Zumindest das haben Pegida und die AFD geschafft. Das Thema „Islam und Überfremdung“ ist immer noch ständig in allen Medien präsent und auch seriöse Verlage beschäftigen sich mit der Thematik. Drei neu erschienene Bücher zeigen dies.
Joachim Wagner, ein aus dem Fernsehen bekanntes Gesicht, er moderierte regelmäßig im ZDF den Bericht aus Berlin und hat sich in einem Buch schon einmal mit der islamischen Paralleljustiz auseinander gesetzt will in seinem neuen Buch: „Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam?“ unter anderem untersuchen, ob die kulturelle Integration gelungen ist, inwieweit es ein Konfliktpotenzial nach der „Flüchtlingswelle“ 2015 gibt und wie groß die Integrationsfähigkeit der deutschen Gesellschaft überhaupt sei. Dazu habe er mit 65 Lehrern, fünf Schulräten und 29 Schülern geredet, viele Experteninterviews geführt, sowie Meinungsumfragen, soziologische Studien und „anekdotische Evidenzen“ ausgewertet. Letzteres sind Beispielsfälle, die er sich von Dritten erzählen ließ. Das ist zwar nicht repräsentativ, aber macht es argumentativ sehr viel einfacher für ihn. Eine Schwäche des Buches. Das Buch setzt sich intensiv mit den Integrationsproblemen von muslimischen Migranten auseinander, die es unbestritten zur Genüge gibt. Von den interviewten Lehrern zitiert Wagner lediglich die „wenigen, die bereit sind einzugestehen, dass sie häufig gegen die Familie erziehen müssen.“ Die Familie sei wichtiger als die Schule, gegen die man nicht ankomme, so die „bittere Einsicht“. Da stellt sich die Frage: Ist das nur bei Muslimen, und wenn ja, bei allen so? Wagner analysiert bis ins Einzelne gehend Integrationshemmnisse und wirft einen kritischen Blick auf die muslimische Gemeinde und den Integrationswillen ihrer Mitglieder; die unzähligen Beispiele gelungener Integration lässt er außen vor. Alarmistisch wirken zuweilen seine Ausführungen zur Vollverschleierung, zu den zwei Tagen Schulfrei für muslimischer Schüler beim Zuckerfest und zu Grundschülerinnen mit Kopftuch, die wohl eher ihren größeren Schwestern nacheifern, als ein politisches Statement setzen zu wollen. Wagner problematisiert dabei allerdings zu Recht die Rolle von Koranschulen, den Salafismus, den grassierenden Antisemitismus, Homophobie und religiöse Intoleranz auf Seiten muslimischer Migranten. Verstehen kann man auch sein Plädoyer gegen eine falsche Rücksichtnahme und Toleranz. Wagner macht es sich nicht so einfach, wie mancher Politiker, der behauptet der Islam gehöre nicht zu Deutschland und dadurch faktisch diese Mitbürger ausschließt, sondern benennt die Problematiken und stellt fest: „Tatsächliche wie subjektiv empfundene Diskriminierung und Ausgrenzung gehören für die Hälfte der türkeistämmigen Muslime und eine starke Minderheit der übrigen Muslime zur alltäglichen Lebens- und Erfahrungswelt. Ein Teil der empfundenen Benachteiligungen verfolgt den Zweck, die Verantwortung für eigene Misserfolge der Gesellschaft anzulasten. Bei dem anderen Teil gibt es eine Mitverantwortung der Mehrheitsgesellschaft für das Scheitern der kulturellen Integration.“ Dies verbindet er zum Schluss mit der Flüchtlingsproblematik, meint, die Integration der Hälfte der Muslime sei schon vor der Flüchtlingskrise misslungen gewesen und begründet das damit, dass die Hälfte der türkischen Mitbürger ihr niedriges Bildungsniveau auf ihre Kinder vererbt hätten. Ohne weitere Argumente leitet er dann über zu Merkels „verfehlter Flüchtlingspolitik“ und belegt diese mit Umfragewerten, Aussagen einzelner ausländischer Politiker und dem Vergleich „Ein Bergwanderer, der unter der Last eines schweren Rucksacks ächzt, bekommt noch einmal zehn Kilo Gepäck draufgelegt.“ Er konstatiert trotzdem, dass die Aufnahme der Flüchtlinge letztendlich gut gemanagt wurde, was jedoch angesichts der anstehenden Integration ein Kinderspiel gewesen sei. Wagner fordert die Obergrenze und versucht in seinem Fazit darzustellen, wie eine Integration gelingen könnte. Das beim C. H. Beck Verlag erschienene „Schwarzbuch Migration. Die dunkle Seite unserer Flüchtlingspolitik.“ von Karl-Heinz Meier-Braun, einem langjährigen Leiter der Fachredaktion International beim Südwestrundfunk hat einen ganz anderen Fokus und zieht ein gänzlich anderes Fazit. Im Mittelpunkt seines Buches stehen Fragen der Humanität, die bei Wagner kaum eine Rolle spielen. 2015 sei in der Geschichte eine historische Ausnahme gewesen, meint der Autor, denn Deutschland und Europa hätten sich schon längst zu einem Bollwerk gegen die Flüchtlinge gerüstet. Von Willkommenskultur könne überhaupt keine Rede mehr sein, schreibt er und belegt das mit den gesetzlichen Maßnahmen und Abkommen der letzten Jahre. Jeder, der sich mit der Geschichte Deutschlands beschäftigt, kennt die immer wiederkehrende „Das-Boot-ist-voll-Debatte“. Horst Seehofer, der vehement die „Obergrenze“ fordert, hatte bereits prominente Vorgänger. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß warnte vor der „Wohlstandsasylepidemie“ und meinte schon vor Jahrzehnten „Es strömen die Tamilen zu Tausenden herein. Und wenn sich die Situation in Neukaledonien zuspitzt, dann werden wir bald die Kanaken im Land haben.“ Das hat zwar wenig mit christlicher Nächstenliebe zu tun, kommt einem aber nicht unbekannt vor, auch wenn die Tamilen keine Muslime, sondern zumeist Hindus waren und sich zumindest die Diktion der staatstragenden Politiker geändert hat. Meier-Braun vertritt im Gegensatz zu Wagner die Ansicht, dass die Integration zu schaffen sei, schließlich habe das auch bei zwölfeinhalb Millionen Heimatvertriebenen, vierzehn Millionen „Gastarbeitern“ und fünf Millionen Spätaussiedlern relativ gut geklappt. Die neue Abschottungspolitik in der „Festung Europa“, den „schmutzigen Deal“ mit der Türkei und fragwürdige Abkommen mit afrikanischen Staaten, kritisiert er vehement. Dass diese Abschottungspolitik auf Dauer nicht funktionieren kann, meint die amerikanische Politikwissenschaftlerin Wendy Brown in ihrem Buch „Mauern. Die neue Abschottung und der Niedergang der Souveränität.“ Sie setzt sie sich mit der Frage auseinander, warum immer mehr Staaten trotz Globalisierung eine Mauer bauen. Das Buch erschien auf Englisch bereits 2009. Es wurde angesichts der Mauerpläne des amerikanischen Präsidenten Trump ergänzt und im Suhrkamp Verlag auf Deutsch übersetzt. Seit 1989 ist die Anzahl an Mauern gestiegen. Teilweise privat errichtet von Bürgerwehren zwischen USA und Mexiko, zwischen Israel und Palästina, zwischen Spanien und Marokko und in vielen Ländern mehr. Brown hält das für eine paradoxe Entwicklung, denn die Mauern beziehungsweise Zäune seien eher „eine Beruhigungspille für bestimmte Wählerschaften, als Symbol für das was ängstigt, aber nicht zu bändigen ist“. Für diese These bemüht sie sogar Sigmund Freud und bezeichnet den Mauerbau als öffentliches Zeichen des Versagens des Souveräns beim Schutz einer „penetrierten Nation“. Brown vertritt die These, dass als politische Reaktion auf die Globalisierung „Mauern eine spektakuläre Projektionsfläche für Phantasien von nationaler Reinheit darstellen“. Als Symbole funktionieren Mauern bestens, selbst dann, wenn sie real versagen und Konflikte eher verschärfen. Laut Brown zeigen Mauern schwindende Souveränität nicht nur an, sondern beschleunigen den Prozess ihres Schwindens. Mauern produzieren lediglich die Illusion einer Zukunft, die sich an einer idealisierten Vergangenheit orientiert. Insgesamt bleibt bei allen drei Büchern der Eindruck bestehen, dass es einiges zu tun gibt, um die aus Flucht und Migration resultierenden Probleme zu lösen. Ob und wie das alles geschafft werden kann, wird die Zukunft zeigen. Bleibt zu hoffen, dass mutig zupackende Politiker und vernunftbegabte Bürger das so bewerkstelligen, dass die Integration gelingt. Ernst Reuß Joachim Wagner. Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam?, Herder Verlag, Freiburg 2018, Gebunden mit Schutzumschlag, 352 Seiten, 24 Euro Karl-Heinz Meier-Braun, Schwarzbuch Migration Die dunkle Seite unserer Flüchtlingspolitik, C. H. Beck), München 2018, Klappenbroschur, 192 Seiten, 14,95 Euro Wendy Brown, Mauern. Die neue Abschottung und der Niedergang der Souveränität Suhrkamp Verlag, Berlin 2018, Gebunden, 260 Seiten, 28 Euro Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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