Der Elsengold Verlag wurde im Januar 2013 gegründet und hat sich auf illustrierte Sachbücher über die laut Verlagswerbung „schönste Stadt der Welt“ Berlin spezialisiert. Der Name des Verlags soll das symbolisieren, denn die von den Berlinern als „Goldelse“ bezeichnete Siegessäule im Tiergarten ist Namenspatronin.
Dort ist das Buch „Berlin im Dritten Reich“ erschienen, das gerade Rahmen des Wettbewerbs „Das historische Buch des Jahres“ prämiert wurde. Hans-Ulrich Thamers Bildband „Berlin im Dritten Reich. Herrschaft und Alltag unter dem Hakenkreuz“ überzeugte die Jury und schaffte es in der Rubrik „Einzelstudie“ auf Platz 2. Der 400-seitige Bildband „Berlin im Dritten Reich“ zeigt bekannte und unbekannte Fotos Berlins aus der Zeit zwischen 1932 und 1945. Dazu wurden vom Historiker Hans-Ulrich Thamer 600 Aufnahmen, meist aus den Beständen des Berliner Landesarchivs, ausgewählt, ausführlich kommentiert und mit illustrierenden Zitaten von Zeitzeugen ausgestaltet. Gegliedert ist das opulente Werk in die vier Teile: „Krise und Machtergreifung“, „Scheinbare Normalität“, „Der ferne Krieg“, „Bomben und Zusammenbruch“. Den chronologisch geordneten Kapiteln und Unterkapiteln geht jeweils eine einordnende Einleitung voraus. Das interessante Zeitdokument, in dem auch von der Nazipropaganda inszenierte Fotos hinterfragt werden, zeigt deutlich die gesellschaftspolitischen Änderungen nach der Machtübernahme der Nazis und endet mit Fotos der zerstörten Stadt im Sommer 1945 sowie dem Zitat Adolf Hitlers: „Gebt mir 10 Jahre Zeit und ihr kennt Deutschland nicht wieder“. er Hans-Ulrich Thamer, Berlin im Dritten Reich, Herrschaft und Alltag unter dem Hakenkreuz, 400 Seiten, ca. 600 Abbildungen, ISBN 9783944594170, € 39,95. Bildnachweis Landesarchiv Berlin: F Rep 290 0067131 und F Rep 290 II13153
Viktoria Savs wurde als „Heldenmädchen von den Drei Zinnen“ bekannt. Die 1899 in Bad Reichenhall geborene Frau war eine von den wenigen Frontsoldatinnen des Ersten Weltkriegs. Sie diente mit Wissen ihrer Vorgesetzten an der Dolomitenfront, zusammen mit ihrem Vater. Außer einigen Offizieren wusste niemand, dass der Soldat Viktor Savs in Wirklichkeit eine Frau war. Ihr Fronteinsatz endete 1917 mit einer Verwundung. Durch einen Granateinschlag löste sich ein Felsblock, wodurch ihr rechter Fuß amputiert werden musste.
Nach dem Ersten Weltkrieg trat sie der NSDAP bei. Von Hitler persönlich bekommt sie mit großem propagandistischem Aufwand 150 Reichsmark für ein Holzbein. Hitler ist für sie nun ihr „großer guter Kameraden“. Sie diente als Frau auch in der Wehrmacht. Ein Foto zeigt sie mit hohen SS-Offizieren in Belgrad. Was genau sie dort gemacht hat, bleibt im Dunkeln. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg nahm sie an Veteranentreffen von Ewiggestrigen teil. Ihre Beerdigung wurde zu einem Aufmarsch derselben. Sie starb im Alter von 80 Jahren am 31. Dezember 1979 in Salzburg. Vieles spricht dafür, dass sie transsexuell war. Ernst Reuß Frank Gerbert: Die Kriege der Viktoria Savs – von der Frontsoldatin 1917 zu Hitlers Gehilfin. Kremayr & Scheriau, Wien 2015
„Es war im Oktober 1999, als ich eine Ausstellung zum Holocaust sah und ein Foto mich sehr berührte: das Foto einer Erschießung im Zweiten Weltkrieg. Ein am Rand einer Grube mit Leichen kniender einzelner Zivilist, der direkt in die Kamera des Fotografen blickt, während ein deutscher Soldat von hinten die Pistole auf seinen Kopf richtet. Der Fotograf hatte offensichtlich kurz vor der Liquidierung auf den Auslöser gedrückt. Als Bildunterschrift war auch der Ort angegeben, an dem die Erschießung stattgefunden hatte. Es war Winniza in der Ukraine. Winniza? Winniza hatte ich schon gehört. Mein Großvater soll dort gewesen sein, während des Krieges. Mein Großvater Ernst, der zu früh Verstorbene, nach dem ich benannt worden war. Er war zwar Parteimitglied, aber weit hinter der Front in einer Schreibstube tätig, hieß es. Vom Krieg soll er kaum etwas mitbekommen haben.“ (Aus dem Vorwort zum Buch: „Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg, Berlin 2013“) Das E-Book gibt es überall im Fachhandel für 9,99 €! Die aktualisierte Printausgabe gibt es für 19,90 € hier:
Ortrun kam 1939 kurz vor Kriegsbeginn als 14-Jährige nach Würzburg. Mit ihren Eltern hatte sie gerade eine Weltreise hinter sich. Sie hatte viel gesehen und war daher nicht so engstirnig, wie die meisten ihrer in Nazideutschland aufgewachsenen Mitschüler. Sie war eine junge Kosmopolitin. Ortrun unterhielt sich mit ihrer Schwester auf Englisch, mit den Eltern auf Deutsch und mit der in Japan geborenen jüngsten Schwester auf Japanisch. Ihre polyglotte Familie hatte zuletzt neun Jahre in Japan gelebt, wo der Vater an der Universität Deutsch lehrte.
Ihre Lehrer waren Engländer, Japaner und Amerikaner gewesen. Sie hatte japanische, amerikanische, englische und russische Freunde, bevor sie dem von ihr gehassten Bund Deutscher Mädel beitreten musste. Ortrun führte Tagebuch und erlebte die Nazizeit, der sie relativ wenig abgewinnen konnte. Zu Hause wurde diskutiert, man hörte heimlich BBC und Ortrun machte sich ein Bild von ihrer Umgebung. Sie schrieb am 4. Mai 1941: „Vor einigen Tagen hörten wir Churchill im Radio. Heute hörten wir Hitler. Welch ein Unterschied in der Art zu sprechen! Hitler spricht von den Engländern als den größten Feiglingen und Kapitalisten und Egoisten und weiß Gott noch was, und von Churchill als einem Irren, dem man nicht erlauben sollte, eine Nation zu führen. Auf der anderen Seite spricht Churchill von Deutschland als einer mächtigen Nation und er sagt, dies sei eine der ernstesten Epochen der englischen Geschichte. Jedes Mal wenn Hitler in Bezug auf England einen sehr hässlichen Begriff verwendet, spendet der ganze Reichstag Applaus. Wie gut die Nazis ihre Anhänger dressiert haben! Kürzlich hörte ich jemanden sagen, dass die Deutschen die freieste Nation der Welt seien. Frei? Mein Gott, wo ist diese Freiheit? Man darf nicht lesen, was man will, man darf im Radio nicht hören, was man will, man darf sich nie, nie über irgendetwas beschweren, man muss sagen, dass alles hier wunderbar ist, sonst. . . Oh, diese glorreiche Freiheit!“ Auch von der Shoa hatte sie gehört, denn wer Augen und Ohren nicht verschloss konnte es wissen. Am 10. Dezember 1942 schrieb sie: „Vor einigen Monaten zwangen die Nazis alle Juden, gelbe Sterne mit der Aufschrift „Jude" an ihre Kleidung zu nähen. (…) Seit einiger Zeit sehe ich keine Juden mehr in den Straßen, und das jüdische Altersheim ist jetzt mit Deutschen belegt. Ich hatte keine Ahnung, wohin sie alle gekommen waren, und war schrecklich schockiert, als ich hörte, dass alle Juden, die in Deutschland leben, nach Polen geschickt wurden, wo sie mit Tausenden von polnischen Juden - Männern, Frauen und Kindern - getötet werden sollen! Ist das möglich? Es ist so grausam, so unglaublich grausam! Ich dachte nicht, dass sogar die Nazis so etwas tun könnten.“ Ganz eindringlich schildert sie zuletzt auch die Bombenangriffe auf Würzburg, denen sie nahezu schutzlos ausgeliefert war: „Es geschah vor drei Nächten, am 16. (…) Mit einem Mal wurde unsere Hütte von einem unheimlichen gelben Licht durchflutet, das von draußen kam. (…) Tausende von geisterhaften Lichtern erhellten den Himmel, einige hingen direkt über uns. (…) Bomben fielen und explodierten jetzt ganz in unserer Nähe. (…) Wir lagen im feuchten Gras. Rosita war jetzt still, aber Ingrid weinte herzerweichend und starrte uns mit furchterfüllten Augen an. Es war so fürchterlich, der betäubende Donner der Bomben, das morbide, unnatürliche Licht und der Tod, der so nah war. Abertausende von Bomben wurden abgeworfen. Die Explosionen betäubten uns fast und ließen uns nach Luft schnappen. (…) Würzburg verbrannte in einem Meer von Flammen. Riesige Wolken aus Feuer und Rauch stiegen aus der Stadt empor, sogar der Wald über uns brannte. Ein Sturm, so stark wie ein Orkan, tobte.“ Würzburg gehörte wie Dresden zu den Städten im Deutschen Reich, die noch in den letzten Kriegswochen bombardiert wurden. Beim schwersten Angriff am Abend des 16. März 1945 starben etwa 5 000 Menschen und die historische Altstadt wurde zu 90 % zerstört. Ortruns letzter Eintrag in dem eben veröffentlichten Tagebuch ist vom 8. Mai 1945: „Der Krieg ist aus! Der Krieg ist aus! (…) In Amerika, in England, in fast allen Ländern wird es heute Nacht Freudenfeiern und Glücksgefühle geben. Auch ich bin glücklich, sehr glücklich, aber ich kann nicht lachen. Nicht weil ich Deutsche bin und Deutschland den Krieg verloren hat. Ich wusste, dass es so kommen würde, und ich habe es von ganzem Herzen herbeigesehnt. Ich kann nicht lachen, weil ich diese Jahre voller Terror, Verlust und Tod nicht vergessen kann. Ich kann nicht lachen, weil der Krieg uns so viel unwiederbringlich geraubt hat: die Zukunft, die wir uns vorgestellt hatten, Menschen, die wir liebten, unsere schöne Stadt - und noch so viel mehr. Und Vati? Wo ist er? Wann kommt er zurück? (…)“ Der Vater, der zu seinem Leidwesen noch am Ende des Krieges zum Volkssturm musste, kam zurück. Das Leben musste weitergehen. Ortrun blieb in Deutschland. Ein interessantes Zeitdokument. er Ortrun Scheumann: „Geliebte Feinde. Ein Mädchen erlebt das ,Dritte Reich‘ in Würzburg“. 116 Seiten, Würzburg 2015. 12,90 Euro.
"Echte" Auswanderungen aus Deutschland gab es ab Mitte des 12.Jhds. zu dieser Zeit wanderten die "Siebenbürger Sachsen" ins damalige Königreich Ungarn aus. Sachsen wurden sie von ihren ungarischen Nachbarn genannt (in Wirklichkeit waren sie von Rhein und Mosel)
Deutsche Territorialherren und slawische Fürsten in Pommern, Polen, Schlesien, Böhmen, Mähren, Mecklenburg sowie einheimischer Adel und Klerus riefen deutsche Bauern und Bürger ins Land. Die östliche Reichsgrenze wird überschritten. Mönche und Nonnen wandern nach Osten. Die Ansiedlung erfolgt in einheitlich geplanten Großdörfern und in geplanten Städten. Wegen der Aufgabe der Heimat und der Entbehrung bei der Siedlungsarbeit erhalten die Siedler eine verbesserte soziale Stellung. Auch die slawischen Siedlungen werden dem Deutschen Recht (Magdeburger Recht) unterstellt. Die Ostbewegung war größtenteils friedlich, obwohl es auch dabei nicht an der gewaltsamen Bekehrung der in ihrer Religion verharrenden Slawen fehlte. Im 14.Jhd. endete die erste Ostbewegung, da für die Kolonisation nicht mehr genügend Menschen zur Verfügung standen. Erst im 18.Jhd. rückten dann die Banater Schwaben nach (sie kamen aus dem südwestdeutschen und mitteldeutschen Raum) und aus dem Badischen kamen die Sathmarer Schwaben. Auch sie wollten durch Siedlung Land erschließen und sichern, und erhielten dafür einladende wirtschaftliche und kulturelle Sonderrechte. Auch in anderen Südost- und Osteuropäischen Ländern genossen die Deutschen lange mit besonderen Privilegien ausgestattete Siedlungsgebiete, wie z.B. die heutigen Aussiedler -die sogenannten Wolgadeutschen- (Sie hatten von 1924-41 eine autonome Sowjetrepublik). Nach dem hitlerschen Überfall auf die Sowjetunion endete allerdings diese Republik mit Deportation (durch Stalin) nach Sibirien, Mittelasien und Kasachstan. Wer mehr davon wissen will, liest Klaus J. Bade: Deutsche im Ausland, Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart. Ein hervorragendes Buch!!! Ernst Reuß
Wanderungsbewegungen gab es zu jeder Zeit, vor allem jedoch gab es im 17-19. Jhd. Wander- und Saisonarbeiter aus Deutschland.
Dies waren die sog. „Grönlandfahrer“- maritime Wanderarbeiter an Bord der holländischen Herings- und Walfangschiffen. Es gab die lippischen Ziegler (Ziegelbrenner) die es nach Holland, Skandinavien, Polen und Rußland zog. Oldenburger Stuckateure gingen, genauso wie Grasmäher und Torfstecher aus Nordwestdeutschland vorzugsweise nach Holland (sog. "Hollandgänger"). Wanderhändler "Tödden" genannt, kamen aus dem nördlichen Münsterland und bauten ein Handelsnetz von Flandern bis Riga. Einige "Tödden" stiegen von dem aus der Armut geborenen Wanderhandel zu bedeutenden Großkaufleuten auf. Zum Beispiel Hettlage, Brenninkmeyer-Kaufhausketten (= Wertheim, C&A, Hertie) stammen von solchen Wanderhändlerdynastien ab. Zu dieser Zeit wurde auch Frankreich, insbesondere Paris, zur bevorzugten Arbeitsstätte für Deutsche insbesondere für hessisch-darmstädtische Gassenkehrer und Lumpensammler, pfälzische Fabrik- und Erdarbeiter und deutsche bzw. elsässische Dienstmägde. Sie alle lebten in einem „Gastarbeitermilieu“ mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen. Auch sie hatten mit dem Problem zu kämpfen, dass sie im Gegensatz zu ihren Kindern kein Französisch sprachen, so dass ihre Kinder zu „Franzosen“ wurden, während sie eigentlich wieder nach Deutschland zurückkehren wollten. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurden sie dann ausgewiesen, kamen jedoch 1875 wieder zurück. Um 1884 mussten sie dann wegen einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise endgültig und unfreiwillig Paris verlassen, da französische Straßenkehrer nunmehr den Vorzug erhielten (in städtischen Diensten wurden nur noch Franzosen zugelassen) und sie keine Beschäftigung mehr fanden. Man sieht daran wie schnell sich das Bild ändern kann. Wer mehr davon wissen will, liest Klaus J. Bade: Deutsche im Ausland, Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart. Ein hervorragendes Buch!!! Ernst Reuß |
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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