Die Gedenkstätte Stille Helden in Berlin erinnert an jene Menschen, die während der Nazizeit verfolgten Jüdinnen und Juden halfen. Eine Publikationsreihe der Gedenkstätte erinnert auch an die stillen Helden in anderen Ländern.
Während des nationalsozialistischen Völkermords an den Jüdinnen und Juden Europas gab es rund sechs Millionen Opfer. Überall in Europa gab es Menschen, die den Verfolgten helfen wollten. Ihnen soll mit dieser Buchreihe gedacht werden. Häufig entwickelten sich dabei Helfer-Netzwerke. Für jeden „Untergetauchten” waren bis zu zehn, bisweilen auch erheblich mehr nichtjüdische Unterstützerinnen und Unterstützer aktiv. Viele Hilfsaktionen scheiterten. Das im Lukas Verlag erschienene Buch „Rettung kennt keine Konventionen“ enthält nicht nur die Porträts einiger dieser „stillen Helden“ aus Lettland, sondern auch interessante historische Fotografien. Der bekannteste lettische Helfer und Held war der Hafenarbeiter Jānis Lipke. Er sah wie tausende Rigaer Juden in langen Kolonnen zu ihrer Ermordung getrieben wurden und rettete insgesamt 54 Menschenleben. Andere Helfer hatten weniger Glück. Alma Pole, die im Keller ihres Hauses in der Rigaer Altstadt sieben Juden verbarg, wurde entdeckt. Alle Beteiligten wurden von der Sicherheitspolizei erschossen. Die baltischen Staaten sollten für eine „Germanisierung“ der Ostgebiete Europas genutzt werden. Für viele Letten waren die Deutschen dennoch „Befreier“ vom sowjetischen Joch. Im vorauseilenden Gehorsam massakrierten Lettische Nationalisten unmittelbar nach Erscheinen der deutschen Truppen ortsansässige Juden. Danach wurden die Juden von den deutschen Besatzern zur Zwangsarbeit verschleppt, dann ins Rigaer Zentralgefängnis gebracht und von dort aus in regelmäßigen „Aktionen“ im Wald von Biķernieki, am Stadtrand Rigas, erschossen. All dies vollzog sich vor den Augen der lettischen Bevölkerung und häufig unter Mitwirkung von Einheimischen. Den meisten Letten war das Leid der Juden vollkommen gleichgültig. Bald war die jüdische Gemeinde Lettlands de facto ausgelöscht. Nicht nur in Biķernieki kam es zu Massenerschießungen, auch im nicht weit entfernten Wald von Rumbula geschah dies. Bei den Opfern dort handelte sich meist um lettische Juden aus dem Ghetto Riga, aber auch um deutsche Juden, die von Berlin aus deportiert worden waren. So wie sie wurden tausende Deutsche aus allen Regionen des „Dritten Reiches“ nach Lettland deportiert und zumeist in Biķernieki erschossen. In Biķernieki existiert seit 2001 ein Mahnmal. Stelen aus Granit in unterschiedlicher Größe und Farbe erinnern an die vielen Opfer und benennen die Orte, aus denen die Transporte kamen. Auf einem Gedenkstein steht auf Hebräisch, Russisch, Lettisch und Deutsch: „ACH ERDE, BEDECKE MEIN BLUT NICHT, UND MEIN SCHREIEN FINDE KEINE RUHESTATT!“ In Rumbula steht seit 2002 ein ähnliches Denkmal. Ernst Reuß Katrin Reichelt, Rettung kennt keine Konventionen, Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzten Lettland 1941–1945, 264 Seiten, 80 Abb., Lukas Verlag, Berlin 2016 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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