Das Enthüllungs-Video auf Ibiza, das zum Rücktritt des österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache und zur anschließenden Entlassung des Innenministers Herbert Kickl, beide FPÖ, führte, war auch in den deutschen Medien überaus präsent. Die aus ÖVP und FPÖ gebildete Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz wurde gestürzt. Am 29. September diesen Jahres soll erneut gewählt werden.
Nun hat der Österreicher Helmut Brandstätter, ehemals Geschäftsführer des Nachrichtensenders n-tv und inzwischen Herausgeber des in Österreich wichtigen und eher liberal eingestellten Boulevardblattes „Kurier“, ein Buch zum Thema geschrieben. Es heißt: „Kurz & Kickl. Ihr Spiel mit Macht und Angst“. Es soll eine Abrechnung sein mit der Regierung aus ÖVP und FPÖ. Brandstätter plagt die Angst, dass es nach der Wahl genau mit dieser Koalition weitergehen könnte. Es sei der Weg in eine „autoritäre Republik“, der „über die Zerstörung von Medien, deren Kauf oder deren Beherrschung“ führt. Das kam beim Ibiza-Video klar zum Vorschein. Auch Kurz versuche „durch brutalen Druck und penetrante Interventionen" die Medien auf Linie zu bringen. Die FPÖ sei eine „deutschnationale Bewegung mit antisemitischem Hintergrund und autoritären Vorstellungen“. Der Innenminister Herbert Kickl sei das eigentliche Mastermind der FPÖ. Er habe die Strategie geplant und dabei Sebastian Kurz den Anschein der Macht überlassen. Der Autor meint wenig schmeichelhaft: „Das Streben nach Macht wirkt bei Kurz auch deshalb so ausgeprägt, weil es nie durch inhaltliche Überzeugungen eingeschränkt war.“ Kickls Ansicht sei auch klar: „Das Recht muss der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht.“ Dieselbe Vorstellung von Recht wurde auch im „Dritten Reich“ vertreten. Brandstätter meint: „Das Ende dieser Kooperation war dann abrupt, aber es musste kommen, denn Sebastian Kurz merkte, dass er an Macht verlor und Herbert Kickl immer mehr das Geschehen dominieren wollte.“ Österreich habe sich in den 17 Monaten der ÖVP/FPÖ-Regierung massiv verändert. Es wurde ein rassistisches Menschenbild befördert, denn „in den sozialen Medien wurde eine Stimmung verbreitet, die ganze Gruppen von Menschen und ihre Rechte abwertete, die Boshaftigkeit und Niedertracht auslöste und leider auch eine Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen bezweckte.“ Das Verhältnis zu den „Identitären“ ist ambivalent. Deren Chef spendete dem Neuseeländischen Massenmörder Geld und schrieb ihm E-Mails, in denen es beispielsweise hieß: „Du gibst mir wirklich Energie und Motivation. Wenn du mal nach Wien kommst, müssen wir einen Kaffee oder ein Bier trinken gehen.“ Trotzdem werden die Identitären weiterhin als junge Aktivisten verharmlost. Brandstätters Buch, in dem er sich oft selbst zitiert, liest sich wie ein Bewerbungsschreiben für ein politisches Amt. So ist es wohl auch gemeint, denn Brandstätter möchte bei der nächsten Nationalratswahl für die liberale Partei der „Neos“ für das Parlament kandidieren. Das Buch ist eine einzige Anklage, in dem für den politisch Interessierten allerdings nichts wesentlich Neues steht. Ernst Reuß Helmut Brandstätter, Kurz & Kickl, Ihr Spiel mit Macht und Angst, 208 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2019, 22 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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