Getreide oder Gemüse nach Berlin zu liefern, obwohl in der Provinz gehungert wurde. Im Ostsektor Berlins quollen die Lager über, während die Versorgung der Menschen in der SBZ immer schlechter wurde. West-Berliner hatten eine höhere Tagesration als Ost-Berliner. Erheblich darunter lag wiederum die Ration der am meisten unter der Situation leidenden Bevölkerung in der SBZ. Nach den Wahlen zur vom Osten boykottierten Stadtverordnetenversammlung im Dezember 1948 verschlechterte sich die Situation für die West-Berliner allerdings noch einmal deutlich. Der „Ring um Berlin“ zog sich dichter zusammen, um „Hamsterfahrten“ und den Schwarzhandel zu erschweren. An den Sektorengrenzen wurden zunehmend Straßensperren errichtet, und zeitweise gab es nur noch vier offene innerstädtische Sektorenübergänge. Die Berliner Justiz hatte viel zu tun. Die zunehmenden sowjetischen Restriktionen veranlassten wiederum die Westalliierten, ihre Luftbrücke auszubauen – und zwar mit Erfolg. Das war wohl auch der Grund, warum man in Moskau letztendlich erkannte, dass die Fortsetzung der Blockade nicht zum angestrebten Ziel führen würde. Man begann unterdessen auf diplomatischer Ebene, einen Weg zur Aufhebung der Blockade zu suchen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Es dauerte allerdings noch einige Zeit, bis die sowjetischen Behörden die erforderlichen Anweisungen zur Aufhebung der Sperren zum 12. Mai 1949 erlassen konnten. Zwei verschiedene Währungen führten unter anderem bei der – auch während der Blockade – noch einheitlichen Justiz logischerweise zu besonderen Problemen. Strittig war beispielsweise, ob Gerichtskosten in Ost- oder Westmark zu zahlen waren. Der Präsident des in West-Berlin gelegenen Landgerichts, wies die ihm unterstehenden Gerichtsbehörden an, die Gerichtskosten nur in der Westwährung anzunehmen, was zur Folge hatte, dass eine Person, die nur über Ostmark verfügte, von der Rechtspflege nahezu ausgeschlossen war. Um den Missstand zu beheben, wurde schließlich rechtsverbindlich festgelegt, dass Gerichtskosten in beliebiger Währung bezahlt werden konnten. Problematisch waren auch die Gebührenansprüche der Rechtsanwälte. Es konnte durchaus vorkommen, dass die in derselben Sache tätigen Rechtsanwälte trotz Gebührenordnung verschiedene Vergütungen erhielten. Erst ein Beschluss des Kammergerichts vom August 1949 schuf Klarheit. Demzufolge waren die Anwaltsgebühren – in aller Regel – vor den Gerichten des Westsektors in Westmark, vor denen des Ostsektors in Ostmark zu entrichten. Da die Sowjets in ihrem Sektor nur die Ostmark als Zahlungsmittel anerkannten, wurde mit dem Befehl Nr. 111 ein neuer strafrechtlicher Tatbestand geschaffen und der Besitz von Westmark unter Strafe gestellt. Auch West-Berliner konnten somit bestraft werden, wenn sie mit der eigentlich für sie gültigen Westmark im Ostsektor bezahlten. Alles Probleme, die nach der endgültigen Spaltung von Berlin in West und Ost überwunden werden konnten, was aber wiederum ganz andere weltpolitische Probleme auslöste. Winston Churchill machte den Begriff „Eiserner Vorhang“ populär, der bald - spätestens mit dem Bau der Mauer - auch in Berlin gelten sollte. Ernst Reuß (vom Autor erschien 2022 das Buch „Endzeit und Neubeginn, Berliner Nachkriegsgeschichten“ im Metropol Verlag)
Etwas ausgesprochen interessantes kommt wieder aus dem Verlag „Das vergessene Buch“ aus Wien.
Ähnlich wie das Buch „Nazi-Führer sehen dich an“ von wbg, geht es um die Anfangszeit der Nazis und eine Sicht auf das Geschehen, das von damaligen Zeitgenossen damals so empfunden wurde und genau das macht die Bücher so spannend. Retrospektive Sichtweisen gibt es zuhauf. Dorothy Thompson, eine bekannte amerikanische Journalistin, traf Adolf Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof, dem ersten Luxushotel in Berlin, zum Interview. Es lag schräg gegenüber der Reichskanzlei im damaligen Berliner Regierungsviertel und wurde 1943 durch Bombeneinschläge zerstört. Seit vielen Jahren steht dort nun die Botschaft Nordkoreas. Das Interview führte sie Ende 1931 und veröffentlichte das Buch „I saw Hitler!“ im darauffolgenden Jahr, also noch vor dem Reichstagsbrand und der darauffolgenden Machtübernahme der Nazis. Sie sah in Hitler den „Prototypen des kleines Mannes“. Er sei von „erschreckender Bedeutungslosigkeit“. Gleichzeitig ahnte sie, dass vielleicht das genau der Grund für den „kleinen Mann“ sei ihm zu folgen, da der sich in ihm wiedererkennen würde. Sie konstatierte Minderwertigkeitsgefühle eines „Mobs von Kleinbürgern“ und tiefverwurzelten Judenhass. Thompson beleuchtet die politische Situation, in der Demokratien scheitern, was ja in diesem Fall nicht mehr lange dauern sollte. Es gibt durchaus Parallelen zur heutigen Zeit. Am 25. August 1934 musste Dorothy Thompson innerhalb von 24 Stunden Deutschland verlassen. Sie war die erste unter den Auslandskorrespondenten Berlins, die ausgewiesen wurde. Darüber berichtet sie unter der Überschrift „Good-By to Germany“. Dieser Artikel ist in der sehr ansprechend gelayouteten Ausgabe des DVB Verlags ebenfalls abgedruckt. Dort berichtet sie auch von ihrer Reise durch Österreich, von wo sie gerade herkam, bevor ihr der Ausweisungsbescheid im Hotel Adlon ausgehändigt wurde. In Österreich wurde kurz zuvor bei einem erfolglosen Naziputsch der austrofaschistische Kanzler Engelbert Dollfuß ermordet. Aber auch nach ihrem Rausschmiss aus Deutschland hörten und lasen die Obernazis ihre Kommentare, denn während des Zweiten Weltkrieges erschienen ihre Beiträge fast täglich in etwa 150 Zeitungen. „Es ist beschämend und aufreizend, daß so dumme Frauenzimmer, deren Gehirn nur aus Stroh bestehen kann, das Recht haben, gegen eine geschichtliche Größe wie den Führer überhaupt das Wort zu ergreifen.“, schrieb Goebbels 1942 in sein Tagebuch, dem die Kommentare von Dorothy Thompson ganz offensichtlich nicht zu gefallen schienen. Das Buch beschließt ein Nachwort von Oliver Lubrich mit interessanter „Textexegese“. Ernst Reuß Dorothy Thompson, „Ich traf Hitler!“, aus dem Amerikanischen Englisch übersetzt von Johanna von Koppenfels, herausgegeben und mit einem Nachwort von Oliver Lubrich, DVB Verlag, Wien 2023, zahlreiche Abbildungen, 267 Seiten, 26 Euro.
Seit 90 Jahre streiten Wissenschaftler, Zeitzeugen und Journalisten darüber, ob der Reichstag am Abend des 27. Februar 1933 von einem Alleintäter angezündet worden ist oder ob es die Nazis selbst waren. Hitler kam der Brand jedenfalls sehr gelegen und er übernahm die Macht. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wurde die Gewaltenteilung aufgehoben und alle staatliche Gewalt auf Hitler übertragen.
Unbestritten wurde der 23-jährige Niederländer Marinus van der Lubbe am Abend des Brandes im Reichstag mit Kohleanzündern festgenommen wurde. Unbestritten ist auch, dass er zugab der Täter zu sein. Doch weiterhin gibt es begründete Zweifel, ihn für den alleinigen Urheber des Reichstagsbrandes zu halten, der eine bis dahin beispiellose Terrorwelle gegen die Linke auslöste. Uwe Soukup, ein Journalist, versucht in seinem Buch über den „Mythos Reichstagsbrand“ Tatsachen von Fiktionen zu unterschieden und kommt zu dem Ergebnis, dass van der Lubbe „Helfer“ hatte. Ein Einzelner könne kaum den Reichstag unbemerkt an mehreren Stellen so wirkungsvoll anzünden. Van der Lubbe, halb erblindet und gehbehindert, soll an der Hauptfassade acht Meter hochgeklettert sein und ein doppeltes Sicherheitsglas mit seinen Stiefeln eingetreten haben. Belastbare Zeugen dafür gab es nicht. Es sind im Wesentlichen van der Lubbes Aussagen, die für die Alleintätertheorie sprechen. Der Niederländer Marinus van der Lubbe war 1931 aus der moskautreuen KP Hollands ausgetreten, die ihm nicht radikal genug war. Im Februar 33 war er nach Berlin gekommen. Nach eigenen Angaben hatte er danach schon vergeblich versucht am Wohlfahrtsamt Neukölln, am Berliner Rathaus und am Berliner Schloss Brände zu legen. Den Nazis reichte es nicht, die Schuld für den Brand allein dem geständigen van der Lubbe anzulasten. Die Verhandlung vor dem Reichsgericht von Leipzig sollte zum Schauprozess gegen die Kommunisten werden und wurde zum propagandistischen Desaster. Eine Tatbeteiligung konnte den vier angeklagten kommunistischen Kadern nicht nachgewiesen werden. Van der Lubbe selbst machte während der Prozesstage auf Beobachter einen desolaten Eindruck. Er schien wie weggetreten zu sein und war kaum ansprechbar, was für die Vermutung sprechen könnte, dass er unter Drogen gesetzt worden war. Am 10. Januar 1934 starb Marinus van der Lubbe unter dem Fallbeil. Eine lückenlos überzeugende Beweisführung wird sich heutzutage wohl kaum noch erarbeiten lassen. Das Buch liefert sie auch nicht. Ernst Reuß Uwe Soukup, Die Brandstiftung. Mythos Reichstagsbrand – was in der Nacht geschah, in der die Demokratie unterging, Heyne Verlag, München 2023, 208 Seiten, 22,00 Euro.
Einen fast vergessenen Schatz gehoben hat die Wissenschaftliche Buch Gesellschaft. Es ist ein faszinierendes Dokument aus der Zeit als der Nationalsozialismus gerade die Macht an sich riss und ausgesprochen interessant, weil unmittelbar unter Eindruck des Geschehens geschrieben.
Es war eine Replik auf das 1933 erschienene antisemitische Pamphlet „Juden sehen dich an“ des Nazi-Propagandisten Johann von Leers, der sich 1955 in Ägypten nieder ließ, zum Islam konvertierte und dort weiterhin antisemitische Propaganda betrieb. Das Buch „Nazi-Führer sehen dich an“ erschien ein Jahr danach anonym in Paris. Autor war der damals 38-jährige jüdische Exilant Walter Mehring. Das Buch enthält 33 Porträts und zeitgenössische Fotos von damaligen Größen des Nationalsozialismus. Unterteilt ist das Buch in die Kapitel: „Die Götter“ (Hitler und Co.), „Die Halbgötter“, „Die Provinzgötter“, „Die Heroen“, „Betrogene Betrüger“ und „Die Drahtzieher“. Unter den Porträts gibt es auch welche von heute fast vergessenen Naziverbrechern. Walter Mehring war in den Jahren der Weimarer Republik einer der bedeutendsten zeitkritischen Schriftsteller. Er zählte in Berlin zu den ersten Dadaisten, seit den 1920er Jahren publizierte er mit Erfolg in literarischen Zeitschriften und schrieb gegen den zunehmenden Antisemitismus und Nationalsozialismus an. Bereits vor der Machtübernahme durch die Nazis wurde er von diesen gehasst und entging im März 1933 nur knapp seiner Inhaftierung. Mehring selbst lebte nach seiner Flucht in Wien, Zürich und Paris. 1939 wurde er trotzdem interniert. 1941 aber gelang ihm mit Hilfe von Varian Fry die Flucht aus dem Lager und die Emigration in die USA. Nach seiner Rückkehr aus den USA lebte Mehring ab 1953 in Deutschland und in der Schweiz, konnte aber – wie so manch Andere – an seine Erfolge der Vorkriegszeit nicht mehr anknüpfen und wurde kaum wahrgenommen. Es ist daher sicherlich angebracht an ihn auch mittels dieser Neuausgabe zu erinnern. Ernst Reuß Walter Mehring, Nazi-Führer sehen dich an, 33 Biographien aus dem Dritten Reich, Neuausgabe mit einem Nachwort von Martin Dreyfus, wbg Theiss, Darmstadt 2023 , 232 Seiten, 26,00 € |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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