Babi Jar ist eine Schlucht auf dem Gebiet der ukrainischen Hauptstadt Kiew und war vor 75 Jahren der Schauplatz des größten Massakers an jüdischen Männern, Frauen und Kindern im Zweiten Weltkrieg.
„In der Schlucht von Babi Jar bei Kiew wurden am 29. und 30. September 1941 insgesamt 33 171 Menschen bestialisch ermordet. Die am Morden in der Schlucht von Babi Yar beteiligten Polizeibataillone sollen auch hier „nur“ abgesperrt und die Opfer zum Erschießungsort getrieben haben, was zur Zeit der Ermittlungen als verjährte Beihilfe nicht mehr bestraft werden konnte. Da auch bei den Erschießungen alles seine Ordnung haben musste, wurde normalerweise die Kleidung der Massakrierten fein säuberlich auf Lastwagen verfrachtet, desinfiziert und der NS-Volkswohlfahrt zugeführt. Auch das wurde penibel dokumentiert: ‚137 Lastwagen Bekleidungsstücke, die im Zuge der in Shitomir und Kiew vorgenommenen Judenaktionen angefallen waren, wurden der NSV zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt. Der größte Teil davon gelangte nach der notwendigen Desinfektion zur Verteilung an Volksdeutsche. U. a. konnte auch ein Kriegslazarett der Waffen-SS seinen Bedarf an Wolldecken usw. aus diesem Vorrat decken.‘“ (Ausschnitt aus Ernst Reuß, Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg, S. 35 f.)
Wer wissen möchte, dass Trier im 2. Jahrhundert die zweitgrößte Stadt Europas nach Rom und die sechstgrößte Stadt der Welt war.
Wer wissen möchte, dass Städtische Frauenhäuser, also öffentlich betriebene Bordelle, 1318 in Luzern erstmals belegt sind. Wer wissen will, dass diese Frauenhäuser im Norden und Westen des Reiches weitgehend fehlen und ihr Schwerpunkt im Sächsisch-Thüringischen und in Süddeutschland lag, auch wenn man dafür keine Erklärung hat, der liest Hirschmanns Überblick über die Geschichte der Städte im Deutschen Reich und der Niederen Lande von den römischen Anfängen im Westen bis zum Vorabend der Reformation. Allerdings eher ein Lehrbuch für Geschichtsstudenten. Frank G. Hirschmann Die Stadt im Mittelalter, 146 Seiten.
Vor 75 Jahren, am 19. September 1941, trat die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ in Kraft.
Wie zuvor bereits in besetzen Gebieten, mussten nun alle im Deutschen Reich lebenden Juden ab dem sechsten Lebensjahr einen gelben Stern mit schwarzer Aufschrift tragen. Nur „Mischlinge“ und jüdische Partner in „privilegierten Mischehen“ wurden eventuell davon ausgenommen. Die Nürnberger Rassengesetze regelten schon seit 1935 diese absurde Rassenideologie. Eine große Berliner Fahnenfabrik führte den ihr erteilten Auftrag aus und lieferte innerhalb kürzester Zeit Sterne, die die jüdischen Gemeinden für ihre Mitglieder gegen Entgelt abnehmen mussten. Bei der Ausgabe des Judensternes musste in guter deutscher Behördenmanier folgende Verpflichtungserklärung unterschrieben werden: „Ich bestätige hiedurch den Empfang von 1 Judenstern. Mir sind die gesetzlichen Bestimmungen über das Tragen des Judensterns, das Verbot des Tragens von Orden, Ehrenzeichen und sonstigen Abzeichen bekannt. Auch weiß ich, dass ich meinen Wohnort nicht verlassen darf, ohne einen schriftliche Erlaubnis der Ortspolizeibehörde bei mir zu führen. Ich verpflichte mich, das Kennzeichen sorgfältig und pfleglich zu behandeln und bei seinem Aufnähen auf das Kleidungsstück den über das Kennzeichen hinausragenden Stoffrand umzuschlagen. Abschrift dieser Quittung ist in meinem Besitz.“ Die Kennzeichnungspflicht war der Übergang zur letzten Stufe der Verfolgung von Juden im Deutschen Reich. Kurz danach begannen die Deportationen in die Vernichtungslager. Am 18. Oktober 1941 verließ der erste Zug aus Berlin den Bahnhof Grunewald. Weitere 62 Züge sollten folgen. Ernst Reuß
Seit dem 8. Jahrhundert hatten sich Juden in Deutschland angesiedelt; in Spandau gab es nachweislich ab Beginn des 13. Jahrhunderts Juden. Doch das Zusammenleben mit den Christen war nicht einfach. Für die Pest wurden Juden verantwortlich gemacht und zeitweise auch aus Berlin vertrieben. Es gab immer wieder Pogrome, denn die Andersgläubigen wurden der rituellen Kindstötung, der Hostienschändung und aller möglichen Verbrechen beschuldigt.
Da Christen keine Zinsgeschäfte tätigen konnten, waren die „Hofjuden“ den Herrschern mit Geld- und Kreditgeschäften nützlich und als Kämmerer zu Diensten. Das wurde natürlich argwöhnisch betrachtet, außerdem waren sie der Willkür ihrer Herren ausgesetzt. Es war ein Lavieren zwischen Anpassung und selbstbewusstem Auftreten. Als 1571 der verschwenderische und daher hochverschuldete Brandenburger Kurfürst Joachim II starb, wurde sein Hofjude und Münzmeister Lippold Ben Chluchim - nachdem eine Anklage wegen Unterschlagung gescheitert war - der Zauberei und des Mordes beschuldigt. Lippold wurde gerädert und gevierteilt, sein Kopf auf einer Eisenstange am Alexanderplatz aufgespießt und die anderen Körperteile in der Stadt verteilt. Daraufhin mussten alle Juden Stadt und Land verlassen und durften erst 100 Jahre später wieder zurückkehren. Geduldet wurden zumeist nur die nützlichen, wohlhabenden Juden, die die ihnen aufgebürdeten höheren Steuern auch zahlen konnten. Sie gehörten schon bald zur geistigen und künstlerischen Elite der Stadt und wurden im Zeitalter der Aufklärung wichtige Bestandteile des Berliner Bürgertums. Erst mit den Stein-Hardenberg’sche Reformen jedoch wurden sie 1812 zu weitgehend gleichberechtigen Staatsbürgern. Trotz Emanzipation erlebten sie aber immer wieder antisemitische Anwürfe. Vor 150 Jahren wurde die Synagoge in der Oranienburger Straße errichtet. Ein Zeichen für ein relativ tolerantes Zeitalter. Ein derartig großes Gotteshaus einer anderen Religion zu errichten, würde wohl gerade heutzutage zu heftigen Anfeindungen führen. Nach der russischen Oktoberrevolution zog es viele jüdische Emigranten ins liberale Berlin. Die wohlhabenden Exilanten zog es meist nach Charlottenburg, die vielen verarmten osteuropäischen Juden zog es zumeist ins Scheunenviertel. Sie alle erlebten die „Goldenen Zwanziger“ in Berlin, als die Stadt dank der vielen jüdischen Künstler und Literaten zur Kulturhauptstadt der Welt wurde. Allerdings blieb das nicht lange so. Hitler zerstörte das jüdische Leben nicht nur in Berlin, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg erst wieder ganz langsam und nie gänzlich erholte. Der Autor Volker Wagner erzählt diese Geschichte und schildert das jüdische Leben in Berlin von seinen Anfängen an. Wie immer beim Elsengold Verlag, werden die einzelnen Kapitel schön illustriert. Neben der Darstellung der geschichtlichen Ereignisse, werden immer wieder einflussreiche jüdische Bürger aus der Stadt porträtiert. Es beginnt mit Michael von Derenburg, dem ersten „Hofjuden“ von Kurfürst Joachim II und geht über Moses Mendelssohn, als einem der entscheidenden „Aufklärer“ bis hin zu Rolf Eden, dem selbsternannten Playboy und Diskokönig des Nachkriegsberlins. Ernst Reuß Volker Wagner, Geschichte der Berliner Juden, 168 Seiten, 21 x 28 cm, 120 Abbildungen, Elsengold Berlin 2016, € 29,95
Der am 1. September 1805 im heutigen Thüringen geborene Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey trat nach dem Jurastudium in den preußischen Staatsdienst ein, bevor er am 16. November 1848 Polizeipräsident von Berlin wurde. Man suchte zu diesem Zeitpunkt einen „starken Mann“ und fand in Hinckeldey einen „Hardliner“, der bekannt dafür war, rücksichtslos durchzugreifen. Es gelang ihm allerdings nur in einer Nacht und Nebelaktion sein Amt anzutreten, denn Demonstranten hatten die Zugverbindung nach Berlin blockiert. Sein Ruf war ihm offensichtlich vorausgeeilt.
Hinckeldey wurde vom von Umsturzängsten geplagten König Friedrich Wilhelm IV protegiert und ging streng gegen liberale Anwandlungen vor. Sein Aufstieg und sein großer Einfluss auf den König war den Hofschranzen jedoch ein Dorn im Auge. Dort fädelte man eine Intrige ein um Hinckeldey aus dem Weg zu räumen. Der preußischer Gutsbesitzer, Politiker und gute Pistolenschütze Hans von Rochow wurde dazu auserkoren dies zu tun. Er beleidigte Hinckeldey als „amtlichen Lügner“ und da in jener Zeit ein strenger Ehrenkodex galt, fühlte sich Hinckeldey genötigt in die Falle zu gehen. Hätte er die Beleidigung widerspruchslos akzeptiert oder nur verbal protestiert, wäre seine Stellung in der Öffentlichkeit wahrscheinlich unhaltbar geworden. Hinckeldey tappte also wie gewünscht in die Falle und forderte von Rochow zum Duell. Wohl war ihm dabei allerdings nicht, aber er hoffte bis zuletzt, dass der König, dem er so gut gedient hatte, intervenieren und das Duell verbieten würde, denn erlaubt war das offiziell natürlich nicht. Der Herausgeforderte durfte nach den damaligen Gepflogenheiten die Waffen wählen und wählte selbstverständlich die Pistole. Es war allgemein bekannt, dass Hinckeldey kurzsichtig und kein besonders guter Schütze war. Angeblich hielt Hinckeldey noch am Morgen des Duells ängstlich Ausschau nach einem Adjutanten Friedrich Wilhelms, der das Duell hoffentlich untersagen würde. Er wartete vergebens. Der König wollte sich offenbar keine Blöße geben und opferte seinen Untertanen. Es kam so wie es kommen musste und wohl auch kommen sollte. Hinckeldey fiel nach dem zielsicheren Schuss tot um. Sein Gegner blieb unverletzt stehen. Der Überlebende wurde danach zu vier Jahren Festungshaft verurteilt, was vor allem als Strafe für politische Taten vorgesehen war. Seine Ehre war dadurch aber nicht beeinträchtigte und er wurde vom König nach einem Jahr wieder begnadigt. König Friedrich Wilhelm IV, der auch von der Intrige ahnte, meinte danach: „Der arme Hinckeldey, er ist um Mich gestorben.“ Der nur 50 Jahre alt gewordene Hinckeldey wurde mit allen Ehren begraben. Dem Trauerzug schlossen sich rund 100 000 Bürger Berlins an, was erstaunlich war, denn zuvor war er nicht sonderlich beliebt gewesen. Sein Grab befindet sich auf einem Friedhof an der Prenzlauer Allee. Ein steinernes Kreuz, das an das Duell erinnern soll, steht auch heute noch in der Nähe des Duellortes im Volkspark Jungfernheide in Charlottenburg. Ernst Reuß |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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