Historisches gibt es auch in Berlin-Schöneweide zu sehen. Dort ist das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in einem vollständig erhaltenen Zwangsarbeiterlager. Laut Dokumentationszentrum wurden 26 Millionen Männer, Frauen und Kinder während des Zweiten Weltkriegs als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Rund 8,4 Millionen Menschen wurden als „zivile“ Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten Europas in das Deutsche Reich verschleppt. Die deutsche Wirtschaft wäre ohne das Millionenheer deportierter „Fremdarbeiter“ und Kriegsgefangener zusammengebrochen. Die Sterblichkeit unter ihnen war aufgrund der menschenunwürdigen Behandlung hoch. Gründe waren die hohe Arbeitsbelastung, die schlechten Versorgung, grassierende Krankheiten und Bombenangriffe, da Zwangsarbeiter normalerweise nicht in Luftschutzkeller durften. Rassistische Gesetze mit willkürlichen Todesstrafen taten ein übriges. Einige dieser Todesurteile sind in der Ausstellung dokumentiert. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wurden als „Volksschädling“ oder wegen „verbotenen Umgangs“ sehr schnell exekutiert. Insbesondere waren davon die als rassisch minderwertig verachteten „slawischen Untermenschen“ betroffen.
Alleine im Berliner Stadtgebiet befanden sich während des Zweiten Weltkriegs etwa 3 000 Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Dieses in Schöneweide für mehr als 2 000 ZwangsarbeiterInnen geplante Lager blieb erhalten. Zwei Baracken dienten in den letzten Kriegsmonaten 1945 als Unterkunft für weibliche KZ-Häftlinge, die in einer Batteriefabrik arbeiten mussten. Nach 1945 dienten zunächst einige Baracken als Papierlager für die Sowjetische Militäradministration, später zog dort das Impfstoff-Institut der DDR ein. Die übrigen Baracken werden bis heute genutzt. Nach 1989 wurde das Impfstoff-Institut abgewickelt, ab 1995 stand dieser Teil des historischen Lagergeländes über zehn Jahre leer. In den ehemaligen Arbeiterbaracken gibt es seit 2006 eine Dauerausstellung und sonstige Präsentationen zu dieser Thematik. Beispielsweise wird das Schicksal der republikanischen Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges aufgezeigt. Eine dreisprachige Ausstellung präsentiert erstmals die Geschichte dieser vergessenen Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges, die zum Teil auch hier vor Ort landeten. Auch 400 italienische Zwangsarbeiter landeten hier, nachdem Italien durch den Sturz Mussolinis und dem folgenden Waffenstillstand zum Feind wurde. Auch dieses Thema wird in einer Sonderausstellung gewürdigt. Rund 600 000 Militärinternierte wurden in die Lager im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten verschleppt und zur Zwangsarbeit eingesetzt; allein in Berlin sollen über 30 000 für die Rüstungsindustrie geschuftet haben. Ernst Reuß Comments are closed.
|
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
|