Obwohl es mehr als genug Bücher über Adolf Hitler gibt, Hat sich der irische Historiker Brendan Peter Simms an das Thema gewagt. Seine über 1000 Seiten dicke Hitlerbiographie ist jetzt in einer deutschen Übersetzung erschienen.
Simms, Jahrgang 1967, ist ein bekannter Professor an der Universität von Cambridge. Seine im gesamten Buch immer wieder propagierte These lautet: Hitlers Motive für Krieg und Zerstörung seien aus einer Hassliebe zu Amerika und Großbritannien entstanden. Er bewunderte die Zähigkeit der britischen Soldaten, mit denen er im ersten Weltkrieg zu tun hatte. Nicht die Angst vor dem Bolschewismus sei seine Triebfeder gewesen, sondern seine heimliche Hochachtung vor den Briten und den US-Amerikaner. Selbst Hitlers pathologischer Antisemitismus soll aus seinem Konkurrenzkampf mit dem in Amerika ansässigen „Weltkapitalismus“ entstanden sein, wo Juden an den Schalthebeln der Macht gesessen haben sollen. Die USA und Großbritannien waren damals global dominant. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass diese Länder für Hitler sehr viel größere Feinde darstellten, als der Bolschewismus, auch wenn das später so den Anschein haben sollte. Simms beschreibt Hitler als Glücksspieler, der anfangs strategisch oft richtig gelegen hätte. Man glaubt, bei Simms zeitweilig eine klammheimliche Bewunderung herauslesen zu können, jedenfalls stellt er Hitlers teilweise aberwitzigen Befehle und seine Rationalität kaum in Frage. Andere Historiker tun das durchaus. Hitler war ein Abstinenzler und Befürworter der Prohibition und sah diesbezüglich Amerika als großes Vorbild an. Er verkündete lange vor seiner Machtübernahme: „Wenn die europäischen Staaten nicht bald die Alkoholfrage im Sinne Amerikas lösen, dann werde Amerika bis in 100 Jahren die Welt vollständig beherrschen.“ Nicht nur diesbezüglich sollte sich Hitler irren. Zwar ist die USA weiterhin die Weltmacht Nr. 1, aber nicht wegen der Prohibition, die damals kläglich scheiterte. Hitlers Fixierung auf die Eroberung von „Lebensraum“ soll während des Ersten Weltkriegs entstanden sein. Zwei von ihm beaufsichtigte Gefangene aus Amerika stellten sich damals als deutsche Einwanderer heraus, „die dem Vaterland mangels Lebensraums verlorengegangen waren“ und nun als Feinde zurückgekommen wären. Das dürfe nie mehr geschehen. Seine diesbezügliche Hoffnung deutsche Überseemigranten „heim ins Reich“ zu holen, erfüllte sich jedoch nicht. Angeblich hoffte Hitler, dass dieses nach einem überwältigenden Sieg im Krieg klappen könnte, aus „Vaterlandsstolz“. Diese Hoffnung sei ein Motiv für den Überfall auf die Sowjetunion gewesen. „Unmittelbarer Zweck“ des „Unternehmen Barbarossa“ war laut Simms „Großbritannien psychologisch, diplomatisch, militärisch und ökonomisch einen Schlag zu versetzten und die Vereinigten Staaten abzuschrecken.“ Muss deswegen die Geschichte des „Dritten Reichs“ grundsätzlich neu überdacht werden, wie der Autor in seiner Einleitung hofft? Wohl kaum, denn die Fixierung des Autors auf seine Hauptthese, ist nicht immer so richtig nachzuvollziehen. Trotzdem ist es nicht uninteressant zu lesen, welche kruden Ansichten insbesondere zum „deutschen Volk“ Hitler antrieben und sie mit dem vergleicht was offensichtlich heute wieder durchaus opportun ist in gewissen Kreisen. Ernst Reuß Brendan Simms: Hitler - Eine globale Biografie, DVA München 2020, Hardcover, 1050 Seiten, 44 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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