Wer als Mörder erlebt hat was jahrelanger Knast bedeutet, sollte eigentlich geläutert sein und nie wieder töten. Doch dem ist nicht immer so.
Der Psychiater Hans-Ludwig Kröber präsentiert in seinem Buch „Mord im Rückfall“, 45 rückfällige Mörder. Es handelt sich ausschließlich um Männer, die mehrfach getötet haben. Kurz, komprimiert, atemlos und meist sachlich berichtet Kröber von den Fällen. Dass er bei seiner Fallschilderung nicht immer chronologisch vorgeht, macht es dem Leser nicht immer leicht die traurigen Schicksale nachzuvollziehen. Es sind entsetzliche Fälle, die der Autor zusammengetragen hat. Eine Sammlung aus seinem Berufsleben und eher nicht repräsentativ. Man blickt dabei jedenfalls in tiefe menschliche Abgründe. Kröber gilt als herausragender Vertreter der Forensischen Psychiater Deutschlands. Dieses Urteil hat er wohl verinnerlicht, denn seine eigene Expertise hält er - im Gegensatz zu den Gutachten von kritisierten Kollegen - für unumstößlich. Das gibt er auch deutlich zu verstehen, in dem er sich von diesen „Sachverständigen“ mit Anführungszeichen distanziert oder sie als „grundgütig“ bezeichnet. Selbst die juristische Fachkompetenz von so manchem Richtern stellt er in Frage. „In dubio pro reo“ und der Unterschied zwischen „Mord und Totschlag“ scheint dabei ein sekundäres Problem zu sein. Man hätte auch den Beschluss der Straßburger Richter zur nachträglichen Sicherungsverwahrung erläutern können, anstatt immer nur darauf zu verweisen. Auch dafür hat es gute juristische Gründe gegeben. Kröber selbst ist nicht ganz unumstritten. So wird ihm vorgeworfen im Fall Gustl Mollath ohne persönliche Untersuchung eine „wahnhaften Störung“ diagnostiziert zu haben. Die einzelnen Kapitel wie „Raubmord“, „Vergewaltigung und Tötung“, „Beziehungsstörung zu Frauen“, „sadistisch motivierte Taten“ oder „reine Gewalt und Gewöhnung ans Töten“ und „Schizophrene Mehrfachtöter“ könnten unterschiedlicher nicht sein, und dennoch ähneln sich die Lebensläufe der Täter sehr häufig. Heimaufenthalte, immer wieder exzessiver Alkoholmissbrauch und Verwahrlosung. Eine Ansammlung düsterer Biographien des Scheiterns, in denen es meist nur bergab geht. Freilich gibt es wie immer - auch dabei - Ausnahmen. Ein „Restrisiko“ wird nach der Verbüßung der Strafe wohl bleiben, auch wenn Sachverständige und Juristen versuchen eine Lösung zu finden, die dem Menschen und der Allgemeinheit gerecht werden. Hinterher ist man immer schlauer, Kröber auch. Es scheint bei dieser durchaus spannenden Fallsammlung eine ständige Aneinanderreihung von Fehlgutachten zu sein, die den Taten vorausgehen. Zum Schluss stellt der Autor überraschenderweise dann doch fest, dass bei Mördern die Rückfallquote generell sehr gering sei und es keine allgemeine Theorie des Rückfalls geben kann. Gott würfele eben doch, meint er und exkulpiert damit die zuvor gescholtenen Gutachter und Richter - möglicherweise eher ungewollt. Ernst Reuß Hans-Ludwig Kröber, Mord im Rückfall, 45 Fallgeschichten über das Töten, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2019, 247 Seiten, 14,95€ Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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