Der Autor Joachim Wagner, ein Jurist und ehemaliger Fernsehredakteur, möchte mit seinem gerade erschienenen Buch „Rechte Richter“ auf das Problem von möglicherweise rechtsradikalen Richtern, Staatsanwälten und Schöffen aufmerksam machen.
Richter dürfen selbstverständlich in politischen Parteien sein, denn der Rechtsstaat vertraut darauf, dass sie auch in Robe politisch neutral handeln. Seitdem eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag eingezogen ist, scheinen diesbezüglich die Grenzen oft massiv überschritten zu werden. Einige Mitglieder der Judikative versuchen auch mittels der „dritten Gewalt“ Politik zu machen. Ein Rechtsanwalt dieser Partei hat es ja sogar tatsächlich geschafft zeitweilig Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zu werden, wo er hauptsächlich mit Beschimpfungen und Beleidigungen von Andersdenkenden auffiel, bevor er abgelöst wurde. Wagner beschreibt einige Beispiele von „rechter Rechtsprechung“: Ein thüringischer Staatsanwalt leitete ein Ermittlungsverfahren gegen die Aktionskünstlergruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ein, nachdem B. Höcke sie als solche bezeichnet hatte. Beleidigungsverfahren gegen rechte Hetzer stellte er vielfach mit absurden Begründungen ein, die auf eine rechte Gesinnung schließen lassen könnte. Er verglich dabei beispielsweise Auschwitz mit Waterloo. Seltsam, dass seine Vorgesetzten da nicht vorher hellhörig wurden. Nachdem in einem Facebook Chat darüber schwadroniert wurde Benzin für ein Flüchtlingsheim zu besorgen, urteilte ein sächsischer Richter „In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht des Gericht die Entscheidung der Bundeskanzlerin, eine bisher nicht bekannte Anzahl von Flüchtlingen unkontrolliert ins Land zu lassen, viel mehr geeignet den öffentlichen Frieden zu stören, als der Facebook-Kommentar des Angeklagten.“ Ein hessischer Verwaltungsrichter, der den Slogan „Migration tötet“ als eine „empirisch zu beweisende Tatsache“ wertete, die deshalb nicht als „volksverhetzend zu qualifizieren“ sei, durfte weiterhin über Asylverfahren entscheiden. Befangenheitsanträge wurden lange abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Gera fällt damit auf, sehr restriktiv über Asylbegehren zu entscheiden. Weniger Probleme hatte das Gericht, beziehungsweise dessen Richter, mit Freundschaften zu vom Verfassungsschutz beobachteten Personen. Erstaunlicherweise wurden aber martialische Fackelzüge zu Hitlers Geburtstag oder zur Reichspogromnacht genehmigt. Zwar ist die Urteilsschelte, ohne Kenntnis der gesamten Akten und Umstände, nicht immer nachvollziehbar und eine zwiespältige Sache, aber einem Juristen mit historischer Bildung, dreht sich bei solchen Urteilen der Magen um. Solche Richter gab es zwar auch schon früher, aber seit Aufkommen der AfD wagen sie es jedoch anscheinend immer häufiger völkisch zu argumentieren, denn sie glauben ja „das Volk“ zu sein und ein „Widerstandsrecht“ gegen den Staat zu besitzen - was sich auch bei den Corona Maßnahmen zeigte. Ob das alles einen erneuten „Radikalenerlass“ rechtfertigt, ist nach den diesbezüglich gemachten Erfahrungen eher zweifelhaft. Auf jeden Fall sollte man bei politisch motiviertem Missbrauch des Rechts, vor allem auf Vorgesetztenebene, wachsam bleiben. Der Autor versteht sein Buch als warnenden Fingerzeig im Sinne von „Wehret den Anfängen“. Für Juristen und nicht nur für die, trotz einiger langatmiger Passagen, sicherlich lesenswert. Ernst Reuß Joachim Wagner: „Rechte Richter. AfD-Richter, -Staatsanwälte und -Schöffen: eine Gefahr für den Rechtsstaat?“, Berlin 202, 194 Seiten, 29 Euro Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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