„Viele sozialdemokratische und linke Parteien haben den Aufstieg der Rechten aber auch politisch und kulturell unterstützt, indem sie sich auf die Seite der Gewinner schlugen und ihrer Wortführer seither die Werte und die Lebensweise ihrer einstigen Wählerschaft, ihre Probleme, ihre Klagen und ihre Wut verächtlich machen.“, schreibt eine Frau, die ihr bisheriges gesamtes Leben in der Politik verbracht und dabei als ehemalige Sprecherin der Kommunistischen Plattform schon einige Wendungen vollzogen hat. Seit geraumer Zeit verdingt sie sich als Sprachrohr des vermeintlich einfachen Volkes und dennoch ist ihre One Woman Show „Aufstehen“ kläglich gescheitert. Ihre Parolen ähneln immer wieder denen einer am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums stehenden Partei, wobei sie viel Verständnis für die Menschen hat, die gegen Flüchtlinge oder Corona demonstrieren. Nun reitet sie auf der nächsten populistischen Welle und selbstverständlich ist sie an der Seite derjenigen, die sich von „Cancel Culture“ bedroht sehen, ein umstrittener Kampfbegriff, der zumeist von Kritikern in privilegierter Stellung benutzt wird.
Im Gegensatz zu ihr selbst, befinden sich die meisten anderen in der „Filterblase des eigenen Milieus.“ Den Linksliberalismus hält sie für einen „Irrweg“. Intolerant sind diejenigen, die sie kritisieren und ihr widersprechen - auch in der eigenen Partei. Sarah Wagenknecht wird gerne in Talkshows eingeladen, wo sie immer nah dran am Volk sein will und so gut wie alles besser weiß als andere, die ebenfalls in diesem Metier tätig sind. Sie schreibt auch: „Rechte und Linksliberale ähneln sich aber nicht nur in ihrer Intoleranz. Auch inhaltlich stehen rechts und linksliberal in keinem grundsätzlichen Gegensatz.“ Letzteres werfen Kritiker ihr selbst vor. Das Buch liest sich wie ein Abschied von der Linken und von progressiven Ideen. Der weitere Weg scheint vorgezeichnet. Sie wird jedenfalls für ihre Thesen viel Beifall aus dem rechten politischen Lager bekommen. Wen derartige und ähnliche Weisheiten interessieren, der schaltet entweder Talkshows ein oder kauft das Buch. Genug Interessenten wird es sicherlich geben, für die Aussagen einer Frau, die alles andere als volksnah wirkt, aber es glaubt zu sein. Ernst Reuß Wagenknecht, Sahra, Die Selbstgerechten, Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2021, 345 Seiten, 24,95 € Kommentare sind geschlossen.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
Juni 2024
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