"Sex sells“, das wissen auch der Verleger des Berlin Story Verlages und die Autoren des Buches mit dem Titel „Kittys Salon“.
Der Salon Kitty war ein Bordell in Berlin-Charlottenburg in der Giesebrechtstraße 11, unweit des Kudamms. Das 500 Quadradmeter große Etablissement im dritten Stock des Wohnhauses soll neun Schlafzimmer und eine für mindesten drei Personen ausgelegte Badewanne im bespiegelten Badezimmer gehabt haben. Über dieses Bordell ranken sich Legenden. Da Sex immer auch Auflage verspricht, würzten einige Autoren ihre Bücher und Biographien zur Nazizeit mit Legenden zum „Salon Kitty“. Ein ob seines Wahrheitsgehalts umstrittener Roman wurde 1976 mit Helmut Berger als Hauptdarsteller verfilmt. Ein Film, der von den Kritikern als eine „unerquickliche Mischung aus NS-Schwulst und Sado-Maso-Klischees“ bezeichnet wurde. Das Buch gibt einen informativen Einblick in die Prostitution der Weimarer Republik und während des Dritten Reiches, mit KZ- und Wehrmachtsbordellen, Denunziationen und dem exzessiven Sexualleben einiger Parteibonzen. Ein Höhepunkt der Doppelmoral, denn Prostituierte wurden gemeinhin als asozial eingesperrt. Danach folgen Kurzbiographien bekannter weiblicher Agentinnen und es geht zum eigentlichen Thema des Buches. Der Salon Kitty war erstaunlicherweise auch während der Nazizeit ein exklusives Bordell in Berlin, das möglicherweise auch zur Aushorchung von illustren Gästen, vor allem aus dem Ausland, dienen sollte. Viele bekannte Personen, ausländische Diplomaten und hochrangige Funktionäre der Nazis gehörten zum Kundenstamm. Der Salon soll von 1939 bis 1942 zu Spionagezwecken instrumentalisiert worden sein, bis er von einer Bombe getroffen wurde. Man hatte nun in Berlin andere Probleme. Prostitution ist ein verschwiegenes Gewerbe und die Besitzerin „Kitty Schmidt“ schwieg bis zu ihrem Tod 1954. „Kitty“ wurde als Kätchen 1882 im Hamburg geboren und ging als junge Klavierlehrerin nach England, wo auch ihre Tochter zur Welt kam. 1918 ging die alleinerziehende Mutter dann nach Berlin, wo sie fortan als „Rentiére“ ihr Geld verdiente. So stand es zumindest im Berliner Adressbuch. Als „Rentiére“ vermietete sie Zimmer, aber dort schon bald darauf auch „Dienstmädchen“. Kurz danach eröffnete sie einen „Salon“ in der Budapester Straße, später dann das zuerst als „Fremdenheim“ bezeichnete Etablissement in der Giesebrechtstraße. Ihre Tochter Kathleen schwieg ebenfalls. Viel redete nur der Enkel, wobei es aber nicht klar ist, was er aus erster Hand erfahren hat. Mit ihm und der bekannten Schauspielerin Evelyn Künnecke, die von ihrer Nachbarin erfolglos angeworben wurde, redete auch Rosa von Praunheim in einem der Dokumentarfilme zu „Kittys Salon“. „Meine Oma hatte einen „Nazipuff“, hieß seine Doku aus dem Jahr 1994. Nach Kittys Tod führte ihre Tochter Kathleen das Etablissement als „Pension Florian“ weiter. Eine Künstlerpension, in dem es aber auch ein Zimmer gab, in dem Männer ungestört Besuch empfangen konnten. Kathleen rief die Mädchen an, wenn sie gebraucht wurden. In den verklemmt, miefigen Wirtschaftswunderzeiten ließ sich dort wahrscheinlich viel Geld verdienen. Der Enkel wandelte das Etablissement in den frühen 1990er Jahren schließlich zu einer Pension für Asylbewerber um, musste aber nach Protesten von Anwohnern bald schließen. Die Geschichte des Hauses ist sicherlich auch ein Spiegel der Geschichte Deutschlands. Die Autoren des gerade erschienen Buches versuchen an den wahren Kern der Legenden heranzukommen und räumen gut recherchiert mit einigen hartnäckigen Mythen auf. Die meisten Geschichten über den „Salon Kitty“ dürften der ausufernden Fantasie und Geschäftemacherei der Erzähler geschuldet sein. Trotzdem könnte laut den Buchautoren etwas an den Abhörgerüchten dran sein, auch wenn man keine Beweise mehr fand. Ob Kitty Opportunistin, Profiteurin, Kollaborateurin oder Opfer des Nazi Regimes war, bleibt wohl ewig im Dunkeln. Nachkommen in Deutschland gibt es nicht mehr. Das Familiengrab wird wohl im Jahre 2034 aufgelassen. Ernst Reuß Urs Brunner, Julia Schrammel, KITTYS SALON, Legenden, Fakten, Fiktion - Kitty Schmidt und ihr berüchtigtes Nazi-Spionagebordell, Berlin Story Verlag, Berlin 2020, 300 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 19,95 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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