Der Simplicissimus war eine deutsche Satirezeitschrift, die 1896 erstmals erschien, schon früh Politik und Moral auf die Schippe nahm und immer wieder bei der Obrigkeit aneckte. Anfangs nur als Illustration der literarischen Texte gedacht, etablierten sich langsam die politischen Karikaturen, für die der Simplicissimus noch heute berühmt ist. Albert Langen schuf den Simplicissimus, nachdem er drei Jahre zuvor einen Verlag gegründet hatte, den Vorläufer des LangenMüller Verlags, in dem nun diese Neuedition erschienen ist. Langen starb bereits 1909 mit nur 39 Jahren, aber sein Verlag überlebte und fusionierte 1932 mit dem Georg Müller Verlag.
Freche Karikaturen machten bis dahin den Simplicissimus aus. Bereits 1898 wurden der Zeichner Th. Th. Heine und der Texter Frank Wedekind wegen Majestätsbeleidigung zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt, während Langen als Herausgeber nach Paris fliehen und einige Jahre im Exil bleiben musste. Die Auflagen des Simplicissimus erhöhten sich danach rasant und der Chefredakteur Ludwig Thoma konnte schon bald schwarze Zahlen schreiben. Häufig machte sich die Zeitschrift über das Kaiserreich lustig und der letzte deutsche Kaiser war in seiner Hybris ein leichtes Opfer des Spotts. Vor allem aber auch die Kirche und der überbordende Militarismus wurden parodiert. Das hatte Erfolg und die Zeitschrift wurde zum Forum für viele etablierte beziehungsweise sich etablierende Künstler und Literaten. Nicht nur Ludwig Thoma, sondern auch Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Erich Kästner, Heinrich und Thomas Mann, Arthur Schnitzler, Joachim Ringelnatz, Wolfgang Borchert, Kurt Tucholsky sowie Käthe Kollwitz, George Grosz oder Heinrich Zille schrieben beziehungsweise zeichneten für den Simplicissimus. Das nun erschienene Buch enthält die wichtigsten Karikaturen aus den Jahren 1896 bis 1930, die von den Herausgebern Reinhard Klimmt und Hans Zimmermann politisch und historisch eingeordnet werden. Klimmt als ehemaliger sozialdemokratischer Ministerpräsident und Verkehrsminister in der Politik zuhause, Zimmermann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar für die Digitalisierung und Erforschung des Simplicissimus zuständig, kommentieren alle Karikaturen sehr fachkundig. So erfährt man viel vom gesellschaftlichen Leben der damaligen Zeit, ob bürgerliche Moral, Frauenemanzipation oder technischer Fortschritt. Die Unpünktlichkeit der Bahn schien schon damals ein Problem gewesen zu sein. Technische Erneuerungen wie Flugmaschinen, Autos, Film und Radio werden skeptisch gesehen. Derartige Zweifel sind auch heute noch gang und gäbe. Während man damals Radiohörern vorwarf, nur noch vor dem Äther zu hängen und keinen Blick mehr für sein Gegenüber zu haben, kritisiert man das heute bei Smartphone-Usern. Im Rahmen der Emanzipation hat sich inzwischen jedoch einiges getan, denn Fahrrad fahrende Frauen sind heutzutage kein Aufreger, damals waren sie es. Der Simplicissimus wurde gerne im aufgeklärten Bürgertum gelesen, wo man sich mehr Demokratie ersehnte. Erst mit dem Weltkrieg 1914 änderte sich die Tonlage des Simplicissimus. Es herrschte nun bedingungsloser Patriotismus und selbst nach dem Krieg wurde der französische „Erbfeind“ und der Versailler Vertrag gerne als Grund allen Übels karikiert. Hitler nahm man damals nicht sonderlich ernst, was sich bald schon ändern sollte. Die SA zerstörte nach der Machtergreifung die Redaktionsräume. 1944 erschien die letzte Nummer der Zeitschrift, die von den Nazis auf Linie gebracht worden war. Nach dem Krieg gab es mehrere Versuche einer Neugründung, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Ernst Reuß Klimmt, Reinhard & Zimmermann, Hans (Hrsg.), Simplicissimus 1896 – 1930, Die satirische Wochenzeitschrift - Neuedition der erfolgreichen Satire-Zeitschrift, 288 Seiten, viele Abbildungen, LangenMüller Verlag Stuttgart 2018, 48 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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