Erstmals auf Deutsch erschienen ist das bereits 2011 verfasste Buch „Odessa“ des Professors für internationale Politik Charles King, der bereits mehrere Bücher über Osteuropa verfasst hat.
Auch heute ist Odessa - wie so oft - wieder von Zerstörung bedroht und deshalb ist es auch essentiell sich mit der Vergangenheit der berühmten Hafenstadt zu beschäftigen. Die Gelegenheit bietet sich in diesem aufwändig und gut recherchierten Buch. Charles King erweckt die Geschichten der Russen, Juden, Türken, Griechen, Italiener, Deutschen und Rumänen zum Leben, die die Stadt Odessa (auf ukrainisch Odesa) und seine wechselvolle Geschichte ausmachen. Vom Begründer der modernen russischen Literatur Alexander Puschkin bis hin zum Filmemacher Sergei Eisenstein mit seinem legendären Film „Panzerkreuzer Potemkin“ erfährt man auch von vielen anderen illustren Persönlichkeiten, wie den Herzog von Richelieu und Potjomkin, den Liebhaber der Zarin, die alle an der Entwicklung Odessas beteiligt waren. Das Buch enthält auch den ersten detaillierten Bericht über die Zerstörung der jüdischen Gemeinde der Stadt während des Zweiten Weltkriegs. Dies geschah im Rahmen des Holocausts durch rumänische Truppen unter Anleitung der Deutschen, nachdem Odessa im Oktober 1941 von der Roten Armee geräumt werden musste. Etwa die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Odessas konnte die Stadt verlassen, zurück blieben etwa 80.000 Juden. Daraufhin wurde Odessa von 1941 bis 1944 von rumänischen und deutschen Truppen besetzt. Die Stadt wurde Sitz des rumänischen Hauptquartiers von Transnistrien. Bei einer von Partisanen initiierten Explosion in diesem Hauptquartier starben circa 70 Besatzer. Der rumänische Ministerpräsident gab daraufhin den Befehl, als Vergeltung für jeden getöteten Offizier 200 und für jeden Soldaten 100 Juden oder Kommunisten zu töten. Daraus entwickelte sich ein Massaker, bei dem etwa 30.000 Juden getötet wurden. Während der Besatzungszeit wurden noch weit mehr Einwohner ermordet oder deportiert, die meisten waren Juden. In den umliegenden Städten sowie in ganz Transnistrien geschah ähnliches. Die Überlebenden Juden Odessas wurden ghettoisiert und 1942 in Lager deportiert. Am 10. April 1944 musste nach 907 Tagen Besatzung die Wehrmacht, die nach dem Sturz der Militärdiktatur in Rumänien inzwischen die einzigen Besatzer waren, Odessa räumen und sich hinter den Fluss Dnister zurückziehen. Mit dem Verlust zeichnete sich das Ende der deutschen Besatzung in der Ukraine ab. Als die Sowjets zurückkamen wurden noch 48 Juden gezählt. Ein lesenswertes Buch! Ernst Reuß King, Charles, Odessa, Leben und Tod in einer Stadt der Träume, Critica Diabolis 314, Paperback, aus dem Englischen von Mark Feldon, Edition Tiamat, Berlin 2023, 392 Seiten, 32.- Euro Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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