Bis Ende des Jahres widmet das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin dem bekanntesten deutschen Archäologen Heinrich Schliemann anlässlich seines 200. Geburtstags eine große Sonderausstellung.
Schliemann sah als armer Lagerarbeiter keine Zukunft und wollte mit 19 Jahren nach Venezuela auswandern, sein Schiff sank aber vor der holländischen Küste. Der Beginn eines Abenteurerlebens. Er findet in Amsterdam eine Anstellung und gründet eine Niederlassung in St. Petersburg. Mit nur 25 Jahren ist Heinrich Schliemann bereits ein erfolgreicher und reicher Kaufmann, der als sprachbegabter Kosmopolit viele Sprachen spricht. In Russland heiratet er eine Russin, gründet eine Familie und wird während des Krimkrieges mit dem Handel kriegswichtiger Güter zum Multimillionär. Die Abenteuerlust lockt ihn 1850 ins kalifornische Sacramento, wo er auch mit Gold handelt, eine Bank gründet und sein Vermögen nochmal verdoppelt. Mitte der 1850er-Jahre hatte er genug vom Geld scheffeln und ihn packt erneut die Reiselust. Mit der Bahn, dem Schiff, in Kutschen und auf Pferden entdeckt er nun Europa, den Orient, Indien, China und Japan. Er trennt sich von seiner Frau, zieht nach Paris und nimmt mit 44 Jahren ein Studium auf. Nun hatte er sich in den Kopf gesetzt das Troja Homers auszugraben. Troja bleibt bis heute ein Mythos und lag - soweit man zu wissen glaubt - im Nordwesten der jetzigen Türkei. Homer war derjenige, der den berühmtesten Bericht über Troja und den sagenhaften Krieg mit dem „Trojanischen Pferd“ schrieb. Heute rätselt man ob unter dem Namen „Homer“ verschiedene Dichter zusammengefasst worden sind, die ältere, mündlich überlieferte Sagen aufgeschrieben haben. Seit vielen Jahrhunderten wird die Geschichte vom Krieg um Troja von Generation zu Generation weitergegeben. Paris, die schöne Helena, der kämpferische Achilles und der kluge Odysseus sind heutzutage noch für eine Menge Menschen ein Begriff, auch wenn die Geschichten von Gewalt und Zerstörung, Liebe, Verzweiflung und Hoffnung wahrscheinlich eher Fiktion war. Möglicherweise gab es den Krieg so gar nicht, aber Troja ist kein Produkt der Fantasie – es gab die Stadt wirklich. Heinrich Schliemann entdeckte schließlich die Überreste. Im Alter von 47 Jahren heiratete er eine 17-jährige Griechin, die seine Leidenschaften teilt. Arbeit und Privates vermischt sich. Er baut in Athen einen Stadtpalast für sich und seine Frau, den er opulent mit Motiven der antiken Kunst sowie seinen archäologischen Funden ausstattet. Zudem lässt er ein Mausoleum nach dem Vorbild klassisch-griechischer Architektur errichten und seine Heldentaten auf einem der Friese verewigen. Heute würde man Heinrich Schliemann vermutlich als reichen Kauz bezeichnen, der seine Grabungskampagnen in der Regel selbst finanzierte und sich dabei selbst inszenierte. Seine Verdienste um die Archäologie der Antike sind ebenso wie seine schillernde Persönlichkeit allerdings offenkundig. Zu Troja gibt es auch einen opulenten Bildband, der durch die Perspektiven von Historikern und Archäologen ergänzt wird. Der prächtiger Band mit dem Titel „Troia - Mythos und Wirklichkeit“ gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung. Er zeigt auch Skulpturen, Bücher, Gemälde, Schmuck und vieles mehr - was den Mythos Troja in den letzten Jahrhunderten befeuerte. Im reich illustrierten Bildband ist für jedermann etwas zu bewundern, was er bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Auch in London hatte es dazu eine imposante Ausstellung gegeben. Ernst Reuß Ausstellungskatalog „Schliemanns Welten. Sein Leben. Seine Entdeckungen. Sein Mythos“, E. A. Seemann Verlag, 320 Seiten, 250 farbige Abbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-86502-480-0, Preis: 36 Euro. Villing, Alexandra / Fitton, Lesley J. / Donnellan, Victoria / Shapland, Andrew, Troia, Mythos und Wirklichkeit, Aus dem Engl. von Cornelius Hartz und Tora von Collani, wbg Zabern, Darmstadt2020. 312 S. mit 300 farb. Abb., 40 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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